[253] Um das Jahr Christi 528. zur Zeit Kaysers Justini, des älteren lebte in Thebaide, einer Landschaft in Egypten, ein armer, aber tugendhafter Steinmetz, mit Namen Eulogius. Er war ein sonderbarer Spiegel der GOttes-Forcht, Andacht, Keuschheit, Mäßigkeit, Gedult, und Liebe gegen dem Nächsten; als welcher neben strengem Fasten das wenige Geld, so er mit seiner Handthierung gewunnen, unter die Arme ausgetheilt. Denen Fremdlingen gienge er wie ein anderer Abraham, entgegen, wusche ihnen die Füß, und führte sie in seine Behausung. Nicht weniger erzeigte er sich freygebig gegen denen Haus-Armen seines Fleckens. In Summa: wer alles, was dieser arme Handwercks-Mann denen Nothdürftigen ausgetheilt, überschlagen wolte, wurde vermeinen, er wäre ein wohlhabender reicher Herr gewesen: also reichlich hat ihm seine grosse Armuth eingetragen.
Auf eine Zeit begabe es sich, daß ein Einsidler mit Namen Daniel (so wegen seiner grossen Tugend im Ruff [253] der Heiligkeit stunde) bey diesem Eulogio einkehrte; von dem er nicht anderst, als ein Engel vom Himmel mit grosser Lieb und Dienstbarkeit empfangen worden. Der Einsidler, als ein geistreicher Mann, erkennte alsobald in diesem armen Steinmetz ein so grosse Vollkommenheit, daß er sich nicht genug darüber verwunderen konte; beynebens auch, daß GOtt an allen Orten seine Diener habe. Er gewanne also zu seinem tugendhaften Gastgeb eine solche Liebe, daß er von dieser Zeit anfienge für ihn zu betten, und zu fasten, damit er ihme von GOtt bessere Mittel sich zu ernähren erlangen möchte. Ja sein Eyfer brachte ihn so weit, daß er nicht mehr gedachte, was er begehrte; weilen er sich nicht mehr erinnerte, daß GOtt auch seine grosse Freund, den Eliam, Paulum den Eremiten, und andere, allein mit Wasser und Brod ernähret habe. Er fienge an sich gegen GOtt zu beklagen, daß er den grossen Sünderen überflüßige Reichthum gebe, die sie doch zur Hoffart, Unlauterkeit, und anderen Lasteren mißbrauchten; diesem armen Steinmetz aber, dem alle Gold-reiche Flüß ihre Schätz ohne Unterlaß mittheilen solten, also hart mit der Armuth ringen liesse; dardurch er von seiner Andacht, und gottseeligen Ubungen mercklich verhindert wurde. Als er deswegen auf eine Zeit mit ungewöhnlichen Anhalten, und Fasten (welche sich in die 3. gantze Wochen erstreckt hatte) den Himmel beunruhiget, hörte er von dannen eine Stimm, welche ihn von seiner unbescheidenen Bitt abzustehen vermahnt, und sagte: was bemühest du dich so vil, dem Eulogio Reichthum zu erlangen? es wäre nicht für ihn: dann er wurde samt der Armuth auch sein Gewissen, Tugend und Vollkommenheit verliehren. Höre also auf schädliche Ding für ihn zubegehren. Allein der Einsidler, so allbereit von seinem unzeitigen Eyfer verblendet war, damit er sein Begehren erhielte, antwortete, und sagte: er wisse das Widerspiel. Eulogius seye in der Vollkommenheit schon so weit kommen, daß er sich der Reichthumen nicht mißbrauche; sondern vilmehr denen armen Betrangten reichlicher beyzuspringen bedienen wurde: er wolle sein Leib und Seel für ihn verpfänden.
