[332] An dem selbigen Tag, und in selbiger Stund, als der Heil. Hieronymus mit Tod abgangen, befande sich bey nächtlicher Weil der Heil. Augustinus gantz allein in seinem Studier-Zimmer, allwo er in aller Stille zu Gemüth führte, wie groß auch die Glory und Freud der Auserwählten in dem Himmel seyn müsse. Dann er hatte im Sinn, ein Buch davon zu schreiben. Weilen er aber gewohnt war, in schweren Sachen den Heil. Hieronymus, als einen in göttlicher Wissenschaft sehr gelehrten, und erfahrnen Mann, Raths zu fragen (dann also machen es auch die gelehrtiste Leut, wann sie demüthig seynd; wie der H. Augustinus war) und darüber seine Gedancken zu vernehmen: so setzte er sich an sein Schreib-Tischlein nider; nahme die Feder in die Hand, und fienge an ein Send-Schreiben an gedachten Heil. Hieronymus aufzusetzen. Er hatte aber kaum die erste Linie geschrieben, siehe! da eröfnete sich gähling die Thür des Zimmers; und es kame hinein ein ungemein-helles Liecht, dergleichen Augustinus sein Lebtag niemahl gesehen. So wurde auch zu gleich das Zimmer mit einem so lieblichen und angenehmen Geruch erfüllet, daß es mit Worten nicht auszusprechen. Ueber diese unverhofte Begebenheit erstaunete Augustinus dergestalten, daß ihm darüber die Kräften am Leib und Gemüth vergiengen. Dann er wußte nicht, daß GOtt zu eben dieser Stund seinen Diener Hieronymus durch den Tod aus dieser Welt zu sich abgefordert hatte. Indem er nun das vor sich stehende ungemein-helle Liecht mit höchster Verwunderung anschauete, und gantz begierig erwartete, wo es dann herkomme, und was es bedeuten wolle; da hörte er aus selbigem eine Stimm, die sich also verlauten liesse: Augustine! mit was vor Gedancken gehest du um? was für ein Buch willst du zusammen schreiben von der Glory, und Freud der Auserwählten in dem Himmel? vermeinst du, dasjenige in ein Buch hinein zu bringen, was kein Aug gesehen? kein Ohr gehört? und kein menschlicher Verstand in dem sterblichen Leib hat fassen können, was GOtt denen hat zubereitet, die ihn lieben? Höre nur auf; dann du unterfangest dich einer unmöglichen Sach. Ehender wird sich das weite und fast unermeßliche Meer in ein kleines Grüblein (welches doch unmöglich) lassen ausschöpfen, und einschrencken, als daß du nur den mendisten Theil jener Glory und Freud, deren die Auserwählte im Himmel genüssen, mit [333] der Feder wirst beschreiben können. Auf Erden wirst du nicht finden, was allein im Himmel anzutreffen ist. Befleisse dich viel mehr durch ein heiliges Leben zu verdienen, was auf dich im Himmel wartet. Dieses ausgeredt, verschwande das Liecht, und liesse Augustinum vertieft in seiner Erstaunung. Dieser aber, nachdem er sich wiederum erholet, erkennte bald, daß dieses Liecht die Seel des Heil. Hieronymi müsse geweßt seyn; als welche ihren sterblichen Leib verlassen; und nunmehr der himmlischen Glory und Freud genosse. Wie dann Augustinus bald darauf von dem seligen Ableiben des Heil. Hieronymi schriftlich berichtet worden. S. Aug. l. 22. de Civit. DEI.
Wie recht sagt gedachter Heil. Augustinus von der Glückseligkeit, welche GOtt denjenigen, so ihn lieben, vorbereitet hat: daß man sie zwar erlangen; aber nicht aussprechen könne! so gar übersteigt sie allen so wohl englischen, als menschlichen Verstand. Mit was hitzigen Begierden soll man dann nach dieser Glückseligkeit trachten? lise, lise, Christliche Jugend! folgendes Lob-Gesang: und du wirst erfahren, was es für Wünsch in deinem Hertzen erwecken können.
So gemacht hat Petrus Damiani, der Römischen Kirchen Cardinal, aus den Schriften, und Bücheren des Heiligen Augustini.
1.
O du Brunn des wahren Lebens,
Voller Lust, und Lieblichkeit!
O wie oft nach dir vergebens
Seufze ich in meinem Leib!
Ach! wann wird zu dir einst fahren
Meine Seel aus diesem Land?
Sie bisher in vielen Jahren
Bleibt in gar betrübtem Stand.
2.
Ach! daß möchten bald zerspringen
Die zustarcke Lebens-Bänd!
Daß die Seel hinauf möcht schwingen
Sich zu ihrem Zihl und End!
Ich gezwungen hie muß bleiben;
Gern wolt fahren hald hinauf.
Mein Begierden starck mich treiben,
Zu vollenden meinen Lauf.
3.
Kan nicht länger ausgeschlossen
Von demTrunck des Brunnen seyn,
Der von Anfang ausgegossen
Giebt nur lauter Freuden-Wein.
In der Höh ist er gegründet,
Und bauet ein solche Stadt,
Da nur Lieb und Freud sich findet,
Da man nichts zu förchten hat.
[334] 4.
Da die Mauren, und die Porten
Glantzen, wie der Sternen-Schein;
Da die Palläst aller Orten
Edle Stein, und Perlein seyn;
Da die Weeg, und alle Strassen
Nie von Regen werden naß;
Ja seynd über alle Massen
Glitzend, wie das Gulden-Glas.
