Erster Auftritt

[61] Töffel, erst alleine. Röschen in der Folge.


TÖFFEL läuft an den Büschen umher, und klopft mit dem gewöhnlichen Geschrey dran: Halalala, hußah, halalala, hußah etc.

Ist das nicht eine liebe Noth,

Ein armes Thier zu jagen:

Da lob' ich mir in Ruh mein Brodt,

Und meinen guten Magen!

man stürzt sich über Stock und Stein,

Und bräche lieber Arm und Bein!

Ey, denkt doch einen Hirsch zu hetzen,

Um ihn – den Hunden vorzusetzen.[61]

Halalala! Hußah! Halalala! etc. Röschen wirft mit Eicheln aus dem Gebüsche nach Töffeln. – – Was zum Henker fuhr mir denn da unter die Nase? – – Er hebt die Eichel auf. Sollte mans denken! eine Eichel! gut, daß es kein Kürbiß war: aber ich glaube, ich habe einen blauen Fleck? – Sie wirft ihm wieder eine ganze Hand voll am Kopf. nu? – das Ding kann nicht von rechten Dingen zugehen? – er tritt unter den Baum und sieht hinauf. Es ist ja sonst nicht Mode, daß die Eicheln den Leuten Handvoll auf die Nase fallen. – Röse springt hervor, und hält ihm die Augen zu. was für ein Schurke – Je! Du verzweifeltes Mädchen? wo führt Dich denn der Henker her? Huy! bist Du der Mutter entlaufen?

RÖSCHEN. Ja! und ich hatte große Lust, einen Schelm zu sehen.[62]

TÖFFEL. Wie? Was? einen Schelm? – Du mußt gezüchtigt werden. Er kriegt sie beym Kopfe und küßt sie.

RÖSCHEN. Ich schreye! – Du darfst mir nicht viel, Du kriegt eines – wenn sich nur wenigstens noch der Bube den Bart geputzt hätte?

TÖFFEL. Röse! Du bist mir ganz wilde geworden, seit die Historie mit Hannchen vorgegangen. O die bösen Exempel! die bösen Exempel!

RÖSCHEN spottet ihm nach. Die bösen Exempel! die bösen Exempel! – Es fehlet blos daran, daß ich Deinem folge, und mit auf das arme Hannchen schmäle.[63]

TÖFFEL. Ja, fange nur wieder an! – – Aber was willst Du hier? Dein Vater hat Dir gesagt, Du sollst der Mutter nicht von der Seite gehen, und Du folgst nicht? – – Warte, Du sollsts kriegen, und die Mutter dazu, daß sie Dich so umher laufen läßt!

RÖSCHEN. Ja, Du sollsts kriegen, Töffel, wo Du ein Wort sagst –

TÖFFEL. Nu, so sage, was willst Du hier? – – Willst Du etwan auch von einem galanten Jäger gehetzet seyn? Heh? – Ja, siehst Du, Röse, so wahr ich Töffel bin –

RÖSCHEN. Nu, so höre nur! Die Leute wollen Dich mit einer schönen Stadtjungfer haben reden sehen, und die soll Hannchen gewesen seyn. Ists wahr? Heh? –[64]

TÖFFEL. Hannchen?

RÖSCHEN. Ja, Hannchen.

TÖFFEL. Wer hat Dirs gesagt?

RÖSCHEN. Krauskopfs Suschen: die hat übern Zaun geguckt, und die sagte es uns eben, da ich mit der Mutter auf dem Hügel stand. Ich wollte wissen, obs wahr wäre?

TÖFFEL. Nicht wahr? daß Du zu ihr laufen, und Dir etwas kannst vorgreinen lassen, damit Du wieder der Mutter etwas vorzugreinen hast? daß die und Du es wieder Christeln vorgreint? und der arme Christel alles glaubt, was sie ihm vorschwatzt? und das lüderliche Ding wieder zu Ehren kömmt? Heh?[65]

RÖSCHEN. Und daß Du nicht gescheut bist, Heh? – Es ist schon gut, Töffel! Ich mag weiter nichts wissen. – Sie thut als ob sie weinte. Leb wohl, Töffel.

TÖFFEL. Nu! sey kein Närrchen! hab' ichs doch gesagt, wenn sie nicht weiter können, so heulen sie, und hernach wird einem so weich ums Herz, und darnach fehlt nicht viel, man heulte auch mit. – – Höre nur Röschen –

RÖSCHEN.

Ach nein! was kann ich hören?

Ich wollte wohl drauf schwören,

Mein Töffel, Töffel –


Schluchzend.


Der –

Liebt mich – liebt mich – nicht mehr! –


Weinend.


hihi, hihi, hihi! –

TÖFFEL. Wie das Mädchen einem das Herze bricht. Er weint auch mit[66]

RÖSCHEN.

Doch sollt ich mich darum betrüben!

Kann ich doch auch anderswo lieben:

Es giebt der Töffel mehr,

Die besser sind als er,


Lachend.


haha, haha, haha!


Sie thut als ob sie fortlaufen wollte: Töffel kriegt sie beym Rocke, und zieht sie zurücke.


TÖFFEL. Das ist ein Wettermädchen! sie hält mich nur fürn Narren. Nun habe ich mir doch die Mühe genommen, zu weinen, da lacht sie mich obendrein aus. – Geh nur her, Du kleiner Affe; – was willst Du denn von Hannchen wissen? – – aber nur kurz, die Jagd möchte herauf kommen.

RÖSCHEN. Ha! kriegt man Dich so, Pursche? – Nu, ists wahr, daß Du Hannchen gesprochen hast?[67]

TÖFFEL. Ja, es ist wahr.

RÖSCHEN. O Hannchen! Hannchen! mein liebes Hannchen ist wieder da? – Siehst Du, Töffel, wenn Du nun gleich so gescheut gewesen wärst, so hättest Du zweye für eins gekriegt: aber nu – nur eins! Sie giebt ihm ein Mäulchen.

TÖFFEL. Ey, ja doch, über das verlorne Schäfchen! es verlohnt sich der Mühe!

RÖSCHEN. Heh Töffel, willst Du auf den andern Backen eine Ohrfeige haben? – Nu, was hat sie Dir denn erzählt? – – geschwind! Geschwind!

TÖFFEL. Erzählt? Je nu, dies und das, das und jenes; aber Töffel –[68]

RÖSCHEN. Nu, und der?

TÖFFEL. Und der – war kein Narr, und glaubte weder dieß noch das, weder das noch jenes. – –

RÖSCHEN. Du sollst aber glauben.

TÖFFEL. Sie grinzte auch ein bischen, aber Töffel –

RÖSCHEN. Ich rathe Dir Gutes. – –

TÖFFEL. Hätte beynahe mit gegrinzt – –

RÖSCHEN. Das verdiente wieder einen Schmatz. Sie küßt ihn.

TÖFFEL. Aber er grinzte doch nicht, und glaubte weder dieß noch das, weder das noch jenes.[69]

RÖSCHEN. Du bist ein Schlingel, und ich werde gehen, und sie selber aufsuchen.

TÖFFEL. Nu! Du läßt mir ja nicht Zeit auszuerzählen. – – Da sagte sie, der Herr Graf hätte sie mit Gewalt entführet. –

RÖSCHEN. Das habe ich wohl gedacht, und immer gesagt. –

TÖFFEL. Er hätte sie eingesperrt. – –

RÖSCHEN. Das arme Kind!

TÖFFEL. Sie wäre entsprungen. –

RÖSCHEN. Das arme Hannchen!

TÖFFEL. Aber Töffel –[70]

RÖSCHEN. War ein Rindvieh, und glaubte weder dieß noch das, weder das noch jenes? – – Wo ist sie?

TÖFFEL. Endlich zog sie das Briefchen vor –

RÖSCHEN. O! ein Briefchen! ein Briefchen! gieb her!

TÖFFEL. Es ist aber nicht für Dich, sondern für Christeln, wenn er aus der Stadt kömmt. Durch ihr Gegrinze hat sies doch so weit gebracht, daß ich ihr versprochen habe, wenn er kömmt –

RÖSCHEN. Es ihm zu geben? Nein, daraus wird nichts. Ich, ich wills ihm geben: her mit dem Briefe![71]

TÖFFEL. Nichts! Nichts! Fürs erste, weiß ich noch nicht, ob ich ihm den Brief geben soll. Fürs zweyte, wenn ich ihn ja Christeln gebe, so muß ich ihn erst ein bischen wild machen, daß er sich nicht sogleich von den Thränchen, die wie die Regenbächelchen über die Backen rieseln, seinen Zorn vom Herzen wegspielen läßt. – Fürs dritte –

RÖSCHEN. Bist Du ein Maulaffe, der mir nicht wieder zu nahe kommen soll; dem ich nicht wieder zu nahe kommen will, der mich nicht lieb haben soll, den ich nicht mehr lieb haben will, der mich nicht heurathen soll, den ich nicht heurathen will, der, der – der – wenn er mir nicht den Brief geben will, mir ihn geben soll und muß: Sie fällt über ihn her, und reißt ihm den Brief aus der Hand.[72]

TÖFFEL. Je, verflucht, Mädchen! Du bist ganz des Henkers. Nu, warte nur! bin ich nur einmal Dein Mann – – Es wird gepfiffen: er horcht. St! St! – Röse, Dein Vater pfeift! ich muß fort; wir habens mit einander verakkordirt, daß wir einander pfeifen wollen, wo einer den andern braucht. Es wird noch einmal gepfiffen. – Ich muß nur wieder pfeifen, daß er mich hört – Er pfeift. Röse, pack Dich fort!

RÖSCHEN. Ich will nun aber nicht: geh' Du immer fort!

TÖFFEL. Höre, Mädchen! wenn die Jagd hieher kömmt, und die Pferde, und die Hunde kriegen Dich in die Kloppe?[73]

RÖSCHEN. O es hat keine Gefahr! durch das dicke Gebüsche kömmt kein Pferd.

TÖFFEL. Liebes Röschen, geh immer! siehst Du, wenn Du mich lieb hast –

RÖSCHEN. Nu, wenn Du mir sagst, wo Hannchen zugegangen ist?

TÖFFEL. Zu ihrer Mutter! da will sie heimlich warten, bis Christel wieder hier ist. – Nu geh aber! – höre Röschen, – – daß Du ja gehst! Töffel geht ab.

RÖSCHEN. Je ja doch; was sollte ich denn hier alleine machen?[74]


Quelle:
Johann Adam Hiller: Die Jagd. Leipzig 1770, S. 61-75.
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