Hierauf hat GOtt diese des Einsidlers gar zu vermessene Frechheit abzustraffen zugelassen, daß Eulogius in kurtzer Zeit sehr reich, und ein grosser Herr worden; weilen er bald darauf, als er ungefehr in die Erden grube, einen grossen Schatz gefunden. Da hätte einer billich sagen können, daß dieser arme Steinmetz, indem er den Schatz aus der Erden gegraben, zugleich alle seine Frommkeit und Tugend darein vergraben habe; weilen er alsobald ein anderes Leben angestellt. Dann der zuvor in grosser Armuth unter währender rauher und strenger Arbeit das Lob GOttes unabläßlich, wie ein Distel-Vogel unter den Dörneren[254] gesungen, fienge nunmehr an, unter diesem goldenen Last zu seuftzen, angsthaft, verdrüßig, argwöhnisch und kranck zu werden. So vergasse er auch seiner gewöhnlichen Andacht; der Armen, und seiner selbst: indem er den gantzen Tag anders nichts, als sein Gold zählete, und von einer Kisten in die andere trug. Und weilen er in seinem Flecken gar zu wohl bekannt war, und also seinen Stand schwärlich änderen konte, begabe er sich in der Stille nach Constantinopel (so dazumahl die Haupt- und Residentz-Stadt des morgenländischen Kayserthums war) allwo sich unterschiedliche Völcker befanden; damit er desto freyer sein Vorhaben in das Werck stellen möchte. Er fienge an sich stattlich zu kleiden; höflich und sittlich zu werden; mit vornehmen Herren Kundschaft zu machen; den kayserlichen Hof zu betretten; sich unter den Soldaten des kayserlichen Leib-Regiments in den Waffen zu üben: und weilen er Geld vollauf hatte, gewanne er dardurch ihre Gunst dergestalt, daß er in wenig Jahren die Stell des Obersten in dem kayserlichen Leib-Regiment erlangt hatte. Also war dieser arme Steinmetz, der in seinem Haus kaum ein Katz ernähren konte in kurtzer Zeit ein Obrister über die Haupt-Wacht des Kaysers Justini erkläret worden. In diesem Stand gedachte er an den vorigen anderst nicht, als solchen zu vertuschen; noch an die vorige Freundschaft, als selbige zu vermeyden. Er kennete weder GOtt, noch die Menschen mehr, als zu seinem Nutzen und Diensten. Er prangte durch die Constantinopolitanische Gassen, wie ein irrdischer Gott. Seyden und Sammet waren ihm zu schlecht, wann sie nicht mit Gold schwer verbrämet waren. Seine Händ glantzten von Edel-Gestein: und welcher vorher mit harter Mühe kaum so vil zu sammen zu bringen vermöcht, daß er ihm ein Stemm-Eisen konte schmieden lassen, deme seynd anjetzo die silberne und goldene Geschirr zu schlecht, seinen Speichel darein zu werffen. Das Betten war ihm ein Creutz; das Fasten ein Marter; die Kirchen-Gebräuch ein Greuel. Dieser üble Stand kame her aus täglichem, köstlichem, überflüßigem Essen und Trincken; aus unmäßigen Kurtzweilen, und unreiner Liebe. Je schlechter sein Herkommen, und Stamm-Haus ware, je prächtiger und scheinbarer zeigte er sich: wie gewöhnlich zu thun pflegen diejenige, welche aus einem Ochsen- oder Geiß-Stall; oder gar unter einem Banck herfür gezogen zu hohen Aemtern und Ehren erhebt werden.
