Vierte Szene


[562] Freie Gegend auf Bergeshöhen



Die Aussicht ist noch in fahle Nebel verhüllt wie am Schlusse der zweiten Szene. Wotan und Loge, den gebundenen Alberich mit sich führend, steigen aus der Kluft herauf.


LOGE.

Da, Vetter,

sitze du fest! –

Luge, Liebster,

dort liegt die Welt,

die du Lungrer gewinnen dir willst: –

welch Stellchen, sag

bestimmst du drin mir zum Stall?


Er schlägt tanzend ihm Schnippchen.


ALBERICH.

Schändlicher Schächer!

Du Schalk! Du Schelm!

Löse den Bast,

binde mich los;

den Frevel sonst büßest du Frecher!

WOTAN.

Gefangen bist du,

fest mir gefesselt,

wie du die Welt,

was lebt und webt,

in deiner Gewalt schon wähntest;

in Banden liegst du vor mir –

Du Banger kannst es nicht leugnen!

Zu ledigen dich,

bedarf's nun der Lösung.

ALBERICH.

O ich Tropf!

ich träumender Tor!

Wie dumm traut ich

dem diebischen Trug!

Furchtbare Rache

räche den Fehl!

LOGE.

Soll Rache dir frommen,

vor allem rate dich frei:

dem gebund'nen Manne[562]

büßt kein Freier den Frevel.

Drum sinnst du auf Rache,

rasch ohne Säumen

sorg um die Lösung zunächst!


Er zeigt ihm, Finger schnalzend, die Art der Lösung an.


ALBERICH.

So heischt, was ihr begehrt!

WOTAN.

Den Hort und dein helles Gold.

ALBERICH.

Gieriges Gaunergezücht!


Für sich.


Doch behalt ich mir nur den Ring,

des Hortes entrat ich dann leicht;

denn von neuem gewonnen

und wonnig genährt

ist er bald durch des Ringes Gebot: –

eine Witzigung wär's,

die weise mich macht,

zu teuer nicht zahl ich die Zucht,

laß für die Lehre ich den Tand. –

WOTAN.

Erlegst du den Hort?

ALBERICH.

Löst mir die Hand,

so ruf ich ihn her.


Loge löst ihm die Schlinge an der rechten Hand. Alberich rührt den Ring mit den Lippen und murmelt heimlich einen Befehl.


Wohlan, die Niblungen

rief ich mir nah.

Ihrem Herrn gehorchend

hör ich den Hort

aus der Tiefe sie führen zu Tag: –

nun löst mich vom lästigen Band!

WOTAN.

Nicht eh'r, bis alles gezahlt.


Die Nibelungen steigen aus der Kluft herauf, mit den Geschmeiden des Hortes beladen. Während des Folgenden schichten die Nibelungen den Hort auf.


ALBERICH.

O schändliche Schmach!

daß die scheuen Knechte

geknebelt selbst mich erschau'n! –


Zu den Nibelungen.


Dorthin geführt,

wie ich's befehl!

All zu Hauf

schichtet den Hort!

Helf ich euch Lahmen? –[563]

Hierher nicht gelugt! –

Rasch da! Rasch!

Dann rührt euch von hinnen,

daß ihr mir schafft!

Fort in die Schachten!

Weh euch, treff ich euch faul!

Auf den Fersen folg ich euch nach!


Er küßt seinen Ring und streckt ihn gebieterisch aus. Wie von einem Schlage getroffen drängen sich die Nibelungen scheu und ängstlich der Kluft zu, in der sie schnell hinabschlüpfen.


Gezahlt hab ich;

nun laß mich ziehn:

und das Helmgeschmeid,

das Loge dort hält,

das gebt mir nun gütlich zurück!

LOGE den Tarnhelm auf den Hort werfend.

Zur Buße gehört die Beute.

ALBERICH.

Verfluchter Dieb! –

Doch nur Geduld!

Der den alten mir schuf,

schafft einen andern:

noch halt ich die Macht,

der Mime gehorcht.

Schlimm zwar ist's,

dem schlauen Feind

zu lassen die listige Wehr! –

Nun denn! Alberich

ließ euch Alles;

jetzt löst, ihr Bösen, das Band!

LOGE zu Wotan.

Bist du befriedigt?

Laß ich ihn frei?

WOTAN.

