53. Die Kartoffelernte

[302] 30. November 1794.


Kindlein, sammelt mit Gesang

Der Kartoffeln Überschwang!

Ob wir voll bis oben schütten

Alle Mulden, Körb' und Bütten;

Noch ist immer kein Vergang!


Wo man nur den Bulten hebt,

Schaut, wie voll es lebt und webt!

O die schöngekerbten Knollen,

Weiß und rot, und dick geschwollen!

Immer mehr, je mehr man gräbt!


Nicht umsonst in bunter Schau

Blüht' es rötlich, weiß und blau!

Ward gejätet, ward gehäufet:

Kindlein, Gottes Segen reifet!

Rief ich oft, und traf's genau!


Einst vom Himmel schaute Gott

Auf der Armen bittre Not:

Nahe ging's ihm; und was that er

Uns zum Trost, der gute Vater?

Regnet' er uns Mannabrot?


Nein, ein Mann ward ausgesandt,

Der die neue Welt erfand!

Reiche nennen's Land des Goldes:

Doch der Arme nennt's sein holdes

Nährendes Kartoffelland!
[303]

Nur ein Knöllchen eingesteckt,

Und mit Erde zugedeckt!

Unten treibt dann Gott sein Wesen!

Kaum sind Hände gnug zum Lesen,

Wie es unten wühlt und heckt!


Was ist nun für Sorge noch?

Klar im irdnen Napf und hoch,

Dampft Kartoffelschmaus für alle!

Unsre Milchkuh auch im Stalle

Nimmt ihr Teil, und brummt am Trog!


Aber, Kindlein, hört! ihr sollt

Nicht verschmähn das liebe Gold!

Habt ihr Gold, ihr könnt bei Haufen

Schöne Saatkartoffeln kaufen,

Grad' aus Holland, wenn ihr wollt!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 302-304.
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