8. Bußlied eines Romantikers

[342] Ende 1801.


Alles, was mit Qual und Zoren

Wir gedudelt, geht verloren;

Hat's auch kein Prophet beschworen.
[342]

Welch ein Graun wird sein und Zagen,

Prüft der Richter ernst mit Fragen

Kleine so wie große Klagen!


Hinposaunt mit Schreckentone,

Gehen wir zum Richterthrone,

Wer mit Geist gereimt, und ohne.


Auch mich Armen wird man sehen

Mit den Sündern auferstehen,

Zur Verantwortung zu gehen.
[343]

Manches Büchlein wird entfalten,

Wie wir, feind den hohen Alten,

Hier modern-romantisch lallten.


Ohn' Erbarmen wird gerichtet,

Was wir, gleich als wär's gedichtet,

Firlefanzisch aufgeschichtet.


Ach, was werd' ich Armer sagen,

Wann der Kunst Geweihte klagen,

Und wir Süd-Kunstmacher zagen?


Gnade, ruf' ich, Herr, mir Knaben!

Frei ja gabst du deine Gaben;

Konntest du mich auch nicht laben?


Thatst du (woll' es, Herr, erwägen!)

Je ein Wunder meinetwegen,

Mein Gemüt mit Kraft zu pflegen?


Trotz dem Angstschweiß meines Strebens,

Nachzuäffen Geist des Lebens;

Alle Mühe war vergebens!


Richter der gerechten Rache,

Nachsicht üb' in meiner Sache,

Wenn ich, wie ich kann, es mache.
[344]

Scham und Reue muß ich dulden;

Tief erröt' ich ob den Schulden,

Wie ein Kreuzer unter Gulden.


Hab' ich reimend mich verschrieen,

Du, der Schächern selbst verziehen,

Laß es gehn für Melodieen!


Achte nicht mein Schrei'n so teuer,

Daß ich darum, o du Treuer,

Brennen sollt' in ewgem Feuer.


Zu den Schafen laß mich kommen,

Von den stößigen, nicht frommen,

Bundesböcken ausgenommen.


Wird auch Feuer ohne Schonung

Meinen Reimen zur Belohnung,

Nimm doch mich in deine Wohnung.


Herz, zerknirscht im tiefsten Grunde,

Ruf' Ade dem Schwärmerbunde,

Daß ich zu Vernunft gesunde!


Wer gesündigt hat mit Zoren,

Muß dort ewig, ewig schmoren.[345]

Aber mich, trotz meinen Schulden,

Nimm ins Paradies mit Hulden.

Gieb mir Armen ewge Ruh,

Sei es auch – mit Kotzebu!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 342-346.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon