Siebender Aufftrit.


[163] Hahnenfuss. Ziegenbein. Pomponius als ein Ziegeuner.


HAHNENFUSS. Der Mann wird sich mit seinem Ofen-Ruß viel einbilden: Er läst sich doch eine neue Wage darzu machen.

ZIEGENBEIN. Und er wird allmählig die guten Freunde auff den schwartzen Brandtwein zu Gaste bitten.

POMPONIUS. Glück zu ihr guten Leute. Allem Ansehen nach seyd ihr auch fremde.

HAHNENFUSS. Ja wir armen Leute müssen uns immer auff der Strasse herum blacken.

ZIEGENBEIN. Wenn uns die Leute einmahl gebraucht haben /so dürffen wir in einem halben Jahre nicht wiederkommen.

POMPONIUS. Es geht mir auch so: Wenn ich die Leute an einem Orte nur einmahl gesund gemacht habe / so dürften sie mich in 10. Jahren nicht brauchen.

HAHNENFUSS. Der Herr verzeihe mir / er wird gewiß ein Doctor seyn.

ZIEGENBEIN. Oder wo er gar aus der schwartzen Kunst ist / so müssen wir sprechen Glück zu unsers gleichen.

POMPONIUS. Meine Kunst ist nicht schwartz. Es müste mancher Mensch eher ein Stücke von schwartzer Erde käuen / wenn ich mit meinen guten Mitteln nicht darzwischen käme.

HAHNENFUSS. Nun nun / wir wollens wol gläuben: Reisende Leute werden sich wohl mit einander vexiren dürffen.

ZIEGENBEIN. Und ich dencke unsere Kunst hat gleichwohl einen güldenen Boden.

POMPONIUS. Ja ja / wenn ihr oben in der Feuermauer steckt / daß die Schincken und Knackwürste unten hangen / so habt ihr gar einen hübschen Boden. Aber darff ich fragen / wo ihr her seyd?[163]

HAHNENFUSS. Wir wandern durch so viel Städte / daß wir selber nicht wissen wo wir daheim seyn.

ZIEGENBEIN. Und wer so viel Staub in sich fressen muß / der wird so unkentlich / daß ihn nicht einmahl seine Landes Leute annehmen wollen.

POMPONIUS. Ihr müst doch wißen / wo eure Eltern gewohnet haben.

HAHNENFUSS. Sechs Meilen dort hinter den Bergen da ist ein Dorff das heist Rumpels Hausen / da war mein Vater Todtengräber.

POMPONIUS. Es schickt sich fein zusammen: Einer arbeitet im schwartzen unter sich der andere über sich.

ZIEGENBEIN. Und mein Vater war darneben auf einem Städtel Bürgermeister / und wie er abgesetzet ward / fieng er einen Gewandschnied mit Holundersafft und Wachholderbeeren an.

POMPONIUS. Die Tinctur vom OfenRusse hätte sich hübsch darzu geschickt. Doch habt ihr etwan ein Anliegen / darinn ich euch helffen kan? Ich bin ein Mann / der eben Goldes wegen nichts anfangen darff. Im Riesen Gebirge finde ich so viel Geld und Edelgesteine / als ich brauche. Doch dem lieben Nechsten zu gefallen mach ich manchmahl eine Gold Artzrney vor 20. thl. und gebe sie vor 2. gl. Vor 8. Tagen kriegte ich ein blindes Weib / das hatte den schwartzen Staar. Ich nahm ein halb Pfund Diamanten und brannte das klare Oel daraus. Damit fraß meine Artzney den Staar so glat weg daß sie besser siehet als wir alle mit einander. Und daß ich nur Schande halber nicht alles wolte umsonst gethan haben / so nahm ich 4. Groschen. Eine andere Jungfer hatte lauter rothe Finnen über und über. Aber es war mir um 12. Pfund Granaten zu thun / die zogen die Röthe so schöne aus dem Gesichte / daß sie Haut hat / wie ein gefallener Schnee / und ich war mit drittehalb Groschen zufrieden. Vor drey Wochen hatte ein armer Mann solche Hertzens-Angst / daß ihm das Hertze schon einmahl unter der Zunge saß und wolte heraus fahren. Den andern Tag war es ihm reverenter zu sagen biß an die Schloß Beine herunter gefahren. Was wolte ich thun? Ich nahm anderthalb hundert Ducaten und satzte sie über das Feuer. In 24. Stunden hatte ich Pillen fertig / davon ist der liebe Mensch so lustig / daß er in der Stube herum tantzet / wie eine Bachsteltze. Und wie es zur Bezahlung kam / so belieff sichs mit dem Trinckgelde mit allem auf siebende halbe Groschen.[164]

HAHNENFUSS. Wenn ich auch was von einer goldenen Artzney kriegen könte / so wolte ich sehen / was mein armer Beutel vermöchte.

POMPONIUS. Habt ihr ein Anliegen / so sagt mirs nur. Ich habe die Mode / zu erst wird mir die Kranckheit entdecket. Das geringe Püncktlein mit der Bezahlung / das kömmt auf die letzt.

HAHNENFUSS. Ich habe nun so viel Jahr nach einander einen Schwall Ofen Ruß in den Halß gefreßen. Sechs Pferde schlepten ihn nicht weg / und daß mir ein fein Particul auf der Brust liegen muß / das mercke ich in der Nacht / da ist mir immer / als wenn mich der Alp drückte.

POMPONIUS. Ihr guter Freund / ihr habt Zeit. Aus solcher materie kan der schwartze Stein entstehen / der legt sich zwischen Lung und Leber und frist um sich / als ein leibhaffter Krebß. Er komme morgen wieder zu mir / ich will ihm was von meinem Carfunckel Brandtewein geben / davon soll ihm der Ruß zum Halse raus stüben / als wenns rauchte.

ZIEGENBEIN. Und ich habe auch ein sonderlich Anliegen / ich weiß nicht / ob mir wird zu helffen seyn.

POMPONIUS. Ey was wolt ihr am helffen zweiffeln? Wer von meiner Kunst Profession macht / der muß allen Leuten helffen können / oder er muß sich mit Drecke lassen zum Lande naus schmeißen.

ZIEGENBEIN. Es fält mir manchmahl so ein fauler Fluß in die Beine / daß mich die Mühe verdrüst / wenn ich eine Letter hinauff steigen soll. Am Sontage und am guten Montage fühle ich nichts. Aber wenn ich nur eine Feuermauer von weiten ansehe / so krübelt mirs schon um die dicken Beine / wenn ich näher darzu komme / so ist der Fluß gefallen.

POMPONIUS. Ich mercke schon / wo der Hund begraben ist. Euer Lehrmeister hat euch die Kunst nicht recht gewiesen: Ihr habt euch die Knie verwarloset / wenn ihr in die Rauch-Löcher gekrochen seyd. Ich habe ein Pflaster von Perlemutter / daß muß in einem güldenen Tiegel zu einer Salbe gekocht werden / biß das Gold hinein fährt. Das Pflaster soll euch schon helffen: In zwey Tagen solls schon fertig seyn.

HAHNENFUSS. Aber wir armen Leute können so viel nicht bezahlen.

POMPONIUS. Ich will euch einen guten Vorschlag thun. Ich suche nichts als Respect und Bekandschafft. Wolt ihr in den Häusern ein[165] bißgen herum spatzieren / und mir gute Leute zuweisen / so verlange ich keinen Heller. Krancken Leuten helffe ich mit meiner Artzeney / und gesunden Leuten kan ich wahrsagen.

HAHNENFUSS. Je nun wir wollen ein bißgen hausiren gehen / die Feuermauern besehen. Vielleicht giebt ein Wort das andre / damit kan euer gedacht werden.

ZIEGENBEIN. Und wer weiß / wer sich noch heute den Planeten lesen läst. Es giebt immer Volck / das gerne was neues wissen will.


Quelle:
Komödien des Barock. Reinbek bei Hamburg 1970, S. 163-166.
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