Ein gold'ner Ring

ragt dir am Finger:

hörst du, Alp? –

der, acht ich, gehört mit zum Hort.

ALBERICH entsetzt.

Der Ring?

WOTAN.

Zu deiner Lösung

mußt du ihn lassen.

ALBERICH bebend.

Das Leben, doch nicht den Ring!

WOTAN heftiger.

Den Reif verlang ich:

mit dem Leben mach was du willst.

ALBERICH.

Lös ich mir Leib und Leben,

den Ring auch muß ich mir lösen;[564]

Hand und Haupt,

Aug und Ohr

sind nicht mehr mein Eigen,

als hier dieser rote Ring!

WOTAN.

Dein Eigen nennst du den Ring?

Rasest du, schamloser Albe?

Nüchtern sag,

wem entnahmst du das Gold,

daraus du den schimmernden schufst?

War's dein Eigen,

was du Arger

der Wassertiefe entwandt?

Bei des Rheines Töchtern

hole dir Rat,

ob ihr Gold sie

zu eigen dir gaben,

das du zum Ring dir geraubt!

ALBERICH.

Schmähliche Tücke!

Schändlicher Trug! –

Wirfst du Schächer

die Schuld mir vor,

die du so wonnig erwünscht?

Wie gern raubtest

du selbst dem Rheine das Gold,

war nur so leicht

die Kunst, es zu schmieden, erlangt?

Wie glückt es nun

dir Gleißner zum Heil,

daß der Niblung ich

aus schmählicher Not,

in des Zornes Zwange,

den schrecklichen Zauber gewann,

des Werk nun lustig dir lacht?

Des Unseligen,

Angstversehrten

fluchfertige,

furchtbare Tat

zu fürstlichem Tand

soll sie fröhlich dir taugen,

zur Freude dir frommen mein Fluch? –

Hüte dich,

herrischer Gott! –

Frevelte ich,[565]

so frevelt ich frei an mir: –

doch an Allem, was war,

ist und wird,

frevelst, Ewiger du,

entreißest du frech mir den Ring!

WOTAN.

Her den Ring!

Kein Recht an ihm

schwörst du schwatzend dir zu.


Er ergreift Alberich und entzieht seinem Finger mit heftiger Gewalt den Ring.


ALBERICH gräßlich aufschreiend.

Ha! – Zertrümmert! Zerknickt!

Der Traurigen traurigster Knecht!

WOTAN den Ring betrachtend.

Nun halt ich, was mich erhebt,

Der Mächtigen mächtigsten Herrn.


Er steckt den Ring an.


LOGE zu Wotan.

Ist er gelöst?

WOTAN.

Bind ihn los!

LOGE löst Alberich vollends die Bande.

Schlüpfe denn heim!

Keine Schlinge hält dich:

frei fahre dahin!

ALBERICH sich erhebend.

Bin ich nun frei?


Wütend lachend.


Wirklich frei?

So grüß euch denn

meiner Freiheit erster Gruß! –

Wie durch Fluch er mir geriet,

verflucht sei dieser Ring!

Gab sein Gold

mir Macht ohne Maß,

nun zeug' sein Zauber

Tod dem, der ihn trägt!

Kein Froher soll

seiner sich freun,

keinem Glücklichen lache

sein lichter Glanz!

Wer ihn besitzt,

den sehre die Sorge,

und wer ihn nicht hat,

den nage der Neid!

Jeder giere

nach seinem Gut,

doch keiner genieße[566]

mit Nutzen sein!

Ohne Wucher hüt ihn sein Herr;

doch den Würger zieh er ihm zu!

Dem Tode verfallen,

feßle den Feigen die Furcht:

so lang er lebt,

sterb er lechzend dahin,

des Ringes Herr

als des Ringes Knecht: –

bis in meiner Hand

den geraubten wieder ich halte! –

So segnet

in höchster Not

der Nibelung seinen Ring: –

behalt ihn nun,


Lachend.


hüte ihn wohl!


Grimmig.


Meinem Fluch fliehest du nicht!


Er verschwindet schnell in der Kluft. – Der dichte Nebelduft des Vordergrundes klärt sich allmählich auf.


LOGE.

Lauschtest du

seinem Liebesgruß?

WOTAN in den Anblick des Ringes an seiner Hand versunken.

Gönn ihm die geifernde Lust!


Es wird immer heller.


LOGE nach rechts in die Szene blickend.

