[367] Nachdem der ehebrecherische Buhler, der Advocat seine eheliche Haus-Frau zu Nachts im Beth erdrosselt, damit er die Maziam, mit welcher er schon lange Zeit der ehebrecherischen Liebe gepflogen, heurathen möchte; er aber wegen solcher Mordthat, deren man ihn hat überzeugen können, eingezogen, und nach gefälltem Urtheil lebendig geviertheilt worden; da besorgte die Mazia, es därfte ihr auch nicht viel besser ergehen: alldieweilen sie geschehen lassen, daß der Advocat zwey von ihren leiblichen Söhnen durch verwegene Kerls, die er heimlich mit Geld bestochen, hinterlistiger Weis um das Leben gebracht. Nachdem sie nun vernommen, daß diese ihre Händel der Obrigkeit verrathen worden, und ihr deswegen starck nachgefragt, und nachgesetzt werde, packte sie bey nächtlicher Weil ihr Geld und köstlichere Sachen ein; und machte alles in ein Felleisen zusammen. Darauf aller ihrer Haus-Leuten unvermerckt, macht sie sich noch bey finsterem Himmel in aller Stille davon, was giebst, was hast. Allein indem sie sich schon auf den Weeg begeben, gedachte sie: Wo jetzt hinaus? in Savoyen werd ich kümmerlich sicher seyn, und ein bleibende Stadt haben; man möchte mich in mein Heimat zuruck lieferen. In solchem zweifelhaften Anstand kam ihr endlich für, was oft anderen Reisenden begegnet, die im Weegscheiden nicht wissen, wo hinaus, und welche Seiten sie erwählen sollen. Es stehet aber etwann ein Marter-Saul am Anfang des Scheidweegs mit einer höltzenen geschnitzelten Hand, welche auf den besseren und tribneren Weeg deutet. Also waren von dem Ort, wo sich die flüchtige Mazia befande, zweyerley Fußtrieb. Der einte zur lincken Hand gienge nach Genf, einer ertzcalvinischen Stadt, in welcher sie vielleicht einen sicheren Unterschlauf hätte finden mögen, wann sie die Catholische Religion wurde abgeschworen haben. Der andere Fußtrieb gienge nach Genua ins Welschland; allda sie aber der Landssprach nicht wurde erfahren seyn, als welche gantz welsch ist. Wie nun dem, so hat ihr GOtt innerlich in ihrem Gemüth [367] gedeutet auf die rechte Seiten, und gegen Genua zu, damit sie alldorten für ihr sündliches Leben ernstliche Buß solte würcken. Und sie hat auch dem innerlichen Antrieb gefolget, indem sie durch hertzliche Reu in sich selber gieng, und durch eine rechtgeschaffene Beicht aus ihrem elenden Seelen-Stand heraus kroche. Hat sich demnach aufgemacht, und sich um einen fremden, und ihr vor diesem gantz unbekannten Diener umgesehen, der ihren Plunder nachtruge um das Geld und Besoldung, die sie ihm versprochen hatte. Diese zwey zogen also auf Genua zu; zu denen sich ohne Zweifel auch der dritte, nemlich der Satan, wird geschlagen haben: also zwar, daß der Diener der Maziä Felleisen truge; die Mazia den überaus grossen Last ihrer so viel hundert oder tausend Lasteren; der Satan aber das über die massen schwere Schulden-Buch ihrer begangenen Missethathen. Diese aber hat sich nicht lassen abwendig machen, ob sie gleichwohl zum öfteren bey ihr selbsten ohne Zweifel gedachte, daß sie tausend Tod verdient hätte, und viel Ursachen zu verzweiflen. Doch munterte sie sich auf: und vielleicht mit diesen Worten, deren sich ein jeder Sünder, der Buß thun will, bedienen kan: Es wäre kein Wunder, wann ich mich selbst zu tod kümmerte, wann ich nicht wußte, daß GOtt barmhertzig, und überbarmhertzig seye, als welcher nicht begehrt den Tod des Sünders; sondern, daß er sich bekehre und ewig lebe: Bey welchem das Chananäische Weib; der offene Sünder Zachäus, die Stadt- und Landverschreyte Magdalena; Manasses der gottlose König; Maria aus Egypten, die Welt-Verführerin, und andere viel tausend Gnad und Verzeihung erlangt haben. Ach! (schrie sie auf) lasse mich auch eine aus diesen seyn.
Als sie aber nach Genua kommen, und alldort niemand kennte, noch auch von jemand erkannt wurde, wer sie wäre (bis erst nach ihrem Tod) hat sie sich alldorten in eine ums Geld gedingte Herberg begeben; und bald die Kirchen, ja auch den Beichtstuhl, und einen tauglichen Beichtvatter gefunden, der ihrer Sprach erfahren ware. Allda hat sie ihren Sünden-Last abgelegt, und sich dem Bußstand, und andächtigem Kirchen-Besuchen eifrigst ergeben. Damit sie aber forthin ihr Lebtag immer mehr und mehr zu büssen hätte, hat GOtt verhänget, daß dald darauf zur Straf ihrer grossen Unthaten auch ihres Dieners Diebs-Finger erfolgten. Dann, als sie eines Tags sich in die Kirchen verfügte, dem GOttes-Dienst und Bereuung ihres vorigen bösen Lebens abzuwarten, hat sich dieser hinter ihr Geld und Schatz gemacht. Alles bis auf den letzten Heller entzwackt, und sich damit aus dem Staub gemacht, so weit, daß ihn bis auf den heutigen Tag noch niemand hat erfragen können. Waren also der Maziä alle ihre Lebens-Mittel dergestalten entzogen, daß sie sich forthin von dem Bettel hat [368] ernähren müssen. Und, damit sie, als an einem fremden Ort, denen Leuten nicht gar zu beschwerlich wäre, hat sie (O harter Streich für eine vor diesem so vermögliche Frau!) denen Burgeren zu Genua angefangen um den Lohn zu arbeiten, mit Spinnen, Nähen, Waschen, und Holtztragen. Welches sie alles für ihrer Sünden Abbüssung gethan, und GOtt aufgeopfert hat. So weit war es mit ihrem Adel kommen! bis sie letztlich (so viel bewußt) in grosser und beharrlicher Bußfertigkeit eines natürlichen Tods, wiewohl in gröstem zeitlichen Elend, verschieden ist.
Bisselius S.J. in cit. Libello.