Vierte Szene.

[9] FURIEN.

Verloren,

Jammererkohren,

Wimmre bis an Grabes-Rand.

WANDRER.

In Abgrund sinken?

Holde weibliche Stimme.

Blüthen winken,

Reiche zur Stunde

Dem freundlichen Bunde

Muthig die Hand!

WANDRER.

Der gütigen Stimme

Das Herz erbebet!

FURIEN.

Zum wüthigen Grimme

Die Geissel hebet!

WEIBLICHE STIMME.

Mag den Hehren

Gold beglücken,

Lieb' entzücken,

Ruhm verklären,

Ich bin das Gewähren!

WANDRER.

O daß ein treuer Geist

Mich riefe![9]

FURIEN.

Reißt, reißt

Ihn zur Tiefe!

WEIBLICHE STIMME.

Rufe mir!

WANDRER.

O Zagen,

Nicht darf ich's wagen!

WEIBLICHE STIMME.

So schaue meine Treuen hier!


Wandrer und Furien verschwinden. Eine köstlich drappirte Mannsgestalt mit einem Füllhorn steigt aus der Erde.


PLUTUS recitirt unter Begleitung von Saiteninstrumenten.

Das Leben ist Käufer, ein Markt die Welt,

Sie handelt, mit dem sich Plutus gesellt,

Aus reichem Schacht, aus umwogten Hafen,

Bringt Edelgut ihm die Schaar meiner Sclaven.


Neger bringen Kostbarkeiten und verschwinden.


Auch ohne Verdienst ist der Kranz ihm gewährt,

Das Recht neigt vor ihm Wage und Schwert.


Eine Gerechtigkeit legt Wage und Schwert, ein Held und ein mit einer Mauerkrone gezierter Mann, legen Lorbeer und Krone hin und verschwinden.


Er trinket Wonne am üppigen Feste.


Eine reiche Tafel steigt empor, und versinkt bei der folgenden Zeile.


Er winket, dem Boden entsteigen Paläste.


Ein schönes Gebäude steht da.


Das Diadem, der gebietende Stab,


Krone und Scepter fallen nieder.


Entsinken dem Füllhorn – jetzt laßt mich hinab!


Wolken verhüllen die Erscheinung.


FAUST wie im Schlummer.

O Armuth – klagende Entbehrerin!


Sanfte Musik von Flöten und Harfen. Die Wolken zertheilen sich. Man sieht eine dürre beschneite Heide. Der Liebesgott kömmt durch das Gestrüppe.
[10]

AMOR recitirt unter Flötenbegleitung.

Oft darbet die Habe auf Hügeln von Gold,

Lacht nicht der Knabe mit Flügeln ihr hold;

Mit seligem Hauch muß er es umweben,

Und Glorien schmücken das irdische Leben.

Mein Reich ist die Tiefe der athmenden Brust,

Und Amors Satzung die himmlische Lust.

Nah' ich dem winterlich starren Gefilde,

Blüht glücklicher Inseln wonnige Milde!


Wie Amor erschien, sproßte eine Blume nach der andern auf, daß nun ein lieblicher Garten ihn umgiebt.


Mich Nymphen mit lieblichen Tänzen umkreisen.


Aus Blumensträuchen werden Mädchen, die um Amor tanzen.


Da knieen die Thoren, da knieen die Weisen.


Aus anderen Büschen werden Männer, die vor den Mädchen hinsinken. Sie verschwinden wieder.


FAUST dehnt seine Arme aus.

AMOR zielt mit seinem Bogen nach Faust.

Du klagst ob meines Pfeiles Wunde,


Eine hohe Schönheit entwickelt sich aus dem Rosenstamm der Mitte.


Dir lächelt Erhörung vom rosigen Munde.


Das Mädchen breitet ihre Arme nach Faust hin aus. Leichter Donner. Gewölke verhüllen die Scene des Hintergrundes.


FAUST.

O Anmuth – Hoheit – schönrer Welt entsandt!

In mir erwacht, was nimmer ich empfand.


Verkündigende Prachtmusik von Trompeten und Hörnern. Die Wolken theilen sich. Der Ruhm in weiblicher Gestalt mit Buch, Tuba und Griffel schwebt aus der Höhe herab.


RUHM recitirt unter heroischer Begleitung.

Was frommet das Beben vor Amors Glut?

Der Tod wirft das Leben in stygische Flut;

Mit Feuerzügen die nimmer enden,

Bild' ich der Menschheit hohe Legenden,[11]

Wenn alles der Strom der Jahre bricht,

Nur meinen ehernen Tempel nicht.


Ein schöner Tempel mit Statuen und Büsten steht da.


Wer hier im Standbild zur Höhe strebet,

Bis an die Grenze der Zeiten lebet!

FAUST.

Mein Angedenken soll verwittern,

Wie eines Unbekannten Grab –?


Unter einem Donnerstoß steigt eine Statue aus des Tempels Mitte empor. Der Ruhm zeichnet mit seinem Goldgriffel den Namen Faust an das Piedestal, der feurig da steht.


FAUST taumelt von seinem Sitz auf; der Vorhang sinkt über die Erscheinung.

FAUST indem die Musik schwächer fortgeht, und während er endlich knieend betet, verhallt.

Ein Traum – zum drittenmal – doch er entdämmert kaum,

So treffen blutiger der Wahrheit Tücken,

Die offne Wimper höhnt den Lebensraum,

Im Arm der Lüge wohnet das Entzücken,

O tragt den gern betrognen innern Sinn,

Wohlthät'ge Genien, dahin,

Wo innige milde Gestalten,

Im sinnigen Bilde walten –

Und ists nicht Frevel, was die Brust erfleht?

Des Orkus Mächte meinen Schlummer necken,

Unreine Wünsche trügend mir zu wecken,

Beugt euch ihr Knie zum reuigen Gebet,

Tilgt Heil'ge meiner Seele Flecken,

Und fernt von mir der Sünde Schrecken!


Betet, die Musik verhallt. Man hört Fußtritte.


Was hör' ich? – bergt mich schirmend, ihr Gesträuche!


Quelle:
Voß, Julius von: Faust. Trauerspiel mit Gesang und Tanz. Berlin 1890, S. 9-12.
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