Fasolt und Fafner

nahen von fern:

Freia führen sie her.


Aus dem sich immer mehr zerteilenden Nebel erscheinen Donner, Froh und Fricka und eilen dem Vordergrunde zu.


FROH.

Sie kehrten zurück!

DONNER.

Willkommen, Bruder! –

FRICKA besorgt zu Wotan.

Bringst du gute Kunde?

LOGE auf den Hort deutend.

Mit List und Gewalt

gelang das Werk:

dort liegt, was Freia löst.

DONNER.

Aus der Riesen Haft

naht dort die Holde.

FROH.

Wie liebliche Luft

wieder uns weht,

wonnig Gefühl[567]

die Sinne erfüllt!

Traurig ging es uns Allen,

getrennt für immer von ihr,

die leidlos ewiger Jugend

jubelnde Lust uns verleiht.


Der Vordergrund ist wieder ganz hell geworden; das Aussehen der Götter gewinnt durch das Licht wieder die erste Frische: über dem Hintergrunde haftet jedoch noch der Nebelschleier, so daß die ferne Burg unsichtbar bleibt. Fasolt und Fafner treten auf, Freia zwischen sich führend.


FRICKA eilt freudig auf die Schwester zu.

Lieblichste Schwester,

süßeste Lust!

Bist du mir wieder gewonnen?

FASOLT ihr wehrend.

Halt! Nicht sie berührt!

Noch gehört sie uns. –

Auf Riesenheims

ragender Mark

rasteten wir;

mit treuem Mut

des Vertrages Pfand

pflegten wir.

So sehr mich's reut,

zurück doch bring ich's,

erlegt uns Brüdern

die Lösung ihr.

WOTAN.

Bereit liegt die Lösung:

des Goldes Maß

sei nun gütlich gemessen.

FASOLT.

Das Weib zu missen,

wisse, gemutet mich weh:

soll aus dem Sinn sie mir schwinden,

des Geschmeides Hort

häufet denn so,

daß meinem Blick

die Blühende ganz er verdeck!

WOTAN.

So stellt das Maß

nach Freias Gestalt!


Freia wird von den beiden Riesen in die Mitte gestellt. Darauf stoßen sie ihre Pfähle zu Freias beiden Seiten so in den Boden, daß sie gleiche Höhe und Breite mit ihrer Gestalt messen.


FAFNER.

Gepflanzt sind die Pfähle[568]

nach Pfandes Maß;

gehäuft nun füll es der Hort!

WOTAN.

Eilt mit dem Werk:

widerlich ist mir's!

LOGE.

Hilf mir. Froh!

FROH.

Freias Schmach

eil ich zu enden.


Loge und Froh häufen hastig zwischen den Pfählen das Geschmeide.


FAFNER.

Nicht so leicht

und locker gefügt!


Mit roher Kraft drückt er die Geschmeide dicht zusammen.


Fest und dicht

füllt er das Maß!


Er beugt sich, um nach Lücken zu spähen.


Hier lug' ich noch durch:

verstopft mir die Lücken!

LOGE.

Zurück, du Grober!

FAFNER.

Hierher!

LOGE.

Greif mir nichts an!

FAFNER.

Hierher! Die Klinze verklemmt!

WOTAN unmutig sich abwendend.

Tief in der Brust

brennt mir die Schmach!

FRICKA.

Sieh, wie in Scham

schmählich die Edle steht:

um Erlösung fleht

stumm der leidende Blick.

Böser Mann!

Der Minnigen botest du das!

FAFNER.

Noch mehr! Noch mehr hieher!

DONNER.

Kaum halt ich mich,

schäumende Wut

weckt mir der schamlose Wicht! –

Hieher, du Hund!

Willst du messen,

so miß dich selber mit mir!

FAFNER.

Ruhig, Donner!

Rolle, wo's taugt:

hier nützt dein Rasseln dir nichts.

DONNER ausholend.

Nicht dich Schmähl'chen zu zerschmettern?

WOTAN.

Friede doch! –

Schon dünkt mich Freia verdeckt.[569]

LOGE.

Der Hort ging auf.

FAFNER mißt den Hort genau mit dem Blick und späht nach Lücken.

Noch schimmert mir Holdas Haar: –

dort das Gewirk

wirf auf den Hort!

LOGE.

Wie? Auch den Helm?

FAFNER.

Hurtig, her mit ihm!