Indeme sich Eulogius in allerhand Wollüsten, als wie ein Schwein in dem Koth, herum wältzet, erschiene dem Einsidler (der da nicht wußte, wo sein Steinmetz hinkommen) ein erschröckliches Gesicht, durch welches er behend für den göttlichen Richterstuhl gezogen ward. Die höllische Geister hatten ihn mit ihren feurigen Hacken, und glüenden Ketten gantz umgeben. [255] Der strenge Richter sasse in Herrlichkeit auf einem Thron: zeigte ihm mit einem sauren Anblick einen Menschen, der in Rosen vergraben, und von den schnöden Wollüsten gantz verzehrt ware, und sprach: Ist das die Sorg, so du über deines Bruders Seel getragen? Hierauf wendete er sich zu den grausamen Gerichts-Dienern, und sagte: schlagt darauf, und verschonet diesem Widersprecher nicht. Der arme, und vor Schröcken halb todte Einsidler, erkennte alsobald, daß dieser verlohrne Mensch sein Eulogius wäre deme er also ungestüm die Reichthum erbetten, deren er sich aber allbereit mißbraucht hätte: warfe sich demnach vor dem Richter nieder; begehrte mit bitteren Zähern, er wolle mit seinem gerechten Urtheil eine Zeitlang einhalten; dann er kein Mühe noch Arbeit sparen wolle, damit er diesen armen Menschen auf den rechten Weeg bringe: Worauf das Gesicht verschwunden; er aber machte sich geschwind auf, und suchte seinen Steinmetz an dem Ort, da er von ihm zur Herberg aufgenommen worden; aber umsonst: weilen er allda Bericht bekommen, was gestalten er sich allbereit an dem Kayserlichen Hof zu Constantinopel in grösten Ehren und Glück aufhielte. Dieser Bericht bestättigte das Gesicht, so er kurtz vorher gesehen: eilete demnach der Kayserlichen Haupt-Stadt zu, allwo er wahr zu seyn befunden, was er von ihm vernommen hatte; indem er sahe, mit was Herrlichkeit er täglich Ihro Kayserlichen Majestät aufwartete; wie er mit allerhand Geschäften beladen denen Eitel- und Ergötzlichkeiten ohne Maaß ergeben ware; also, daß er einen gantzen Monat täglich um Audientz angehalten; solche aber niemahl erlangen können. Endlich begabe es sich aus sonderbarer Schickung GOttes, daß er solche in seinem innersten Zimmer, ohne Anwesen einiger Person erhalten. Alsobald gab er sich zu erkennen; erinnerte ihn seines Herkommens, seines Handwercks, seiner erlittenen Armuth; zeigte ihm an, was gestalten er ihm durch sein Gebett diese Reichthum und Ehren-Stand, in welchem er sich anjetzo befinde, von GOtt erhalten; verwise ihm behertzt sein grosse Undanckbarkeit, und Untreu gegen GOtt; ermahnte ihn ernstlich zur Buß und Besserung des Lebens, und entdeckte ihm die augenscheinliche Gefahr in welcher er stecke.
Eulogio war dieses eine seltsame Predig; als welcher lieber das Rauschen der sammeten und seidenen Kleider; den Klang lieblicher Saitenspiel, die grosse und höfliche Ehren-Titul hörte, als die Tadlung seines schlechten Herkommens. Fiele also dem Einsidler in die Red, überfuhre ihn mit harten Worten, und stiesse ihn mit grossem Unwillen für die Thür hinaus; fragte die Wacht: was sie für einen Narren bis in sein innerstes Zimmer passiren lassen? darob die Wacht ergrimmet, den armen Einsidler dermassen abgeprügelt, daß er weder gehen, noch stehen mehr konte. Endlich kroche er mit blutigem Kopf, und [256] wohl gesalbtem Rucken davon; und bathe GOtt inbrünstig mit vielen Zähern, er wolle Eulogium der Reichthum und Ehren-Aemter entsetzen, und an deren statt wiederum mit Armuth, Arbeit und Verachtung beladen; weilen kein anders Mittel, als dieses mehr übrig seye, ihne zu seiner selbst Erkanntnuß zu bringen. Er wurde auch von GOtt erhört; weilen der Kayser Justinus in kurtzer Zeit mit Tod abgangen; Justinianus aber, sein Nachkömmling eine andere Leibwacht bestellt, und Eulogium seines Diensts entlassen; welches dann in ihme einen Widerwillen gegen ermeltem Kayser erwecket; der auch ein Ursach seines ferneren Untergangs gewesen ist: indem sich in wenig Tagen ein grosse Aufruhr wider den neuen Kayser in der Stadt erhebte, als wolte sich das gantze Orientalische Reich samt der Hauptstadt unter über sich kehren.
