Scena octava.

[305] Jesus Christus.


Himlischer vater, hilff itzt mir,

Uber mich die wasser fallen schir,

Bis an das leben meiner seel

Ich bin vorsuncken, lig inn quel,

Inn tieffem schlam au allen grünt,

Die flüet hat mich erseufft zur stundt,

Vor grossem gschrey ich müde bin,

Mein sprach und stim ist gar dohin,

Mein augen seint auch worden al,

So ich meins Gots har itzt zu mahl,

Mein veindt on ursach hassen mich,

Der seint viel mehr, sags sicherlich,

Dann auch der har des heubtes mein,

Die mir unbillich veindt stetz sein,

Die mich vorterben ane schuldt,

Ich mus bezalen mit geduldt,

Das ich noch nye geraubet han.

Himlischer vater, sich nu an

Mein torheit und mein schulde gros!

Hilff, das ich der auch werde los,[305]

Dann sie seind mir auch wol bekandt,

Wie wol sie s eint auch frembd genandt,

Doch ich mus sie bezalen schir.

Mein vater, las niemants von mir!

Zu schänden werden und zu spot,

Die auff dich harren inn der noth!

Viel schant ich trag umb deinent wil,

Bedeckt bin ich mit schanden vil,

Gantz frembd bin ich den brüdern mein

Und unbekant den kindern fein,

Der mutter mein; dieweil mich hat

Deins hauses eiffer fressen drath,

Die schmach auff mich gefallen ist,

Die dich vorschmehen zu der frist,

Mein weinen und bekömert hertz

Ist wurden ihn zum spot und schertz,

Ich bin kein mensch, sünder ein worm,

Ein spot der leut mit grossem storm.

All, die mich sehn, die spotten mein,

Gen mir spert yder das maul sein,

Schüttelen den kopff, sprechen mit straus:

Er klags dem heren, der helff ihm aus,

Errette ihn, so er ihn wil,

Noch ihm vorwar fragt Gott nicht vil,

Hat ihn vorworffen zu der stundt,

Vorstossen inn der helle grundt.

Grosse faren umbgeben mich,

Feiste ochsen gantz grausamlich

Wider mich den rachen sperren,

Wie ein lam sie mich thun zerren,

Bin aus gesehnt wie wasser klar,

Al mein gepein zu knirst sein gar,

Mein hertz ist mir inn meinem leib

Zu schmultzen wie ein wechssen scheib,

Mein kreffte seint vortruckent gantz,

Wie ein schirb von der sonnen glantz,[306]

Mein zung die klebet an meim gaum,

Ich lig im todt und lebe kaum,

Die hunde haben mich umbgeben,

Die böse roth steth noch meim leben,

Sie hau mir hent, füs durchgraben,

Al mein bein möcht man zelt haben,

Darzu sie stehn und sehn mich an,

Auff erd bin ich der ermste man,

Sie teilen mein kleit und gewandt,

Das los sie werffen mit der handt.

Mein Gott, mein Gott, wie hastu mich

Vorlassen, ach Gott, ich bit dich,

Mach dich, herr, nicht ferne von mir,

Eil, mein sterck, zu helffen schir,

Vom schwerdt errette meine seel,

Von der haut der hunth, ihrer quel,

Aus lewensrachen reis sie balt,

Von grimmigen tyren mannichfalt,

Dann du hast mich vorlassen ny,

Aus mutter leip gezogen hy.

Als ich die prust der mutter mein

Gesogen hab und war noch klein,

Hastu mir geholffen aus der noth,

Du bist mein herr und vater, Gott,

Darumb ich beth und schrey zu dir,

Zur angenemen zeit hilff mir!

Gott, inn deiner sehr grossen güth

Noch deiner trew du mich behüth,

Errette mich auch aus dem koth,

Das ich nicht vorsinck inn dem todt,

Von mein veinden erlös mich schon,

Der wasser teuff las mich entghon!

Mein Gott, mir zu helffen bey sthe,

Ehe die grub uber mich zammen ghe.

Erhör mich, herr, denn dein gut ist

Lieblich und süs zu aller frist,[307]

Noch deiner grossen barmhertzigkeit

Erhör mich, herr, sey mir bereidt,

Vorberge nicht dein angesicht

Vor deinem knecht! bin ich gericht,

Dann ist mir angst in grosser quel.

Herr, mach dich auff, hilff meiner seel

Umb meiner feindt wil zu hant,

Dann du weist mein schmach, scham und schant,

Und meine veint seint al vor dir,

Die schmach zu bricht das hertze mir.

Ich bin betrübt zu aller steth

Und wart, abs imands jamert het,

Do war niemants, ich stundt allein,

Ich hofft auff tröster, fandt doch kein,

In meine speis sie mengten gal,

Essig, ein tranck noch ihrem gefahl.

Aber, herr, auff dich so traw ich,

Las nümmer zu schanden werden mich,

Hilff mir mit gerechtigkeit darvon,

Neige zu mir dein ohrn schon,

Ein starker vels, herr, sey du mir,

Ein veste purck zu schützen, schir!

Du bist mein fels, darzu mein burck,

Du fürest mich aus aller surg.

Das schiet umb deines namens wil,

Wol aus dem netz zeuch mich mit stil,

Das mir gestelt han meine veindt,

Mit deiner sterck beschütz mich heint,

Inn deine hent befehl ich dir

Mein geist, mein vater, hilff mir schir!


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 305-308.
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