WOTAN.

Laß ihn denn fahren!

LOGE wirft auch den Tarnhelm auf den Hort.

So sind wir denn fertig!

Seid ihr zufrieden?

FASOLT.

Freia, die schöne,

schau ich nicht mehr: –

so ist sie gelöst?

Muß ich sie lassen?


Er tritt nahe hinzu und späht durch den Hort.


Weh! noch blitzt

ihr Blick zu mir her;

des Auges Stern

strahlt mich noch an;

durch eine Spalte

muß ich's erspähn. –


Außer sich.


Seh ich dies wonnige Auge,

von dem Weibe laß ich nicht ab!

FAFNER.

He! Euch rat ich,

verstopft mir die Ritze!

LOGE.

Nimmer-Satte!

Seht ihr denn nicht,

ganz schwand uns der Hort?

FAFNER.

Mitnichten, Freund!

An Wotans Finger

glänzt von Gold noch ein Ring:

den gebt, die Ritze zu füllen!

WOTAN.

Wie? diesen Ring?

LOGE.

Laßt euch raten!

Den Rheintöchtern

gehört dies Gold;

ihnen gibt Wotan es wieder.

WOTAN.

Was schwatzest du da?

Was schwer ich mir erbeutet,

ohne Bangen wahr ich's für mich!

LOGE.

Schlimm dann steht's[570]

um mein Versprechen,

das ich den Klagenden gab!

WOTAN.

Dein Versprechen bindet mich nicht:

als Beute bleibt mir der Reif.

FAFNER.

Doch hier zur Lösung

mußt du ihn legen.

WOTAN.

Fordert frech, was ihr wollt,

alles gewähr ich;

um alle Welt

doch nicht fahren laß ich den Ring!

FASOLT zieht wütend Freia hinter dem Horte hervor.

Aus dann ist's!

Beim alten bleibt's;

nun folgt uns Freia für immer!

FREIA.

Hilfe! Hilfe!

FRICKA.

Harter Gott

Gib ihnen nach!

FROH.

Spare das Gold nicht!

DONNER.

Spende den Ring doch!

WOTAN.

Laßt mich in Ruh:

den Reif geb ich nicht!


Fafner hält den fortdrängenden Fasolt noch auf; Alle stehen bestürzt. Wotan wendet sich zürnend zur Seite. Die Bühne hat sich von neuem verfinstert. Aus

der Felskluft zur Seite bricht ein bläulicher Schein hervor: in ihm wird plötzlich Erda sichtbar, die bis zu halber Leibeshöhe aus der Tiefe aufsteigt; sie ist von edler Gestalt, weithin von schwarzem Haar umwallt.


ERDA die Hand mahnend gegen Wotan ausstreckend.

Weiche, Wotan! Weiche!

Flieh des Ringes Fluch!

Rettungslos

dunklem Verderben

weiht dich sein Gewinn.

WOTAN.

Wer bist du, mahnendes Weib?

ERDA.

Wie alles war – weiß ich;

wie alles wird,

wie alles sein wird –

seh ich auch:

der ew'gen Welt

Urwala,

Erda mahnt deinen Mut. –

Drei der Töchter,

urerschaff'ne,[571]

gebar mein Schoß;

was ich sehe,

sagen dir nächtlich die Nornen.

Doch höchste Gefahr

führt mich heut

selbst zu dir her.

Höre! Höre! Höre

Alles, was ist, – endet!

Ein düst'rer Tag

dämmert den Göttern: –

dir rat ich, meide den Ring!


Erda versinkt langsam bis an die Brust, während der bläuliche Schein zu dunkeln beginnt.


WOTAN.

Geheimnis-hehr

halt mir dein Wort: –

weile, daß mehr ich wisse!

ERDA im Versinken.

Ich warnte dich;

du weißt genug:

sinn in Sorg und Furcht!


Sie verschwindet gänzlich.


WOTAN.

Soll ich sorgen und fürchten, –

dich muß ich fassen,

alles erfahren!


Wotan will der Verschwindenden in die Kluft nach, um sie zu halten; Froh und Fricka werfen sich ihm

entgegen und halten ihn zurück.


FRICKA.

Was willst du, Wütender?

FROH.

Halt ein, Wotan!

Scheue die Edle,

achte ihr Wort!


Wotan starrt sinnend vor sich hin.


DONNER sich entschlossen zu den Riesen wendend.

