CAP. XXXVII.

[173] Hier sahe sich der Stümper um, und wuste nicht, was es heissen solte, daß sich niemand über seine Possen verwundern wolte. Doch dessen ungeacht, wolte er in der Erzehlung fortfahren. Allein Gelanor machte eine unfreundliche Mine, und redete ihn folgender Gestalt an: Ihr Kerle, wer ihr seyd, habt ihr nun das grosse Wort über dem Tische allein, und sind wir gut genug eure Zotten und Saupossen anzuhören. Wollt ihr einen Stocknarren agiren, so habt ihr in unserer Compagnie nichts zu thun, vor den Tisch gehören solche Gauckeler, da sie die Nasenstüber zur Hand haben. In ehrlichen Gesellschafften soll es ehrlich und vernünfftig zugehen, so kommt ihr und verunehret uns mit euren unvernünfftigen und unverantwortlichen Narrentheidungen, gleich als wäre kein GOtt, der von allen unnützen Worten Rechenschafft fordern wolte.[173] Oder, als wenn der Apostel gelogen hätte, indem er von Schertz und Narrentheidung gesagt, die den Christen nicht geziemen. Es solte ein jedweder froh seyn, der seinen gesunden Verstand gebrauchen könte. Doch es ist eine Schande, daß sich mancher stellt als wäre er auß dem Tollhause entlauffen. Ein höflicher Schertz zu seiner Zeit geredt, wird von niemanden getadelt. Vielmehr werden dergleichen sinnreiche und anmuthige Köpffe bey allen in sonderlichen Ehren gehalten. Allein wer mit seinen abgeschmackten Pickelherings-Possen überall auffgezogen kömmt, und die Sau-glocke brav darzu läuten läst, der ist nicht werth, daß er einem ehrlichen Manne soll an der Seite sitzen. Daß Fürsten und Herren ihre Hoffnarren halten, das hat gar eine andere Ursache, die den Politicis bekandt ist, wie man auch offt erfahren, daß so ein kurtzweiliger Rath mit einem Worte mehr Nutz geschafft als andere, die sich so kühn und offenhertzig nicht dürffen herauß lassen. Gleichwohl muß ich bekennen, daß ich dergleichen Leute vor die Elendesten halte, und fast so lieb wolte von dem Türcken gefangen seyn, als in solcher Qvalität zu Hoffe leben. Und wie schwer werden es dieselben bey Gott zu verantworten haben, welche bißweilen ein Kind mit Wissen und Willen verwarlosen, und zum Narren machen, nur daß es nicht an kurtzweiligen Personen mangelt.

Als nun Gelanor solche Discurse führete, saß der lustige Pickelhering mit niedergeschlagenen Augen, und schämete sich: denn seine Vernunfft sagte es ihm klar genug, daß er sich vor erbaren Leuten scheuen, und mit dergleichen liederlichem Wesen hätte sollen zurücke halten. Doch was wolte er machen, verantworten kunte er sich nicht, und darzu muste er in furchten stehen, es möchten noch Berenheuter und Ohrfeigen unter einander auf ihn zufliegen, wie denn Florindo ein gutes Lüstgen gehabt, wenn Gelanor sein Votum darzu gegeben hätte. Das beste war, daß er auffstund und sich unsichtbar machte. Da erzehlte einer seinen gantzen Lebens-Lauff, wie daß er von Jugend an nichts anders vorgehabt, als lächerliche Possen zu machen, und in der Compagnie vor einen Jean potage zu dienen. Er wäre auch dessentwegen in grosse Verachtung, offtmahls[174] auch wegen seiner freyen und ungezäumten Zunge in grosse Ungelegenheit gerathen: also daß sein Vater ihn längst vor verlohren gehalten, und seine Hoffnung von ihm abgesetzt, doch lasse er sich unbekümmert, und bleibe bey seiner Natur. Hierauff sagte Eurylas, ich wüste, wie dem Menschen zu rathen wäre, das Zucht-Haus möchte ihm zu beschwerlich seyn. Ich kenne einen Mann der bringet sich mit seinen Sau-Possen durch die Welt, und wo er was zu suchen hat, da schicket er etliche Zötgen voran, die ihm gleichsam den Weg zur guten expedition bahnen müssen. Wie wär es, wenn wir den Menschen hin recommendirten, sie würden treffliche Boltzen mit einander finden. Ja, sagte Gelanor, es wäre von nöthen, daß man die Narren dahin recommendirte; schickt einen klugen Menschen davor hin, der ihm die Possen vertreiben kan, und damit stunden sie auff. Nun war einer bey Tische, der saß die gantze Zeit traurig, und that weder dem Essen noch Trincken gar zu übrig viel nicht. Gelanor sah ihn etliche mahl genau an, und ließ sich seine Person nicht übel gefallen. Darumb fragte er ihn, warumb er so Melancholisch gegewesen? Mich dünckt, ihr beyde seyd zu ungerechten Theilen kommen, einer hat die Lust, der andere die Melancholie mit einander kriegt. Doch dieser gab zur Antwort: Ach wie kan der frölich seyn, der zu lauter Unglück gebohren ist? Gelanor versetzte: Was, im Unglücke sol man sich freuen, denn man hat die Hoffnung, daß es besser wird. Ein Glückseliger muß traurig seyn, denn er hat die Furcht, es möchte schlimmer werden. Dieser unbekante sagte drauff: Die Erfahrung habe ihm offt genung dargethan, daß er sich in seinem Glücke keiner Besserung trösten dürffte. Gelanor sprach ihm einen Trost zu, und nach weniger Wortwechselung fragte er, worinn denn eben sein Unglück bestünde? Da erzehlte er folgendes. Ich, sagte er, habe dem Studieren in das achte Jahr obgelegen, und habe mich an meinem Ingenio so unglücklich nit befunden, daß ich nicht in all meinem Vornehmen guten Fortgang gespüret. Meine Studiergenossen hielten viel von mir, und beredeten mich endlich, als wüste ich etwas, weil sie alle von mir lernen wolten. Und gewiß,[175] es mangelte mir auch an Patronen nicht, welche mich schon zu unterschiedenen Functionen bestimmten; Ach hätte ich nur eine Sache nachgelassen, die mich nun biß in die Grube drücken wird. Denn da war ein vornehmer Mann, der hatte eine grosse Cyprische Katze, die ihm mochte ziemlich lieb seyn, die fieng an einem Beine etwas an zu hincken, wie sie denn allem Ansehen nach in dem Gedränge gewesen war. Allein des Mannes Sohn, ein Knabe von sechs Jahren gab vor, ich hätte sie mit dem Stabe geschlagen, und davon wäre sie lahm worden, und da halff keine Entschuldigung, es dauert mich auch diese Stunde noch, daß ich der liederlichen Sache halben so viel Schwüre habe herauß stossen müssen: denn dieß war nicht ohne, ich mochte sie mit dem Stabe angerühret, und im Vorübergehen mit ihr gespielet haben, doch wuste ich wohl, daß sie davon nicht wäre hinckend worden. Dessen aber ungeacht, warff der Mann so einen unendlichen Haß auf mich, daß er sich also bald verschworen, er wolte mich an meinem Glücke hindern, wo er wüste und könte. Und gewiß, er hat seinen Schwur nicht vergebens gethan, Gott weiß, wie er mich gedruckt, wie er mich bey allen Leuten verkleinert, wie er mir die Patronen auffsätzig gemacht; Ja wie er mir viel falsche und unverantwortliche Sachen angedichtet. Offt meynte ich, mein Glücke wäre noch so fest eingericht, so hatte mir der Boßhafftige Mann schon in die Karte gesehen, und damit muste ich wieder das Nachsehen haben. Ja wenn ich Gelegenheit gesucht, anderswo fortzukommen, hat er mich allezeit daran verhindert, nur daß er sein Mütgen länger an mir kühlen kunte. Gelanor sagte hierauff: Mein Freund, gebet euch zufrieden? der böse Mann denckt es schlimm mit euch zu machen; Aber ihr wisset nicht, daß er euch zu eurem Besten verhindert hat: GOtt hat euch was bessers auffgehoben. Doch muß ich gestehen, der grosse Mann wer er auch ist, mag ein rechter Hauptnarr seyn. Erstlich daß er umb einer Feder willen einen bleyern Zorn fassen kan. Darnach, daß er den Haß so lange bey sich halten kan. Er muß ja das Vater unser niemahls beten, oder er muß es machen wie jener Narr, der ließ in der fünfften Bitte allzeit die Worte[176] auß: Als wir vergeben unsern Schuldigern: und dachte, er wäre der Gottsfürchtigste Mensch in der Welt. Ja, ja, du bist auff dem rechten Wege, zürne nur stattlich mit deinem Nächsten, und gieb dem lieben GOtt Anleitung, wie er es einmahl mit dir machen soll. Hiermit kam er auff unterschiedene Fragen, und befand, daß der Mensch sehr wohl qualificirt war, ein und ander vornehmes Ampt mit Ruhm zu verwalten, darumb resolvirte er sich, ihn mit in die Compagnie auffzunehmen, biß sich das Glücke günstiger fügen wolte. Und diesem werden wir ins künfftige den Nahmen Sigmund geben.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 173-177.
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