5.
Nichts von Winter da man leidet,
Keine Wind zu schwere seyn;
Aller Schnee die Felder meidet,
Blitz und Donner halten ein;
Steter Frühling da sich zeiget,
Prangt mit seinen Garten-Schätz,
Gar kein Dorn da sich ereignet,
Alle Frucht bleibt unverletzt.
6.
Blumen seynd dort auserlesen,
Nichts veränderns ihren Stand,
Laub und Gras bleibt unverwesen,
Haltet immer grün das Land.
Balsam, Hönig häufig fliessen,
Und bereichen Berg und Thal;
Auch an Bäumen zu genüssen,
Hangen Früchten ohne Zahl.
7.
Nie zum Untergang da neiget
Sich der helle Sonnen-Schein;
Immer auch der Mond sich zeiget
Unverändert, voll und rein;
Auch die Sternen nicht mehr leiden,
Daß mans treib zur dunklen Wacht,
Von dem neuen Liecht nie scheiden,
Fliehen immerzu die Nacht.
8.
Gottes Lamm! bist d'Sonn, und Monde,
Du der G'stalt giebst allen Schein;
Von dir kommt die Freud und Wohne,
Alle durch dich selig seyn.
Deiner Freuden Glantz darneben
Wird durch dich den Sternen gleich:
O wie freut uns herrlich z'leben
Alle samt in deinem Reich!
9.
Mit den Palm- und Lorbeer-Zweigen
Zierlich tretten sie hervor,
Ihren Sieg darmit zu zeigen;
Du selbsten führst ihren Chor.
Groß Frolocken wird gehöret,
Weil gelegt ist aller Krieg:
Nichts die sichre Freud zerstöhret;
Ewig ihnen bleibt der Sieg.
10.
Nicht der Geist wird mehr verletzet
Durch des Fleischs Betrüglichkeit:
Dies sein Stachel nicht mehr wetzet
Zum gewohnten Seelen-Streit.
Seynd einander wohl gewogen,
Wunder-seltsam seynd verbaart;
Weil der Leib auch angezogen
Nunmehr hat der Seelen-Art.
11.
Solche Freud ist gleicher massen
Bey der Auserwählten Schaar:
Freuden-Fest auf allen Gassen
Alle halten immerdar;
Keinen thut der Neid verwunden,
Eins ist aller Glück und Ehr;
D'Lieb sie also hat verbunden,
Als wann nur ein Person da wär.
12.
Was GOtt einem hat gegeben,
Allen macht die Lieb gemein:
Was g'mein, ein jeder es eben
Hat, als wär es seyn allein:
Keiner kan da Spaltung leiden;
Dann es ist der Liebe Reich:
[335] Seynd die Cronen schon verscheiden,
Macht die Lieb doch alles gleich.
13.
Diese Lieb vom Geist entzündet,
Immer bleibt in ihrer Glut;
Dann in GOtt sie ist gegründet,
In der Lieb, und Höchstem Gut.
Aller Hertz in ein verleibet
Hat dein göttlich Gütigkeit;
Darum stets bey allen bleibet
Die gewünschte Einigkeit.
14.
Keine Plag sie wird berühren,
Nichts den Leib wird machen matt:
Ja gar nichts wird seyn zu spüren,
Was vom Tod nur Namen hat:
Alle in der Jugend blühen,
Und frolocken immerdar:
Keine Sorg sie kan bemühen,
Noch erwecken graue Haar.
15.
Was den Menschen je erfreuet,
Haben sie im Ueberfluß:
Was der Mensch hingegen scheuet,
Weit von ihnen bleiben muß:
Aus dem Brunn des Lebens fliesset
Alles Guts ohn Unterlaß,
Dessen Jedermann geniesset
Ohne Zihl, und ohne Maaß.
16.
Also frölich immer leben
Die so liebe GOttes Freund,
Gern sich aller Ding begeben;
Nur mit GOTT zu frieden seynd.
Speis und Tranck nach Wunsch sie haben;
Keiner Durst, noch Hunger leid;
GOtt mit seinen besten Gaaben
Sie erquickt in Ewigkeit.
17.
Frölich seynd sie, und thun klingen,
Geben ihrem GOtt die Ehr,
Auf das immerwährend Singen
Sie zu singen wünschen mehr;
Lieblich viele Instrumenten
Mit dem Singen stimmen ein,
Der süß Music-Spiel Regenten
GOttes liebe Freunde seynd.
18.
O wie grosses Gut wird geben
Denen, so aus dieser Welt
GOtt beruft zu jenem Leben,
Und den Englen zugesellt!
Da sie frölich immer sehen
Unter ihnen Sonn und Mond,
Da sie ewiglich bestehen,
Bey erlangter Ehren-Cron.
19.
Ach! zu welchen Freud und Ehren
Werden GOttes Freund erhebt!
All mein Wunsch und auch Begehren
Nur nach diesen Gütern strebt.
Alle Güter dieser Erden
Seynd doch lauter Eitelkeit;
Können nicht verglichen werden
Mit dem, was uns GOtt bereit.
20.
JEsu! wollest mir erwerben
Die so grosse Freud und Ehr;
Gern alsdann ich jetzt wollt sterben,
Und auf dein Begehren mehr.
Meine Seel hast du versöhnet
Mit dem liebsten Vatter dein.
Laß sie auch von dir gecrönet
Deines Reichs ein Mit-Erb seyn.
Amen.
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