Hört, ihr Riesen!

Zurück, und harret!

Das Gold wird euch gegeben.

FREIA.

Darf ich es hoffen?

Dünkt euch Holda

wirklich der Lösung wert?


Alle blicken gespannt auf Wotan; dieser, nach tiefem Sinnen zu sich kommend, erfaßt seinen Speer und schwenkt ihn, wie zum Zeichen eines mutigen Entschlusses.


WOTAN.

Zu mir, Freia!

Du bist befreit.[572]

Wieder gekauft

kehr uns die Jugend zurück! –

Ihr Riesen, nehmt euren Ring!


Er wirft den Ring auf den Hort. – Die Riesen lassen Freia los: sie eilt freudig auf die Götter zu, die sie abwechselnd längere Zeit in höchster Freude liebkosen. – Fafner hat sogleich einen ungeheuren Sack ausgebreitet und macht sich über den Hort her, um ihn da hineinzuschichten.


FASOLT zu Fafner.

Halt, du Gieriger!

Gönne mir auch was!

Redliche Teilung

taugt uns beiden.

FAFNER.

Mehr an der Maid als am Gold

lag dir verliebtem Geck!

Mit Müh zum Tausch

vermocht ich dich Toren;

ohne zu teilen

hättest du Freia gefreit:

teil ich den Hort,

billig behalt ich

die größte Hälfte für mich!

FASOLT.

Schändlicher du!

Mir diesen Schimpf? –


Zu den Göttern.


Euch ruf ich zu Richtern:

teilet nach Recht

uns redlich den Hort!


Wotan wendet sich verächtlich ab.


LOGE.

Den Hort laß ihn raffen;

halte du nur auf den Ring!

FASOLT stürzt sich auf Fafner, der immerzu eingesackt hat.

Zurück! Du Frecher!

Mein ist der Ring;

mir blieb er für Freias Blick!


Er greift hastig nach dem Ring: sie ringen.


FAFNER.

Fort mit der Faust!

Der Ring ist mein!


Fasolt entreißt Fafner den Ring.


FASOLT.

Ich halt ihn, mir gehört er!

FAFNER mit seinem Pfahle ausholend.

Halt ihn fest, daß er nicht fall!


Er streckt Fasolt mit einem Streiche zu Boden; dem

Sterbenden entreißt er dann hastig den Ring.
[573]

Nun blinzle nach Freias Blick!

An den Reif rührst du nicht mehr!


Er steckt den Ring in den Sack und rafft dann gemächlich den Hort vollends ein. Alle Götter stehen entsetzt: feierliches Schweigen.


WOTAN erschüttert.

Furchtbar nun

erfind ich des Fluches Kraft! –

LOGE.

Was gleicht, Wotan,

wohl deinem Glücke?

Viel erwarb dir

des Ringes Gewinn;

daß er nun dir genommen,

nützt dir noch mehr:

deine Feinde – sieh! –

fällen sich selbst –

um das Gold, das du vergabst.

WOTAN.

Wie doch Bangen mich bindet!

Sorg und Furcht

fesseln den Sinn –

wie sie zu enden,

lehre mich Erda: –

zu ihr muß ich hinab!

FRICKA schmeichelnd sich an ihn schmiegend.

Wo weilst du, Wotan?

Winkt dir nicht hold

die hehre Burg,

die des Gebieters

gastlich bergend nun harrt?

WOTAN düster.

Mit bösem Zoll

zahlt ich den Bau!

DONNER auf den Hintergrund deutend, der noch in Nebel gehüllt ist.

Schwüles Gedünst

schwebt in der Luft; –

lästig ist mir

der trübe Druck!

Das bleiche Gewölk

samml' ich zu blitzendem Wetter;

das fegt den Himmel mir hell!


Donner besteigt einen hohen Felsstein am Talabhange und schwingt dort seinen Hammer; mit dem Folgenden ziehen die Nebel sich um ihn zusammen.


Heda! Heda! Hedo!

Zu mir, du Gedüft![574]

Ihr Dünste zu mir!

Donner der Herr,

ruft euch zu Heer!


Er schwingt den Hammer.


Auf des Hammers Schwung

schwebet herbei!

Dunstig Gedämpf!

Schwebend Gedüft!

Donner, der Herr, ruft euch zu Heer!

Heda! Heda! Hedo!


