Sechster Auffzug.


[29] Cunigunda. Hernach Czenko, Sbinko.


CUNIGUNDA. Hilff Himmel! wohin zielete diß Exempel? warum soll ich mir an eine Mutter dencken lassen / die sich an einem leiblichen Kinde vergriffen hat? Soll etwan dieser Stocknarr zum Propheten werden / daß dergleichen TRAGŒDIE an unserm Königlichen Hofe möchte gespielet werden? Doch wie dem allen / die Mutter zu Jerusalem kunte sich durch den Nothfall entschuldigen / und vielleicht wird es uns an Ursachen nicht ermangeln / daß wir uns auff dergleichen Noth beruffen könten. Doch hier kommen zwey vertraute Personen / die uns unwissende das Rätzel aufflösen sollen.

CZENKO. Bey Eurer Königlichen Majestät haben wir unterthänigst nachfragen sollen / ob etwas von uns soll verrichtet werden.

SBINKO. Vornehmlich ob Eure Königliche Majestät etwas gegen die gehorsamsten Land-Stände sich erklären wolte.[29]

CUNIGUNDA. Ihr liebsten Freunde habt schönen Danck vor die Bemühung / es ist keiner weitläuftigen Erinnerung von nöthen.

CZENKO. Wir haben uns vielleicht durch eine unzeitige Ankunfft versündiget?

SBINKO. Und wir werden dessentwegen demüthigen Abschied nehmen.

CUNIGUNDA. Ach nein ihr kommt gar zu rechter Zeit / es stecket uns nur noch ein SCRUPEL im Kopffe / welchen uns der leichtfertige Gärtner / der Stocknarr beygebracht.

SZENKO. Der SCRUPEL wird von schlechter Wichtigkeit seyn / weil er eine Person von schlechter QUALItät zum Urheber hat.

SBINKO. Und Eure Majestät werden vielleicht einen lustigen Schertz darunter wollen verstanden haben.

CUNIGUNDA. Nein es ist etwas sonderliches. Der Fantaste hat mit unserm Geistlichen gewettet / ob eine Mutter in Jerusalem ihr Kind geschlachtet hätte? und da ich den Ausspruch hierinne thun muste / so kam ich auff die Gedancken / ob sich denn auch dieselbe Mutter gegen dem Kinde so gar versündiget hätte. Last doch hören / wäre es möglich / daß man sie entschuldigen könte?

SZENKO. Ich halte davor / ein Kind steht den Eltern zu Dienste. Kan man die Kinder in der eusersten Armuth verkauffen / so kan man sie auch auff den Nothfall schlachten.

CUNIGUNDA seufftzet. Ad spectatores. Ach WENTZEL / du must sterben![30]

SBINKO. Ich behaupte das Wiederspiel. Eine Mutter hat deßwegen ein Kind zur Welt gebracht / daß es leben soll / und dieses Leben soll sie auch durch ihren Tod erhalten.

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL / ich soll dich leben lassen!

SZENKO. Es ist der Mutter ihr Fleisch und Blut sie mag damit schaffen was sie will / und da die Kinder sonst müssen gehorsam seyn / so können die Eltern wohl befehlen / daß sich ein Kind zum Tode schickt.

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL / ich kan nicht dafür / du bist des Todes!

SBINKO. Wer hat das Gesetze gegeben / daß die Kinder sollen gehorsam seyn? hat es nicht derselbe gethan / welcher von den Eltern erfordert daß sie mit der Kinder-Zucht auff ein glückseliges Leben ihr Absehn haben sollen?

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL das Werck ist zweifelhafftig / ich werde den Schluß ändern müssen.

CZENKO. Es thut gleichwohl einer Mutter wehe / wenn sie verderben soll / wenn sie weder Hülffe noch Rath vor sich siehet / also muß man sie wol entschuldigen.

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL / die Entschuldigung wird dir tödlich seyn.

SBINKO. Wenn man aber bedencket / daß ein Weib die Mütterliche Liebe nimmermehr verleugnen kan / sonderlich da allem Vermuthen nach das liebe Kind mit einem freundlichen Lachen das unbarmhertzige Gewissen bestürmet hat.[31]

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL / wo das Lachen ein Mittel wieder das Sterben ist / so muß ich deiner schonen.

CZENKO. Mein Herr / das war eine Predigt aus der alten Welt / wer heute zu Tage was werden will / der darff sich nichts so sehr an das Hertze wachsen lassen. Ob ein Kind lacht / oder weint / das gielte mir eben so viel / wenn ich sonst meine Vergnügung dabey zu gewarten hätte.

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL! WENTZEL! nach der neuen Mode wirstu sterben müssen.

SBINKO. Die neue Politische Mode kan sich gleichwol nicht biß auff die Mütterliche Liebe erstrecken. Wir heyrathen nach der alten Mode / die Kinder kommen nach der alten Mode auff die Welt: also muß man auch die zarten Engel nach der alten Mode lieben.

CUNIGUNDA ad spectatores. Ach WENTZEL! WENTZEL! was vor ein Glücke hastu der alten Mode zu dancken!

CZENKO. Mein Herr / ich möchte nicht viel mit ihm zu handeln haben / er machte mir das Gewissen über einer schlimmen Cause zehnmahl unruhig.

SBINKO. Ich wolte / daß ich viel mit ihm zu handeln hätte / denn ich weiß / er würde sich die Lust zu allen Causen vergehen lassen. Doch ich rede dieses Wort / welches wir beyderseits als einen Schertz wollen verstanden haben.

CUNIGUNDA. Es ist genung / wir befinden so viel daraus / daß kluge Köpfe von allen Sachen DISPUTIren können. Im übrigen vermeldet den sämtlichen Herren unsern Gruß / und versichert sie / daß wir unserm Versprechen wollen nachkommen.

CZENKO. Sie werden es mit unterthänigstem Dancke erkennen.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 29-32.
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