Sieben und zwantzigstes Exempel.

Ein von Todten Erweckter macht einen streitigen Handel vor Gericht auf Erden aus.

[212] Es hatte der Heil. Stanislaus, Bischof zu Cracau in Pohlen, zur Zeit des Pohlnischen Königs Boleslai, einem reichen Mann, mit Namen Petrus, ein Gut für seine Kirch abgekauft, und das baare Geld darfür ausgezahlt. Der Kaufbrief aber, so darüber aufgesetzt worden, bestunde in so duncklen und zweifelhaftigen Worten, daß man selbigen leicht anfechten konnte. Nachdem nun gedachter Petrus gestorben, und nunmehr 3. Jahr nach seinem Tod verflossen, stache die Erben Petri das verkaufte Gut in die Augen, und forderten von dem Bischof, er solle das Gut wiederum abtretten, als einen Theil der Erbschaft, so ihnen von Rechts wegen zustehe. Und weilen sie wußten, daß der König Boleslaus dem Bischof nicht günstig wär, bedienten sie sich dieser Gelegenheit zu ihrem Vortheil, und machten die Sach bey des Königs-Hof-Gericht anhängig. Nun die Sach wird in Beyseyn des Königs gerichtlich fürgenommen; und der Ausspruch gefällt, der Bischof solle den Kaufbrief aufweisen. Als dieses geschehen, und aber (wie gemeldet) die dunckle Wort des Briefs die Strittigkeit nicht könnten ausmachen, schritte man zu denen Zeugen, die etwann wegen geschehenen Kaufs genugsame Kundschaft könnten geben. Es waren auch deren genug vorhanden. Allein Niemand wollte sich [212] gern dazu gebrauchen lassen; und das aus Forcht, den König für den Kopf zu stossen. Also geschahe der Schluß, Stanislaus sollen denen Erben Petri ihr Gut wiederum zustellen. Was thate der heilige Mann? er begehrte von denen Richtern einen Verschub auf 3. Tag, mit Versicherung, der schon vor 3. Jahren verstorbene Petrus werde selbst für Gericht kommen, und wegen des richtig bezahlten Guts den Handel ausmachen. Der gesammte Rath spricht einhellig ja, lachten ihnen aber die Haut voll an, wegen der wunder seltsamen Versicherung. Unterdessen wendet sich Stanislaus zu GOtt: fastet, wachet, und bettet unabläßlich, er als höchster und gerechtester Richter wolle ihm gnädiglich beystehen, und zu demjenigen, was die Billigkeit mit sich bringe, verhülflich seyn. Als nun der dritte Tag angebrochen, opfert Stanislaus forderist GOtt die heilige Meß; gehet alsdann in seinem Bischöflichen Aufzug zum Grab, allwo der Leichnam Petri ruhete: lasset die Erden ausgraben, und die Todten-Bahr eröfnen. Berühret darauf den Leichnam mit dem Bischofs-Stab, und befihlet ihm, aufzustehen. Ein Wunderding, der so lang verstorbene gehorsamet augenblicklich; steht auf, und folget dem Bischof auf dem Fuß nach, bis in das Zimmer, wo der König samt allen seinen Reichs-Räthen versammlet, mit äusserstem Verlangen der Sachen Ausgang erwarteten. Wer will zweiflen, daß es allerseits ein grossen Schrecken habe abgeben, als aber dieser vorbey, sagte Stanislaus mit heller Stimm: Sehet hier den wieder lebendigen Petrum, da steht er nun vor eueren Augen, der mir das Gut verkauft hat: fraget ihn nun, und lasset euch Antwort geben, ob ich ihm das abgehandelte Gut nicht redlich bezahlt hab, er ist ein Mann, der euch nicht unbekannt ist, sein Grab stehet offen, GOtt hat ihn, die Wahrheit zu schützen, aus dem Grab heraus steigen lassen: ihm ist mehr zu glauben, als allen Sigillen, und allen anderen Zeugen. Hierüber erstaunten die boßhafte Anforderer dergestalten, daß keiner ein einiges Wörtlein mehr vorbringen könnte. Petrus aber fienge alsbald an den gantzen Verlauf zu erzählen, und wie die Sach an ihr selbsten beschaffen war: kehrte sich alsdann zu seinen Gewissenlosen Befreundten, ermahnte sie zur Bereuung ihrer ungerechten Anforderung, und dessen, was sie dem heiligen Bischof Leyds gethan hatten. Nachdem nun solcher Gestalt der Handel durch dieses entsetzliche Wunderwerck geschlichtet, gabe der heilige Bischof Petro die Wahl: ob ihme beliebe länger zu leben? oder wiederum in sein Grab zu kehren? wann ihm das erstere gefällig, wolle er GOtt bitten, daß er ihm das Leben noch auf etliche Jahr hinaus verlängere. Allein Petrus bedanckte sich und sagte: er wolle lieber seinen Leib wiederum mit Erden bedecken, und die Seel den vorigen Weeg hinfahren lassen, als in dieser kummerhaften Welt länger unter so [213] vielen Bedrängnussen wohnen. Es müsse zwar seine Seel länger in denen Flammen des Fegfeuers abbüssen, was ihr noch von begangenen Sünden in seinem Leben unreines anhange; allein er wolle lieber mit dermahligen Versicherung seiner Seeligkeit in solchen Peynen verharren, als ohne Peyn sich wiederum in so viel Gefahr und Unruhen dieses Lebens stürtzen. Batte hierauf den Heil. Bischof, er wolle ihm bey GOtt die Nachlassung der übrigen Straf durch sein Heil. Gebett auswürcken, um desto ehender vor GOttes Angesicht zu gelangen. Weilen dann Stanislaus Petri Willen vernommen, und nicht zu wider seyn wolte, führte er ihn in Begleitung einer unzahlbaren Menge Volcks wiederum zu seinem Grab: in welches Petrus so dann sich hinein gelegt; der umstehenden Gebett für seiner Seelen-Heyl begehrt, und zum anderenmahl verschieden, im Himmel ewig zu leben. Cromerus Histor. Polon. l. 4. circa finem. Et sub initium l. 9.


Wem solte dieses grosse Wunder nicht zu Hertzen gehen, und solte er auch aus den wildesten Barbaren seyn? Welches Hertz kan so verstockt seyn, das nicht zur Lebens-Besserung erweicht werde? Indem es vor Augen sihet, daß ein schon einmahl zur Erden Begrabener, und in denen erschrecklichen Flammen sitzender, nachdem er dem Tod aus dem Rachen gerissen, und aus der unleydentlichen Qual gezogen worden, dannoch lieber wiederum zu seinen Krotten, Würmen und Schlangen dem Leib nach, mit der Seel aber in seinen feurigen Ofen kehren, als noch länger in dieser elenden Welt sich hat aufhalten wollen? wiewohl trift dieser Entschluß ein mit dem Spruch des weisen Sirachs am 30. Cap. allwo er also spricht: Der Tod ist besser, dann ein bitteres Leben! ja, wahrhaftig. Dann wie soll einen dieses gegenwärtige Leben freuen können, in welchem man so vielen Verdrüßlichkeiten muß unterworffen seyn? und das bey täglicher Gefahr, GOtt den HErren schwerlich zu beleydigen? O! wann anderst nichts, als diese Gefahr wär, solten wir den Tod dem Leben weit vorziehen. Was ist glückseeligers, als nicht mehr sündigen können? das geschiehet durch den Tod. O dann! (wenigst dieser Ursach halber) erwünschter Tod!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 212-214.
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