Donner verschwindet völlig in einer immer finsterer sich ballenden Gewitterwolke. Man hört Donners Hammerschlag schwer auf den Felsstein fallen. Ein starker Blitz entfährt der Wolke; ein heftiger Donnerschlag folgt. Froh ist mit im Gewölk verschwunden.


DONNER unsichtbar.

Bruder, hieher!

Weise der Brücke den Weg!


Plötzlich verzieht sich die Wolke; Donner und Froh werden sichtbar: von ihren Füßen aus zieht sich, mit blendendem Leuchten, eine Regenbogenbrücke über das Tal hinüber bis zur Burg, die jetzt im Glanze der Abendsonne strahlt. Fafner, der neben der Leiche seines Bruders endlich den ganzen Hort eingerafft, hat, den ungeheuren Sack auf dem Rücken, während Donners Gewitterzauber die Bühne verlassen.


FROH der der Brücke mit der ausgestreckten Hand den Weg über das Tal angewiesen, zu den Göttern.

Zur Burg führt die Brücke.

leicht, doch fest eurem Fuß:

beschreitet kühn

ihren schrecklosen Pfad!


Wotan und die andern Götter sind sprachlos in den prächtigen Anblick verloren.


WOTAN.

Abendlich strahlt

der Sonne Auge;

in prächtiger Glut

prangt glänzend die Burg.

In des Morgens Scheine

mutig erschimmernd

lag sie herrenlos,

hehr verlockend vor mir. –

Von Morgen bis Abend,

in Müh' und Angst

nicht wonnig ward sie gewonnen![575]

Es naht die Nacht –:

vor ihrem Neid

biete sie Bergung nun.


Wie von einem großen Gedanken ergriffen, sehr

entschlossen.


So grüß ich die Burg,

sicher vor Bang' und Grau'n! –


Er wendet sich feierlich zu Fricka.


Folge mir, Frau!

In Walhall wohne mit mir!

FRICKA.

Was deutet der Name?

Nie, dünkt mich, hört ich ihn nennen.

WOTAN.

Was mächtig der Furcht

mein Mut mir erfand,

wenn siegend es lebt,

leg es den Sinn dir dar.


Er faßt Fricka an der Hand und schreitet mit ihr langsam der Brücke zu; Froh, Freia und Donner folgen.


LOGE im Vordergrunde verharrend und den Göttern nachblickend.

Ihrem Ende eilen sie zu,

die so stark im Bestehen sich wähnen. –

Fast schäm ich mich

mit ihnen zu schaffen;

zur leckenden Lohe

mich wieder zu wandeln,

spür ich lockende Lust:

sie aufzuzehren,

die einst mich gezähmt,

statt mit den Blinden

blöd zu vergehn,

und wären es göttlichste Götter! –

Nicht dumm dünkte mich das!

Bedenken will ich's: –

wer weiß, was ich tu'!


Er geht, um sich den Göttern in nachlässiger Haltung anzuschließen.


DIE DREI RHEINTÖCHTER in der Tiefe des Tales, unsichtbar.

Rheingold! Rheingold!

Reines Gold!

Wie lauter und hell

leuchtetest hold du uns!

Um dich, du klares,

wir nun klagen:

gebt uns das Gold,[576]

gebt uns das Gold!

O gebt uns das reine zurück!

WOTAN im Begriff, den Fuß auf die Brücke zu setzen, hält an und wendet sich um.

Welch Klagen dringt zu mir her?

LOGE späht in das Tal hinab.

Des Rheines Kinder

beklagen des Goldes Raub.

WOTAN.

Verwünschte Nicker! –


Zu Loge.


Wehre ihrem Geneck!

LOGE in das Tal hinabrufend.

Ihr da im Wasser!

Was weint ihr herauf?

Hört, was Wotan euch wünscht: –

glänzt nicht mehr

euch Mädchen das Gold,

in der Götter neuem Glanze

sonnt euch selig fortan!


Die Götter lachen und beschreiten mit dem Folgenden die Brücke.


DIE RHEINTÖCHTER.

Rheingold! Rheingold!

Reines Gold!

O leuchtete noch

in der Tiefe dein laut'rer Tand!

Traulich und treu

ist's nur in der Tiefe:

falsch und feig

ist, was dort oben sich freut!


Während die Götter auf der Brücke der Burg zuschreiten, fällt der Vorhang.
[577]

Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 562-578.
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