Fünfter Auftritt


[171] Katharina. Fürst.


KATHARINA neunzehn Jahre, in elegantem Reitkleid, in hochgradiger Erregung von links hinten, stößt das Fenster auf und ruft hinunter. Einspannen! Auf den Acker hinaus! Nicht so zärtlich! Nach vorn kommend. Mit mir in die Knie brechen! Mit mir!

FÜRST sich erhebend, für sich. Zaïre scheint keinen Hafer bekommen zu haben.

KATHARINA. Der Esel natürlich auch da!

FÜRST. Katharina![171]

KATHARINA. Halten Sie Pferde, Iwan Michailowitsch! Ihr Taschentuch vor den Augen. Mit mir in die Knie brechen, mitten im Dorf! – Und dann muß ein Schulmeister kommen, um Ihr Leibpferd wieder ins Leben zurückzurufen! – Spannen Sie Ihren Marstall in den Göpel! – Ich habe Pferde gehabt auf meines Vaters Gut ...

FÜRST nachdem er einen Wutki gestürzt. Auf Ihres Vaters Gut, Katharina, waren Sie Herrin des Hauses. Hier sind Sie ...

KATHARINA händeringend. Oh, wenn ich zurückdenke!

FÜRST. Denken Sie lieber nicht zurück! Blicken Sie geradeaus! Hierher! Bedenken Sie, Komtesse, ich habe Moskau zu meinen Füßen gesehen ...

KATHARINA. Und haben Ihren Ofen mit Billetdoux und faulen Geschichten geheizt! Pfui Teufel! – Erziehen Sie Ihre Kinder, Iwan Michailowitsch!

FÜRST. Ich habe für meine Kinder einen Hauslehrer engagiert ...

KATHARINA. Dann engagieren Sie für sich eine barmherzige Schwester!

FÜRST stürzt einen Wutki. Sie wissen, Katharina Alexandrowna, daß mir Ihr Vater bis zu Ihrer Volljährigkeit unumschränkte Gewalt über Sie erteilt hat.

KATHARINA. Und Sie ehren das wahnsinnige Vertrauen Ihres Jugendfreundes, Ihres Kriegskameraden ...

FÜRST ruhiger. Ich begreife Ihre Erregtheit nicht. Ich bin kein hochgestürzter Troubadour mehr. Die Gitarre markierend und tänzelnd. Schneng-tege- tege-tengtengteng!

KATHARINA die Reitpeitsche schwingend. Seien Sie auf der Hut ...

DER FÜRST nähert sich ihr. Katharina! – Katja! – Katinka! – ein von Gesundheit strotzendes junges Mädchen wie Sie ...

KATHARINA weicht ihm aus, setzt sich links. Es muß ja ein eigentümlicher Hauslehrer sein, den Sie da für Ihre Kinder engagiert haben!

FÜRST im vorigen Ton. Man schreibt heutzutage keine hirnverbrannten Gedichte mehr.

KATHARINA. Ein Jockei?

FÜRST. Ein Kunstreiter.[172]

KATHARINA. Ein Kunstreiter?

FÜRST. Er soll die Kinder in fremden Sprachen und im guten Ton unterrichten.

KATHARINA. Und dazu engagieren Sie einen Kunstreiter?

FÜRST. Der Mann kennt alle fünf Weltteile!

KATHARINA. Diese Degradation!!

FÜRST. Nebenher unterrichtet er meine Söhne im Reiten, Kutschieren und Zimmergymnastik. Das tut mir ein ordinärer Hauslehrer nicht.

KATHARINA. Sie sind zu dumm!

FÜRST sich nähernd. Katja!

KATHARINA sich erhebend. Haben Sie Kama füttern lassen?

FÜRST. Katinka!

KATHARINA mit funkelnden Augen. Lassen Sie Kama hungern?

FÜRST. Katharina!

KATHARINA. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Kama. Kama weiß, wie man mich behandeln muß.

FÜRST. Was hat denn dieses Federvieh mit meinen Gefühlen zu tun!

KATHARINA. Gehen Sie zu Kama in die Schule!

FÜRST auffahrend. Treiben Sie mich nicht zur Verzweiflung, Katharina! Ich lasse Sie knebeln und in den Keller werfen, es fragt auf der Welt keine Seele nach Ihnen!

KATHARINA. Dieser Dummkopf!!

FÜRST ruhiger. Aber fürchten Sie nichts. – Bedenken Sie die Vorteile, die ich Ihnen in meinen letzten Verfügungen ... Sie haben ja doch keine Kopeke ... Seien Sie besonnen. Er will sie umfassen.

KATHARINA indem sie ihn ins Gesicht schlägt. Ich bin besonnen, Iwan Michailowitsch!

FÜRST aufschreiend, sich die Backe haltend. Sie Krokodil! Sie Wolfsbrut! – Das werde ich ... Zur Seitentür links eilend. Enjuscha! Alioscha! Herein! Alle herein!


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Berlin und Weimar 1969, S. 171-173.
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