Vorbericht

Vorbericht

Allegorische Wesen zubekörpern, und auf die Bühne zubringen, ist eine Gewohnheit, die so alt ist als das Theater selbst. Euripides der gröste tragische Dichter ist ein Beweis. Aristoteles sucht schon dem Misbrauche zusteuren / und Horaz giebt die Regel.


Nec Deus intersit, nisi dignus vindice nodus.


In der That muß man bey diesen Allegorien sehr behutsam gehn, auch nicht zu oft mit solchen erscheinen / damit das Volk, welches selten in der Geist, und in die Seele der Dinge hineindringet, nicht zu sehr durch dergleichen mystische Vorstellungen getäuscht, und in seinen Vorurtheilen, und Irrthümern bestärkt werde. Die Alten wußten diesen Personen einen gewissen Anstand und Majestät zugehen, welches wie selten erreichen. Ihre Furien beweisen es. Was machen unsere neuern Teufel, und Geister für eine elende ja lächerliche Figur!

Ich habe übrigens diesen Stoff nicht gewählt, um etwa dem Pöbel zugefallen, oder die glänzenden Beyspiele eines Chakespear und Voltaire durch Geistererscheinungen nachzuahmen. Nichtsweniger als dieß war mein Augenmerk. Ich fand in dem Stoffe des Faust so was Finsters / so etwas Erschütterendes, welches sich mit meiner Einbildungskraft nicht gut verträgt, daß ich mir das Vergnügen nicht versagen konnte / diese tragische Lage eines Menschen zubeschreiben, und dem Publikum meine Gedanken hierüber mitzutheilen. Melanchton, und andere mitlebende Gefchichtschreiber wollen es zwar als eine wahre Geschichte angeben; aber wenn es auch nur eine Chimäre ist; so hat doch die Dichtkunst das erhabene Vorrecht, sich in die Gränzen des Unmöglichen zu schwingen.

Quelle:
Weidmann, Paul: Johann Faust. Ein allegorisches Drama von fünf Aufzügen, Prag 1775.
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Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen