Fünfter Auftritt

[146] Gehrmann, die Vorigen.


GEHRMANN schreit. Das sollen Sie nicht!

ALBERTINE erschrickt. Gott!

AUGUST. Mein Onkel!

MADAME WÖLBING. Herr Gehrmann!

AUGUST. Sie hier?

GEHRMANN. Mich dünkt, ich bin hier nöthig.

AUGUST rasch. Keine Härte!

MADAME WÖLBING. Ihr Neffe hat –

ALBERTINE ängstlich. Meine Mutter! führen Sie mich fort.[146]

GEHRMANN. Halt, Madame! lassen Sie mich doch die Gestalt näher betrachten, die ohne Augen solche Wunder wirken kann.

AUGUST heftig. Keinen Spott!

GEHRMANN. Daß sie den Neffen gefangen, mag freilich nicht unter die Wunder gehören, denn man weiß, wie diese leichte Waare an jeder Staude hängen bleibt; aber daß der Onkel wie ein Schulknabe vor ihr steht, und sie bittet, seinen Neffen zu nehmen, das dürfte wohl unter die Wunder gehören; zumal da der Onkel bey allen seinen Handlungen hübsch den zeitlichen Gewinn vor Augen hat.

AUGUST außer sich. Onkel! Sie billigen –

GEHRMANN. Nein, billigen kann ich diese Heirath nicht, aber zugeben muß ich sie.

MADAME WÖLBING. Mein Herr –

GEHRMANN. Nichts übel genommen, Madame; weiß noch von diesem Morgen her, daß Sie etwas empfindlich sind. Und wenn Sie erst hören werden, daß ich diese blinde Nachtigall wollte über die Gränze bringen lassen –

AUGUST. Onkel –

GEHRMANN. Stille – Ihr seht ja, ich bestrafe mich selbst.[147] Komme eben vom Bürgermeister, verlangte seinen Beystand gegen eine Verführerin –

ALBERTINE mit Schmerz. Großer Gott!

AUGUST. Diese Beschimpfung!

GEHRMANN. Stille! ruhig! es ging zu meiner eigenen Beschämung aus. Denn als ich ihm den Nahmen des Mädchens nannte, sah er mich starr an. Endlich rief er: Diese Frau! diese Tochter! Herr! Ja – wenn mein eigener Sohn das Mädchen wollte, ich schlüge ein.

AUGUST. Tugend! du behauptest deine Rechte.

GEHRMANN. Er sagte mir Ihren wahren Nahmen, ich erröthete; denn unter uns, Madame, ich glaube, daß ich gegen Ihren braven Mann noch etwas im Rückstande bin. – Ich eilte hieher, trat ungesehen ein, und seit ich das liebe Kind so reden hörte, ist mir an dem Gelde und auch an ihren Augen nichts mehr gelegen. Zu August. Sie sey dein!

ALBERTINE schnell. Nein, mein Herr! auch Sie darf das Mitleid nicht betrügen. Wollten Sie eine Nichte, die Ihnen nicht die kleinste kindliche Pflege leisten kann? Ich bin mit dem Glücke zufrieden, theilnehmende Menschen gefunden zu haben – und neben meiner Mutter noch einen würdigen Mann zu lieben. Mehr darf ich nicht.

AUGUST. Onkel! Mutter![148]

GEHRMANN. Still! für dich ist hier nichts mehr zu thun, nur ich als Buchhändler habe noch ein Geschäft. Zu Madame Wölbing. Madame, mein Neffe sagte mir, das Manuseript, welches Sie mir diesen Morgen brachten, sey nicht mit Gold zu bezahlen; wohl – so empfange sie denn das Honorar in einer Münze, deren sich noch keine Schriftstellerin rühmen konnte, in einem Mann. Legt ihre Hände zusammen.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 146-149.
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