Zwölftes Exempel.

Ein voller Zapf wird in die Höll geführt, allda zu sehen die Peyn der Vollsauffer.

[170] Es war ein lasterhafter Mann, der Tag und Nacht bey Kanten und Gläseren sasse, und den Magen mit überflüßigen Trincken anfüllte Einsmahls als er seinem Gebrauch nach voll und toll nach Haus gieng, und über einen Kirchhof wackelte, auch bald an diesem, bald an einem anderen Grabstein anstossete; erzörnete er sich so hefftig, daß er greulich (wie es eben die Vollsauffer machen) zu schelten und zu fluchen ja so gar GOtt, und seine Heilige zu lästeren angefangen: und das auf eine so erschröckliche Weis, daß letztlich die Todte selbst aus den Gräberen herfür kommen, und wider ihn aufgestanden: unter welchen einer mit Krotten, Schlangen, und Würmen umgeben sich dem Vollsauffer unter das Gesicht gestellt hat. Der volle Zapf hatte das Hertz, den Geist gantz freventlich und unverschamt anzufragen, wer er wäre? die Todten-Larve gabe zur Antwort: ich bin, was du seyn wirst. So komme dann, sagte der verwegene Vollsauffer, heut Abend noch in mein Haus, und isse mit mir zu Nacht: darzu will ich dich eingeladen haben, und deiner gewärtig seyn. Die Todten-Larve ant wortete: Gehe nur hin; ich will mich ordentlich bey dir einfinden, und bald nach kommen. Auf diese Antwort nahme der volle Zapf seinen Weeg weiters fort, und seinem Haus zu. Unter Weegs aber kam ihn ein Schrecken an; daß er die Todten-Larve so freventlich habe dörffen zum Nacht-Essen einladen: dann er konte sich nichts Gutes vorsagen. Demnach saumte er sich nicht bäldist zu Haus zu seyn. So bald er dort ankommen, erzählte er seinem Weib mit Schrecken, was ihme auf dem Kirchhof begegnet, und was er dort für einen seltsamen Gast zum Nacht-Essen eingeladen habe. Befihlt also Thür und Thor des Hauses wohl zu verriglen, und den Gast, wann er käme, beyleib nicht einzulassen. Was geschiehet? es stehet nicht lang an, da kommt der geladene Gast daher, und klopft an. Allein Niemand gabe Antwort. So klopfte er dann das anderemahl an, und das mit solchem Gewalt, daß das gantze Haus darüber erzittert, und mithin Thür und Thor aufgesprungen. Der Geist begibt sich in die Stuben hinauf, und kommt für den Tisch hin, an welchem der Vollsauffer sitzte, und eben das Nacht-Essen einnahme. Da redete dann der Geist den Vollsauffer also an: Hier bin ich, du voller Zapf; weil du mich zum Nacht-Essen eingeladen. Und damit du sehest, daß ich mir nichts umsonst thun lasse, so lade ich dich auch [171] zu meiner Tafel ein. Uber drey Täg sollest du dich eben um diese Stund dabey einfinden. Und mit diesem ist der Geist verschwunden. Wie der Vollsauffer folgenden Morgen ausgenüchtert, und sich erinnert, zu was für einer schlimmen Tafel er von der Todten-Larven seye eingeladen worden, lieffe er vor Forcht und Schröcken der Kirchen zu, beichtete dort seine Sünden mit grosser Reu, und nahme ihm festiglich für, ins künftig ernstlich sein Leben zu besseren, und von dem Vollsauffen abzustehen: worüber er dann die Heil. Absolution empfangen, damit nach Haus gangen, und gleichwohl den bestimmten Tag und Stund erwartet, da er bey der Mahlzeit der Todten-Larven erscheinen müßte. Wie nun die Zeit herbey kommen, wurde er von dem Geist mit Leib und Seel in die Höll abgeholet, zu sehen die Peyn der Vollsauffer. Alldorten sagte der Geist zu ihm: sihe das ist mein Nacht-Essen. Zeigte ihm zugleich Krotten und Schlangen; feurigen Schwefel und Pech: und sagte ferners: da isse nun; da trincke, wann es dich gelustet. Der arme Tropf zitterte hierüber an Leib und Seel, und sorgte, es möchte mit ihm noch übler gehen. Allein der Geist war zufriden, daß er ihm Peynen der Höllen gezeigt hatte. Führte ihn also aus göttlichem Befehl halb todter in sein Haus zuruck; allwo er wegen eingenommener Forcht und Schrecken Eis-grau schine, der vorhin frisch und jung anzusehen war. Er veränderte aber mit der Gestalt auch den Lebens-Wandel; indem er sein Lebtag nimmermehr gelacht, sondern seine Sünden mit vilen Zähern beweint hat. Gotschalcus Holen. Part. æstiv. Serm. 301.


O wann alle Vollsauffer gedenckten an das Tractament, das in der Höll auf sie wartet, wie wurden sie ihre unmäßige Begierd zu trincken inner den Schrancken der Bescheidenheit halten! dann was wartet anderst auf sie, als feuriger Schwefel und Pech? das wird in alle Ewigkeit ihr Tranck seyn: welches ihnen aber den Durst nicht löschen; wol aber noch mehr anzünden wird. Sie werden mit dem verdammten Prasser ein eintziges Tröpflein Wasser wünschen, nur damit ihre feurige Zungen in etwas abzukühlen; aber sie werden es in Ewigkeit nicht erhalten. Gehet nun hin, ihr Vollsauffer, und fahret also fort; aber rüstet euch zugleich auf einen ewigen Durst.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 170-172.
Lizenz:
Kategorien: