[180] Dezember 1772.
Prahlt nur, Sänger Lutetiens!
Gleichet euren Gesang selber (so ziemt es sich!)
Der unsterblichen Grazie
Des Dircäers, und trotzt jenem, der Latiums
Freiheitsmörder vergötterte!
Warum solltet ihr's nicht? Habt ihr die Hoffnungen
Eurer Könige, welche zur
Kurzweil scharenweis euch fütterten, nicht erfüllt?[180]
Scholl nicht tausendmal euer Lied
Aus den Schlünden des Ruhms? Haucht' es nicht tausendmal
Wilde Gluten dem Jünglinge,
Und der heiligen Brust blühender Mädchen ein?
Billig werft ihr den Seitenblick
Spöttisch über den Rhein, in das barbarische
Land, wo Roßbach und Höchstädt noch
Vom unmenschlichen Mord feinerer Franzen raucht!
Billig schimpft ihr das rauhe Lied,
(Ach! kein Mädchen und kein witziger Höfling liebt's!)
Das, in holpernden Tönen, Gott,
Dieses Märchen! und ha! Freiheit und Vaterland
Und altvätrische Tugend singt! –
Doch laß ab, o Gesang! Spotte der Tändler nicht!
Unbesorgt um den trägen Strauß,
Der, dem Äther zu schwer, segelnde Schwingen dem
Wind' ausspreitend, den Sand durchscharrt,
Stürmt der Adler voll Stolz leuchtenden Sonnen zu!
Tritt, gerüstet mit Kühnheit, auf,
Und frag' jegliches Volk unter dem Himmel, frag',
Welcher einzig noch Antwort hat,
Selbst den Britten, ob er habe der Jünglinge,
Die, von Fürsten unangefeu'rt,
Hasser goldenen Lohns, Hasser weitstrahlender
Pöbelehren, mit hohem Schwur
Alles Leben nur dir, Tugendgesang, geweiht!
Der allwissend in unser Herz
Schaute, warum, o Gott, schwieg in der Rechten dir
Der heimsuchende Donnerstrahl?
Warum leuchtete sanftlächelnd dein Antlitz uns,
Daß der Mond in dem Wiederschein
Und der sternende Pol' lächelt', und ehrfurchtsvoll
Jedes feiernde Lüftchen sank?
Meine Brüder, Triumph! Uns hat gesegnet Gott!
Kommt, umarmt mich, und reicht den Kranz
Mir des heiligen Laubs, welches uns schattete!
Uns gesegnet hat Gott! O kommt,
Meine Miller, am Arm eures geliebten Hahn!
Und du, welchem die zärtliche[181]
Wollustthräne den Blick trübet, o Hölty, komm!
Seht den klopfenden Busen hier,
Stolbergs Biedergeschlecht! Sieh ihn, mein Boie, du!
Freiheit klopft er und Vaterland!
Du, das strahlende Ziel nächtlicher Wachen und
Thränenblinkender Stunden, wie
Flammt dir einzig mein Herz, Vaterland! Vaterland!
Ach, wie ring' ich, wie ring' ich, bald
Wert des jauchzenden Danks deines erwählten Stamms,
Und, Bastarde Thuiskons, und
Schiele Nachbarn, zu sein eures Geknirsches wert!
Buchempfehlung
Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.
68 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro