Vier und neunzigstes Exempel.

Ein Verstorbener wird auf Mariä Vorbitt wiederum lebendig, damit er seine bey Lebs-Zeiten begangene Sünden besser untersuchen, und mit wahrer Reu und Leid beichten möge.

[407] Ein edler Indianer hatte vor seinem Hinscheiden aus dieser Welt zwar bey Zeiten seine Sünden gebeichtet; über selbige aber nur obenhin eine Reu und Leid erweckt. Was geschieht? nachdem er verschieden, wird er wiederum lebendig, und richtet sich auf, mit grossem Schröcken derjenigen, so um ihn herum stunden. Gleich darauf ruft er, man solle eilends lassen einen Beicht-Vatter kommen: dann er nicht länger, als drey Täg noch leben werde. Unter andern sagte er: wie daß er in Gegenwart der Mutter GOttes, und seinem Heil. Schutz-Engel vor dem Richter-Stuhl Christi gestanden, und von dem bösen Feind hart seye angeklagt worden; auf die Vorbitt Mariä aber (dero Verehrung er bey Lebs-Zeiten vermuthlich beygethan gewesen) seyen ihm drey Täg vergonnet worden, sein Gewissen durch fleissigere Nachforschung, und aus gantzem Hertzen erweckter Reu und Leid zu reinigen. Welches er auch gethan; indem er seine Beicht auf ein neues, nach vorher mit grossem Fleiß angestellter Untersuchung unter häufigen Zäheren abgelegt hat. Als ihn nachgehends seine Lands-Leut (die Indianer) gefragt, ob der Glauben, so ihnen die von Ihro Päbstlichen Heiligkeit zugeschickte Priester verkündigten, der wahre und allein seligmachende Glauben seye? antwortete er: in allweg seye dieser der wahre Glauben. Allein, wann die Christen nicht darnach leben, wie es selbiger ausweise, werden alle zu den höllischen Peinen verurtheilt werden. Darum ermahne er sie, die kostbare Zeit wohl in Acht zu nehmen, und wann sie selbige unnutzlich hätten lassen fürbey streichen, mit guten Wercken wiederum einzubringen. Den dritten Tag darauf liesse er sich in eine Kirch, so den Namen von unser lieben Frauen hatte, tragen, allwo er nach empfangener heiliger Communion, als der letzten Weegzehrung auf die gefährliche Reise in die Ewigkeit, unter hertzlichen Seufzer zu GOtt, und seiner werthesten Mutter seinen Geist auf ein neues aufgegeben.

[407] Conveldt S.J. apud Nadasi in Eremo divini amoris. n. 209.


Es ist freylich bald gebeichtet, aber mit was Fleiß man sich vorher darzu bereitet; und ob die Reu und Leid recht von Hertzen gangen, da ist die Frag. O da muß man nicht schlauderisch seyn; sondern gedencken, das seye ein Geschäft, woran die ewige Seligkeit hanget.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 407-408.
Lizenz:
Kategorien: