Nr. 11. Duett.

[27] LUX.

Der Tod sitzt ihm schon auf der Zunge!

JOSEPH.

O weh! Wie Feuer brennt die Lunge!

Das Gift zerreißt mein Eingeweid'!

LUX.

Er stirbt, es ist die höchste Zeit.

JOSEPH.

Ach, wie das Gift im Leibe kocht!

LUX.

Ach, wie sein krankes Herz ihm pocht!

Blaß ist sein Angesicht,

Seht, wie das Aug' ihm bricht,

Und Adam kommt noch nicht.


Bei Seite.


Er stirbt mir ohne Zweifel,

Es geht mit ihm zu End'.

Die Erbschaft ist beim Teufel

Mit sammt dem Testament.


Adam und Bauern kommen.


Dialog.


LUX. Ach, endlich kommen sie! Mein lieber Herr Joseph, suchen Sie sich ein wenig stärker zu machen, als Sie sind.

JOSEPH.

Ich will alle meine Kräfte sammeln.

ADAM. Nur herein! Fromme Schafe gehen viele in einen Stall.

PHILIPP. Herr Lux, worinnen können wir dienen?

THOMAS. Bin allezeit bereit.

LUX. Schönen Dank, meine Freunde! Zuerst ein Glas Wein – Suschen, hurtig! Adam, Stühle! Die Bauern setzen sich, jeder zu einem Glas Wein. Daß ich mehr Vater als Vormund bei meinem lieben Suschen gewesen bin, weiß die ganze Dorfgemeinde.

THOMAS. Bin lebendiger Zeuge.

PHILIPP. Kann's mit einem Eide bekräftigen.[27]

LUX. Weil es dem Himmel gefallen hat, habe ich mich entschlossen, als Pflegevater meiner lieben Mündel, sie mit einem wackern Mann zu verheirathen; und da ich die Neigung des Herrn Joseph kenne, so ist meine Wahl auf den gefallen. Es fehlen freilich einige Formalitäten, aber der Bräutigam hat eine dringende Reise vor. Wir wollen jetzt in's Himmelsnamen zum Werke schreiten.

BAUERN trinken. Es lebe das Brautpaar!

RUND trinkt. Sie leben.

ADAM. Gelehrten ist gut predigen.

LUX. Liebt Euch, meine Kinder, und der Himmel segne Euch!

RUND. Alles hat seine Richtigkeit; jetzt zur Unterschrift! – Zuerst Herr Lux – dann der Bräutigam und die Braut – hernach die Zeugen. Zum Glück sind es Geschworne und können schreiben.

THOMAS. Daran fehlt es nicht. Trag' Er Jedem ein Maß Bier in's Haus. Alle unterschreiben.

BAUERN gehen mit Adam fort. Wir danken schön!

LUX. Dies Geschäft wäre nun glücklich vollendet. Herr Rund, auf ein Wort. Ich denke, wir dürfen unsern Kranken nicht mehr aus dem Gesichte lassen.

RUND. Das wäre ein Fehler wider die Politik; lassen Sie mich nur machen! Jetzt will ich ihn zur letzten Reise vorbereiten. Führen Sie ihr Suschen weg, der Sterbende möchte gräßliche Grimmassen machen.

LUX. Wohlgedacht! Komm, Suschen, wir wollen diese Herren allein lassen, sie haben wichtige Geschäfte mit einander.


Geht mit Suschen in's Nebenzimmer, guckt aber öfters heraus.


Rund setzt sich gravitätisch an den Tisch, schlägt das Buch auf, nimmt die Brille und beginnt in salmodirenden Tone zu singen

[28] Joseph macht Grimmassen, windet sich und krümmt sich, dann springt er auf und schnappt nach Luft.

Quelle:
Johann Baptist Schenk: Der Dorfbarbier, von Joseph Weidmann, Leipzig [o. J.], S. 27-29.
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