Erster Auftritt


[169] Cölestin. Tatjana.


CÖLESTIN sich auf die Lehne eines Sessels stützend. Haben Ihre Durchlaucht, die Fürstin, ihre Schokolade erhalten?

TATJANA einen Flederwisch in der Hand, auf dem Diwan. Haben Seine Durchlaucht, der Fürst, seinen Wutki erhalten? Haben Seine Durchlaucht, der Fürst, auch angenehm geruht?

CÖLESTIN. Ich weiß nicht, wie Seine Durchlaucht, der Fürst, zu ruhen geruht haben.

TATJANA. Aber ich weiß es!

CÖLESTIN. Tatjana!

TATJANA sich erhebend. Warum auch nicht! Glaubt man, man merke es nicht, was zwischen Ihrer Durchlaucht, der Fürstin, und Seiner Göttlichkeit, dem Herrn Cölestin, vor sich geht? Glaubt man, weil man zufällig im lustigen Frankreich geboren, man befände sich hier in der Türkei? Glaubt man, man wisse noch nicht, daß man nicht einmal lieben kann und noch einmal lieben und nebenher lieben und zwischendurch lieben und ...

CÖLESTIN. Geliebte Tatjana ...

TATJANA unter Tränen. Sie Ungeheuer!

CÖLESTIN. Du erwärmst dich für Astrachaner Kaviar, für Spargel, für Rebhuhnpastete ...

TATJANA. Ich weiß gar nicht, wie das schmeckt?

CÖLESTIN. Was würde man in Paris um dich geben! – Ihre Seele hingegen ergeht sich im ewigen Wandel der Sterne. Dieser Geschmacksrichtung muß ein Mann von Welt ebenfalls gerecht zu werden wissen.

TATJANA. Das hätte ich mir niemals von Eurer Göttlichkeit träumen lassen.

CÖLESTIN. Nun geh in die Küche, du – Kabinettspudding, und sorge dafür, daß Ihre Durchlaucht, die Fürstin, ihre[169] Schokolade Punkt elf Uhr und möglichst heiß erhalten.

TATJANA. Ich werde ihr Rattengift hineinrühren!

CÖLESTIN sie am Kinn fassend. Du bist ein Paradiesapfel ...

TATJANA. Zum Ausquetschen!

CÖLESTIN. Zum Anbeißen! – Aber du mußt dich davor hüten, dich von der nach rechts deutend. Kultur belecken zu lassen.

TATJANA sich verbeugend. Ganz wie Eure Göttlichkeit befehlen.


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Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Berlin und Weimar 1969, S. 169-170.
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