[405] Noch mehrere Lehrbuben sind eingetreten: sie tragen und stellen Bänke und richten Alles zur Sitzung der Meistersinger her.
[405]
ZWEITER LEHRBUBE.
David! Was stehst?
ERSTER LEHRBUBE.
Greif an's Werk!
ZWEITER LEHRBUBE.
Hilf uns richten das Gemerk!
DAVID.
Zu eifrigst war ich vor euch Allen;
schafft nun für euch, hab ander Gefallen!
VIER LEHRBUBEN.
Was der sich dünkt!
VIER LEHRBUBEN.
Der Lehrling Muster!
VIER LEHRBUBEN.
Das macht, weil sein Meister ein Schuster!
LEHRBUBEN.
Beim Leisten sitzt er mit der Feder!
LEHRBUBEN.
Beim Dichten mit Draht und Pfriem!
LEHRBUBEN.
Sein Verse schreibt er auf rohes Leder.
LEHRBUBEN mit der entsprechenden Gebärde.
Das – dächt ich – gerbten wir ihm!
Sie machen sich lachend an die fernere Herrichtung.
DAVID nachdem er den sinnenden Ritter eine Weile betrachtet.
Fanget an!
WALTHER verwundert.
Was soll's?
DAVID noch stärker.
Fanget an! – So ruft der Merker: –
nun sollt Ihr singen! Wißt Ihr das nicht?
WALTHER.
Wer ist der Merker?
DAVID.
Wißt Ihr das nicht?
Wart Ihr noch nie bei 'nem Singgericht?
WALTHER.
Noch nie, wo die Richter Handwerker.
DAVID.
Seid Ihr ein Dichter?
WALTHER.
Wär ich's doch!
DAVID.
Seid Ihr ein Singer?
WALTHER.
Wüßt ich's noch?
DAVID.
Doch »Schulfreund« wart Ihr, und »Schüler« zuvor?
WALTHER.
Das klingt mir Alles fremd vorm Ohr.
DAVID.
Und so grad hin wollt Ihr Meister werden?
WALTHER.
Wie machte das so große Beschwerden?
DAVID.
O Lene! Lene!
WALTHER.
Wie Ihr doch tut!
DAVID.
O Magdalene!
WALTHER.
Ratet mir gut!
DAVID setzt sich in Positur.
Mein Herr! Der Singer Meisterschlag
gewinnt sich nicht an einem Tag.
In Nüremberg der größte Meister
mich lehrt die Kunst Hans Sachs;
schon voll ein Jahr mich unterweist er,
daß ich als Schüler wachs.
Schuhmacherei und Poeterei,[406]
die lern ich da alleinerlei:
hab ich das Leder glatt geschlagen,
lern ich Vokal und Konsonanz sagen;
wichst ich den Draht erst fest und steif,
was sich dann reimt, ich wohl begreif.
Den Pfriemen schwingend
im Stich die Ahl,
was stumpf, was klingend,
was Maß, was Zahl –
den Leisten im Schurz,
was lang, was kurz,
was hart, was lind,
hell oder blind,
was Waisen, was Milben,
was Klebsilben,
was Pausen, was Körner,
was Blumen, was Dörner, –
das Alles lernt ich mit Sorg und Acht:
wie weit nun, meint Ihr, daß ich's gebracht?
WALTHER.
Wohl zu 'nem Paar recht guter Schuh? –
DAVID.
Ja, dahin hat's noch gute Ruh!
Ein »Bar« hat manch Gesätz und Gebänd:
wer da gleich die rechte Regel fänd, –
die richt'ge Naht
und den rechten Draht,
mit gut gefügten Stollen
den Bar recht zu versohlen.
Und dann erst kommt der Abgesang,
daß der nicht kurz, und nicht zu lang,
und auch keinen Reim enthält,
der schon im Stollen gestellt.
Wer Alles das merkt, weiß und kennt,
wird doch immer noch nicht Meister genennt.
WALTHER.
Hilf Gott! Will ich denn Schuster sein?
In die Singkunst lieber führ mich ein!
DAVID.
Ja – hätt ich's nur selbst schon zum Singer gebracht!
Wer glaubt wohl, was das für Mühe macht!
Der Meister Tön und Weisen,
gar viel an Nam und Zahl,
die starken und die leisen,
wer die wüßte allzumal!
Der kurze, lang und überlang Ton,
die Schreibpapier-, Schwarz-Dintenweis';[407]
der rote, blau und grüne Ton;
die Hageblüh-, Strohhalm-, Fengelweis';
der zarte, der süße, der Rosenton;
der kurzen Liebe, der vergess'ne Ton;
die Rosmarin-, Gelbveigleinweis',
die Regenbogen-, die Nachtigallweis';
die englische Zinn-, die Zimtröhrenweis',
frisch Pomeranzen-, grün Lindenblühweis';
die Frösch-, die Kälber-, die Stieglitzweis',
die abgeschiedne Vielfraßweis';
der Lerchen-, der Schnecken-, der Bellerton;
die Melissenblümlein-, die Meiranweis',
gelb Löwenhaut-,
Gefühlvoll.
treu Pelikanweis',
Prunkend.
die buttglänzende Drahtweis'!
WALTHER.
Hilf Himmel! Welch endlos Tönegeleis!
DAVID.
Das sind nur die Namen; nun lernt sie singen,
recht wie die Meister sie gestellt.
Jed' Wort und Ton muß klärlich klingen,
wo steigt die Stimm und wo sie fällt;
fangt nicht zu hoch, zu tief nicht an,
als es die Stimm erreichen kann.
Mit dem Atem spart, daß er nicht knappt,
und gar am End Ihr überschnappt;
vor dem Wort mit der Stimme ja nicht summt,
nach dem Wort mit dem Mund auch nicht brummt.
Nicht ändert an Blum und Koloratur,
jed' Zierat fest nach des Meisters Spur.
Verwechseltet Ihr, würdet gar irr;
verlört Ihr Euch, und kämt ins Gewirr: –
wär' sonst Euch Alles auch gelungen,
da hättet Ihr gar versungen! –
Trotz großem Fleiß und Emsigkeit,
ich selbst noch bracht es nicht so weit:
so oft ich's versuch, und's nicht gelingt,
die Knieriem-Schlagweis' der Meister mir singt.
Wenn dann Jungfer Lene nicht Hilfe weiß,
sing ich die eitel Brot- und Wasserweis'.
Nehmt Euch ein Beispiel dran,
und laßt vom Meisterwahn![408]
Denn Singer und Dichter müßt Ihr sein,
eh Ihr zum Meister kehret ein.
WALTHER.
Wer ist nun »Dichter«?
LEHRBUBEN während der Arbeit.
David! Kommst her?
DAVID zu den Lehrbuben.
Wartet nur! Gleich! –
Schnell wieder zu Walther sich wendend.
Wer »Dichter« wär'?
Habt Ihr zum Singer Euch aufgeschwungen,
und der Meister Töne richtig gesungen;
fügtet Ihr selbst nun Reim und Wort,
daß sie genau an Stell und Ort
paßten zu eines Meisters Ton,
dann trügt Ihr den Dichterpreis davon.
LEHRBUBEN.
He! David! Soll man's dem Meister klagen?
Wirst dich bald deines Schwatzens entschlagen?
DAVID.
Oho! Jawohl! Denn helf ich euch nicht,
ohne mich wird Alles doch falsch gericht't!
Er will sich zu ihnen wenden.
WALTHER ihn zurückhaltend.
Nur dies noch: – wer wird »Meister« genannt?
DAVID schnell wieder umkehrend.
Damit, Herr Ritter, ist's so bewandt: –
Mit sehr tiefsinniger Miene.
der Dichter, der aus eignem Fleiße
zu Wort und Reimen, die er erfand,
aus Tönen auch fügt eine neue Weise:
der wird als Meistersinger erkannt.
WALTHER.
So bleibt mir einzig der Meister-Lohn!
Muß ich singen,
kann's nur gelingen,
find ich zum Vers auch den eignen Ton.
DAVID der sich zu den Lehrbuben gewendet hat.
Was macht ihr denn da? – Ja, fehl ich beim Werk,
verkehrt nur richtet ihr Stuhl und Gemerk!
Er wirft polternd und lärmend die Anordnungen der Lehrbuben in betreff des Gemerkes um.
Ist denn heut Singschul? Daß ihr's wißt!
Das kleine Gemerk! Nur Freiung ist.
Die Lehrbuben, welche in der Mitte der Bühne ein größeres Gerüste mit Vorhängen aufgeschlagen hatten, schaffen auf Davids Weisung dies schnell bei Seite und stellen dafür ebenso eilig ein geringeres Brettergerüst auf; darauf stellen sie einen Stuhl mit einem kleinen Pult davor, daneben eine große[409] schwarze Tafel, daran die Kreide am Faden aufgehängt wird; um das Gerüst sind schwarze Vorhänge angebracht, welche zunächst hinten und an den beiden Seiten, dann auch vorn ganz zusammengezogen werden.
DIE LEHRBUBEN während der Herrichtung.
Aller End ist doch David der Allergescheit'st;
nach hohen Ehren ganz sicher er geizt.
's ist Freiung heut!
gewiß er freit;
als vornehmer Singer er schon sich spreizt.
Die Schlagreime fest er inne hat,
arm Hungerweise singt er glatt!
Doch die harte Trittweis, die kennt er am best,
die trat ihm der Meister hart
Mit der Gebärde zweier Fußtritte.
und fest.
Sie lachen.
DAVID.
Ja, lacht nur zu! Heut bin ich's nicht.
Ein andrer stellt sich zum Gericht;
der war nicht Schüler, ist nicht Singer,
den Dichter – sagt er – überspring' er;
denn er ist Junker,
und mit einem Sprung er
denkt ohne weitre Beschwerden
heut hier Meister zu werden.
Drum richtet nur fein
das Gemerk dem ein!
Während die Lehrbuben vollends aufrichten.
Dorthin! Hierher! Die Tafel an die Wand, –
so daß sie recht dem Merker zur Hand! –
Zu Walther sich umwendend.
Jaja: dem Merker! – Wird Euch wohl bang?
Vor ihm schon mancher Werber versang.
Sieben Fehler gibt er Euch vor,
die merkt er mit Kreide dort an:
wer über sieben Fehler verlor,
hat versungen und ganz vertan!
Nun nehmt Euch in Acht:
Der Merker wacht!
Derb in die Hände schlagend.
Glück auf zum Meistersingen!
Mögt Euch das Kränzlein erschwingen![410]
Das Blumenkränzlein aus Seiden fein,
wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?
DIE LEHRBUBEN welche zu gleicher Zeit das Gemerk geschlossen haben, fassen sich an und tanzen einen verschlungenen Reigen um dasselbe.
Das Blumenkränzlein aus Seiden fein,
wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?
Die Lehrbuben fahren sogleich erschrocken auseinander, als die Sakristei aufgeht und Pogner mit Beckmesser eintritt; sie ziehen sich nach hinten zurück.
Buchempfehlung
Sechs Erzählungen von Arthur Schnitzler - Die Nächste - Um eine Stunde - Leutnant Gustl - Der blinde Geronimo und sein Bruder - Andreas Thameyers letzter Brief - Wohltaten Still und Rein gegeben
84 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro