Scena sexta.

[298] Jesus Christus.


Do nu die zeit erfüllet was,

Wie Daniel beschreibet das,

Die Gott, der liebe vater mein,

Bestimmet hat durch den engel sein,

Siebentzig wochen kemen frey

Und die zeit was nahent herbey,

Dem ubertretten würdt gewehrt,

Die sündt bedeckt und gantz vorkerth,

Die missethat vorsünt mit macht,

Ewig gerechtigkeit gebracht,

Und auch die zeit wart geendet,

Das zepter von Juda wart gewendet,

Kein lerer mehr vorhanden was,

Wie uns Jacob beschreibet das,

Das Jüdisch volck nicht hatte mehr

Priester, König noch Moses lehr,

Das volck kein Gottes dienst mehr het,

Frembdling regirten zu der steth,

Ider lebt noch heidenscher art

Das auch das landt erfüllet wardt

Mit sünden, gros abgötterey:

Do sante mich mein vater frey

Aus himels tron zur selben farth.

Im dreissigsten jar Herodis wart

Ich zu Bethlahem geporen

Von Maria aus erkoren,

Inn armut gros im Jüdischen landt,

Meim volck, den Jüden, unbekandt,

Von Joseph auffgezogen schon

Und wart geacht sein eigen son.

Ich disputirt im zwelfften jar

Im tempel mit der Jüden schar,[299]

Lebt dreissig jar gantz unbekandt,

Halff nicht, das ich auch wart zu hant

Von Johanni auch offenbardt,

Von ihm getauffet zu der fart,

Und wart gehört meins vaters stim:

Dis ist mein lieber son, vernim,

An dem ich gros gefallen ha,

Auff dem mein geist auch ruhet da.

Ich prediget auch vierthalb jar

Und sprach: Thut rechte bus vorwar,

Das himelreich ist nha hier bey,

Bekennet ewer sünde frey!

Dann ewer werck seint gantz und gar

Vor Gott ein eitel grewel vorwar,

Drumb gleubt an mich, den Gottes son,

Der sündt vorgebung wert ihr hon,

Darzu kompt ihr aus aller noth,

Erlost von sündt, gesetz, teuffel, todt.

Dann das auch gantz beschlossen ist

Von meinem vater, solches wist,

Das niemandts durch gesetzes werck

Inn himel kompt durch seine sterck,

Allein durch mich inn solcher pflicht.

Ich bin der weg, die thür gericht

Des ewigen lebens also klar,

Das sagen al Propheten zwar,

Dann wer alzeit gleubet an mich,

Der wert nicht sterben ewiglich,

Und ab er kem inn todes noth,

Dringt er ins leben durch den todt.

Darumb kompt her auch al zu mir,

Mit sündt beladen, beschweret sihr,

Wil euch erquicken zu der stundt,

An leip und sehl machen gesundt.[300]

Ich bin das ware himel brodt,

Wer mich ist, der sieth nicht den todt,

Ihn hungert nicht inn ewigkeit.

Das lebendig wasser bin bereith,

Wer das trinckt, den dürstet nicht

Inn ewigkeit, das seidt bericht.

Das leben und die warheit,

Die weisheit und gerechtigkeit,

Die heiligung und erlösung,

Von mir han al den ursprung.

Darzu bin ich das wäre licht,

Allen menschen zugericht,

Das sie der finsternus entghon,

Durch mich das ewig licht entpfon,

Dann ich der recht son Gottes bin,

Al sündt der welt ich nehm do hin.

Drumb gleubt alzeit den worten mein,

Darzu den wunderzeichen fein,

Damit ich meine lehr beweis,

Das gleubet stetz mit allem fleis,

So werdet ihr aus aller noth

Erlöset sein vom ewig todt.

Darzu mus ich zu dieser frist

Auch zeitlich sterben, solches wist,

Vom todt erstehn durchs vaters krafft,

Uberwinden alle veintschafft,

Erwerben euch die seligkeit,

Die euch vom vater ist bereit,

Welchs ihm alzeit auch wolgefelt,

Durch mich erlösen die gantze welt.


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 298-301.
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