Die Ursach war diese: zwey der vornehmsten Herren masseten sich des Reichs an; und zwar deswegen: weil ihnen von dem verstorbenen Kayser Justino kein genugsames Vergnügen wegen ausständigen Schulden geschehen. Sie zogen nicht wenig vornehme Herren an sich (unter welchen sich Eulogius auch befande) und erbitterten das gemeine Volck wider Justinianum, unter diesem Vorwand: Er bringe ungewöhnliche Aufklagen auf; er werbe aller Orten Soldaten; fülle die Stadt mit Wehr und Waffen, wie auch aufrührischen Völckern an, unter dem Schein, die Stadt zu beschützen; in der That aber selbige auszuplündern, mit Mord und Jammer anzufüllen. Allein der Kayser Justinianus kame dieser Aufruhr vor; liesse die Rädelführer gefangen nehmen, und um den Kopf kürtzer machen. Eulogius, so mit ihnen (wie vermeldet) unter der Decken lage, wolte dieses Tractament nicht erwarten; machte sich bey Zeiten aus der Stadt; brachte nichts, als sein boshaftige Haut davon, da unterdessen all sein Vermögen in die Kayserliche Schatz-Cammer gezogen worden. Der arme Tropf wußte nichts mehr zu beissen, noch zu nagen; ergriffe widerum sein Stemm-Eisen; verkroche sich in ein unbekanntes Ort, damit seine Sünd und Laster nicht weiter bekannt wurden; hebte mithin an, mit seinem Handwerck das tägliche Brod wiederum zu verdienen, und sein ärgerliches Leben durch Buß-Werck zu verbesseren.
Unterdessen richtet es die göttliche Vorsichtigkeit so wunderbarlich, daß der Einsidler Daniel abermahl über Feld reisete, und ungefähr seinen bekannten Steinmetz antraffe; der ihn anjetzo viel demüthiger, als zu Constantinopel empfienge, und anhörte. Zu diesem sagte der Einsidler: Was ist das? mein Eulogi! hat die Comödi ein End? hast du die Faßnacht-Kleider abgelegt? Auf dieses antwortete Eulogius aller schamroth: Er bekenne seine Schuld, und grosse Undanckbarkeit gegen GOtt, dessen Gutthaten er höchlich mißbrauchet hätte; und dafern er wiederum [257] für ihn betten wolte, solle er doch nicht begehren, daß er wieder nach Hof, allwo er sein Unschuld verlohren, kommen möge; sondern allein, daß er nicht so hart mit der Armuth ringen müsse: er wolle solcher Gutthat sein Lebtag nicht mehr vergessen. Der Einsidler antwortete ihm: Mein Freund! du wirst mich ferner nicht mehr betrügen: deine Thorheiten haben mich kluger gemacht, als ich zuvor ware. Obwohlen die Armuth beschwerlich ist, so ist sie dir doch zu deiner Seelen Heyl sehr nothwendig. Derohalben seye mit dem Stand, in welchem du gebohren, zu frieden, und begehre keine Reichthum mehr; als welche dir zu keinem anderen Ziel und End dienen, als dich in das zeitliche und ewige Verderben zu stürtzen.
Caussinus in seiner heiligen Hofhaltung dritten Theil, ersten Buch, 10. Capitel.
Wie kommt da auf den Buchstaben heraus, was der Apostel sagt. 1. Tim. 6. Die da reich wollen werden, fallen in Versuchung, und in den Strick des Teufels, und in viel unnütze und schädliche Begierden, die den Menschen ins Verderben, und in die Verdammnuß sencken! darum sollen sich die Armen nicht beklagen; sondern mit ihrem Stand, in welchen sie von GOtt gesetzt worden, zu frieden seyn; in Bedencken, daß sie mit der Armuth sicherer in den Himmel kommen; da hingegen die Reiche in grosser Gefahr stehen, wann sie die Reichthum (wie gemeiniglich geschehen pflegt) mißbrauchen: dann Gut macht Ubermuth.
Buchempfehlung
Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.
386 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro