19.

[48] Über die Berge klang ein Klagelied:

Die Schwalbe war's, die von der Heimat schied.

Sie hob sich hoch empor im Abendsonnenbrand –

Zu schaun noch einmal ihrer Jugend Land.


Da war verwelkt der Auen frischer Flor,

Verdorrt die Rebe über grauem Tor,

Entlaubt der Linden lustiges Gezweig,

Verweht die Rose in des Gartens Reich.


Kalt blies der Nachtwind durch des Dorfes Raum,

Und vor dem Haus, wo an des Daches Saum

Sie einst geweilt – ach, bitter weinte da,

Die sie im Frühling lieblich lächeln sah,


Die einst sie lächeln sah, die schönste Maid –

Der Winter kam, und ach, es kam das Leid.

Und durch die Lüfte klang das Klagelied

Der Schwalbe da, die von der Heimat schied.


Quelle:
Georg Weerth: Sämtliche Werke in fünf Bänden. Band 1, Berlin 1956/57, S. 48.
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