65. Der Wohllaut

[321] 16.–18. Januar 1801.


Perlenhell von Taugefunkel

Stand dein ganzer Mai, o Flora;

Hell wie Purpur, sank Aurora

Sanft in Dunkel

Zum Ocean.

Lunas Scheib' in klarer Ründung

Wallt' aus Silberduft zum Äther;[321]

Und wir schauten, voll erhöhter

Vorempfindung,

Die stille Bahn.


Leis aus lichter Wolke hallen

Hörten wir's, als säng' Amphion,

Wie, wann lächelt Zeus Kronion,

Lenze wallen

Auf Thal' und Höh'n.

Ihr Romanen, ihr Achaier,

Ihr im Glanze sangt harmonisch;

Mäonidisch und maronisch

Klang die Leier

In lindem Wehn.


»Heil! die alte Nacht veraltet

(Rief's herab) in deutscher Wildnis!

Bald erblüht, nach Hellas' Bildnis

Umgestaltet,

Die Bárbarflur!

Träger Unzier Herrschaft endigt,

Durch Apollon und Lyäos;

Ferne schon am Nord-Rhipäos

Wird gebändigt

Der Bär und Ur!


Für Gesetz und Ordnung fügsam,

Strebt der franke Geist nach Wahrheit;

Und die Red' in holder Klarheit

Hallet biegsam

Apollons Hall![322]

Bald vereint sich Kraft und Schöne

Bald mit Wohllaut Wohlbewegung;

Jedem Schwung' und jeder Regung

Folgt der Töne

Gemeßner Fall!


Bald durch Deutschland tönt gewaltig

Deine Melodie, Homeros!

Bald nicht sparsam blüht ein Heros,

Mannigfaltig

An Red' und That!

Deutschen Ton' horcht endlich gerne

Wälsch' und Frank, Verächter weiland!

Auch das stolze Britteneiland

Horch' und lerne

Hellenenpfad!


Wie des Wohlklangs Kind Jona

Kraft und Anmut einst getönet:

Also sing' itzt unverhöhnet,

O Teutona,

Dem Helikon!« –

Lehr', Apollon, lehr' uns Lieder;

Deines Wohlklangs ward uns wenig!

Flehten wir; und siebentönig

Schwebte nieder

Ein Barbiton.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 321-323.
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