Erster Aufftrit.


[116] Roccella, Ristaldi.


ROCCELLA. Ja wohl hab ich dem Glücke zu dancken / daß ich unter dem grausamen Pöbel kein Unglück hab erfahren müssen.

RISTALDI. Wer in seinen Beruffs-Wegen gehet / der hat sich eines gewissen Schutzes zugetrösten.

ROCCELLA. Ich muß das jenige verrichten / was jhr Excellentz befohlen; Allein meine Bothschafft war so unglücklich /[116] daß ich nun etliche Tage her in dem Gefängnis zwischen Furcht und Hoffnung habe schweben müssen.

RISTALDI. Wohl dem / der einen verborgenen Winckel zu seiner Zuflucht nehmen kan / indem das gemeine Volck durch den Untergang edeler Personen die Freyheit verdienen wil.

ROCCELLA. Ich weiß nicht / was in wehrender Zeit vorgelauffen ist / ohne daß ich aus stetswehrenden Tumulte / und aus den Klange so vieler Glocken wenig gute Zeit habe muthmassen können.

RISTALDI. Es ist an dem / der Tyrannische Fischer- Knecht hat sich so weit gedemüthiget / daß er dem Vice-Roy auf dem Castell eine Visite gegeben hat.

ROCCELLA. Eine gefährliche Sache / daß man rasenden Leuten die Thore wil öffnen.

RISTALDI. Die Zeit und die Noth brachtens so mitte. Wir müssen auch dem Glücke dancken / daß hierdurch ein guter Anfang zu den künfftigen Vergleiche erfolget ist.

ROCCELLA. Aber die Puncte werden schimpflich seyn.

RISTALDI. Ich halte nicht. Der Respect des Königes und jhr Excellentz wird noch allezeit in acht genommen.

ROCCELLA. Hilff Himmel / wie werden unsre wahrhafftige Historien-Schreiber von der Nachwelt einer vielfältigen Unwahrheit beschuldigst werden. Wir selbsten würden daran zweiffeln / wenn wir die Wunder-Wercke nicht vor Augen hätten.

RISTALDI. Ich muß bekennen / daß der Auffzug sehr schön zu sehen war. Denn nachdem das hohe Ampt in Beyseyn des Herren Ertz-Bischoffs war gehalten worden / so gieng der Process in ungläublicher Menge fort / in allen Gassen waren auf des Masaniello Befehl wunderschöne Teppicht ausgehangen / er selbst war mit einem Silber-Stücke prächtig angethan.

ROCCELLA. Vor diesen pralte der Fischer-Knecht / als wolt er seine Profession nimmermehr fahren lassen; nun werden wir selbst so viel darzu contribuiren / daß er einen Fürsten bedeuten kan.[117]

RISTALDI. Es geschach auf hohes Gutbefinden des Hofes. Denn es war einem Vice-Roy schimpflich / wenn er mit einem übelbekleideten Buben hätte tractiren sollen.

ROCCELLA. So wird seine Familie gleicher gestalt die schönen Kleider nicht verachtet haben.

RISTALDI. Freylich durffte nichts mangeln. Und es war als ein umgekehrtes Fastnacht-Spiel.

ROCCELLA. Es ist wahr / sonsten verkleiden sich die Fürsten zu Bauren / aber in dieser Stadt hat sich allerhand Lumpen-Volck in Fürstliche Kleider gestecket. Aber wie lieff der Handel ab?

RISTALDI. Eh er in das Castell schreiten wolte / so gab er dem Volcke Befehl / wofern der Vice-Roy sich an seiner Person vergreiffen würde / so sollten sie Neapolis in Brand stecken. Hierauff gab er weitern Befehl / daß alle stockstille schweigen und seines Befehls erwarten solten.

ROCCELLA. Wie waren aber die Ceremonien bey jhrer Excellentz beschaffen?

RISTALDI. Sehr höflich. So bald Masaniello jhrer Excellentz ansichtig war / sprang er vom Pferde und küste deroselben die Füsse / und sagte sehr getrost / er hätte sich herein begeben / und stellte zu jhrer Excellentz Belieben / er möchte jhn köpffen / hencken / oder radebrechen lassen.

ROCCELLA. Ich weiß / was jhr Excellentz werden gedacht haben.

RISTALDI. Es muste aber bey den Gedancken bleiben. Denn die höfliche Antwort erfolgete: Es wäre noch nichts begangen worden / daß er eine solche Straffe verdienet hätte. Hiermit wurden sie in ein geheimes Zimmer begleitet / da man in Gegenwart des geheimen Raths des Accords wegen Unterredung pfloge.

ROCCELLA. Ist aber die Sache beygeleget?

RISTALDI. Die alte Freyheit ist bewilliget worden / und soll von jhr Excellentz selber in der Haupt- Kirchen beschworen werden.[118]

ROCCELLA. Ein solcher Minister kan leicht schweren / denn so bald der Successor komt / so hat der Schwur keine Krafft mehr. Aber ach hätte man meinem Rathe gefolget / so wäre dem Masaniello ein Geschencke / oder auch wohl gar ein Marggräflicher Titel angeboten worden. Wäre doch dieses der erste Esel nicht / welcher in einer güldenen Schabracke prangete.

RISTALDI. Was das Geld anlanget / so war er unüberwindlich / weil er doch das Geld von gantz Neapolis in seiner Hand hat. Und über diß / so hat er dem Vice-Roy anitzo fünff biß sechs Millionen Goldes auf den Nothfall versprochen. Er fänget auch allbereit an die begütterten Leute / sonderlich die reichen Klöster zuerinnern / daß sie auf den erfolgten Befehl mit dem Gelde parat erscheinen solten.

ROCCELLA. So würde jhm doch ein hoher Titel die Augen verblendet haben.

RISTALDI. Man saget ins geheim / es wäre von jhr Excellentz was vorgeschlagen worden: Doch es hätte bey dem schlauen Fischer kein Gehöre funden.

ROCCELLA. Nun ist es freylich zu langsam: nun müssen wir nur in Gedult erwarten / was der gütige Himmel zu unserm Troste verhängen wird. Doch wir werden uns nicht auffhalten / wenn etwan der Process bald vor sich gehen sollte.

RISTALDI. Nach dero Belieben.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 116-119.
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