[793] Mercurius. GOtt grüsse euch Petre. St. Peter. Was bringst du da für eine dürrbeinige, ausgedörrte Larven her? Mercurius. Das ist ein verschlagener Spitz-Kopf, ein durchtriebenes Hirn. St. Peter. Wer ist er dann? wie heißt er? Mercurius. Er heißt Johann Calvinus, der jüngsthin zu Genf an der Laussucht gestorben. Luther. Ja, das ist ein sauberer Vetter; das ist der rechte Sacrament-Schwärmer, Heiliger Peter! es ist ein Ehrloser, nichtswerthiger Ertz-Ketzer. Wann ich solcher Haaren wäre, wolte ich wohl an den Himmel nicht gedencken. St. Peter. Ich kenne den Vogel schon an den Federn Calvinus. Wohlan Petre! mach mir die Thür auf, daß ich in Himmel gehe. St. Peter. Ey, wie so herrisch! man wischt nicht also in den Himmel herein, wie ein Pfeiffer in das Wirthshaus: es gehört mehr darzu. Calvinus. Mach auf, mach auf, ich muß alsobald hinein: geschwind. St. Peter. Wie geschwind dann kommst hinein? gelt so geschwind, als ein Kuhe in ein Mauß-Loch schlieft. Calvinus. Mache nicht viel Wort: ich gehöre in den [793] Himmel, und muß gleich hinein. St. Peter. Wahrhaftig, heut wird nichts daraus. So gedunckt mich auch nicht, daß du hinein gehörest. Dann Todschläger, Ehebrecher, Bubenschänder, und Unzüchtige, etc. werden das Reich GOttes nicht besitzen. Siehe! was hier ob der Himmels-Thür mit goldenen Buchstaben geschrieben steht: nichts Beflecktes und Unsauberes wird hinein gehen; du aber bist auf allen Seiten mit Sünden befleckt, ja ein lauterer Unrath. Calvinus. Das hindert alles nichts: kein Sünd kan mich aus dem Himmel ausschliessen. Mercurius. Das muß mir ein Kuhe lachen. Calvinus. Ich kan so wenig der Seeligkeit beraubt werden, als Christus JEsus selblt. St. Peter. O gottslästerliche Zung! was sagst du? Calvinus. Ich bin ja zum ewigen Leben auserwählt und prädestinirt. St. Peter. Ja wohl prädestinirt. Da inwendig hinter der Thür ist ein Buch, darinn alle Namen der Prädestinirten eingeschrieben; deinen Namen aber, wie wohl ichs tausendmahl durch und durch gelesen, hab ich noch nie gefunden. Calvinus. Ich hab ja vestiglich geglaubt, daß ich zur Seeligkeit prädestinirt seye. St. Peter. Hast du es geglaubt, so hast du gefehlet, und hast geglaubt wie die Ketzer zu glauben pflegen. Und mein! wie hast du es glauben können? was man glaubt, das muß von GOtt geoffenbahrt seyn. Wo hat aber GOtt geoffenbahrt, daß Johann Calvinus prädestinirt seye? weiter: so hat mein lieber Mit-Apostel Paulus zu den Römern am 8. geschrieben: daß, welche GOtt prädestinirt hat, die hab er beruffen, daß sie gleichförmig wurden der Bildnuß seines eingebohrnen Sohns. Du aber, wo hast du dich jemahlen dieser Gleichförmigkeit beflissen? siehe! ob du nicht dem Belzebub gleicher, als Christo gewesen seyest. Christus war demüthig, sanftmüthig, und ein Spiegel aller Tugenden: du aber warest hoffärtig, rachgierig, grausam, mit allerhand Laster behaft und verschreyt. Dein Cammerad, Martin Luther weißt von deinen gebührenden Titlen aufzuschneiden. Luther. Nein, ich wußte schier nicht, ob ich ihn eigentlich tituliren könte. Das, was man von einem Knaben-Schänder, Wüterich, Mörder, Ketzer-Bruth, und gantz verzweifelten Menschen sagen kan, ist alles zu gering für ihn. Calvinus. Siehe da! der großkopfige Maul-Christ, der dickbauchige Weinzapf, der tolle Bier-Schlauch will an mir armen Tropfen zum Ritter werden. Mercurius. Ey! was für ein feines paar Männer ist das! die könte man in einer Pfeffer-Mühle zerreiben, und dem Teufel in sein Toback-Büchslein schütten: wie wurde er davon niessen! wie solte es krachen! St. Peter. Höre Mercuri! führe diese zween Gesellen geschwind zu dem höllischen Schifmann Charon, und sage ihm, er solle sie über den höllischen Fluß Cocytum führen; damit sie diesseits keine schlimme Händel mehr anspinnen, jenseits aber den höllischen Richtern überantwortet werden. Luther. Ach heiliger Petre! verschone zum wenigst meiner. Lasse mich um[794] GOttes willen in den Himmel; ich will gern im hintersten Winckel hinter der Thür sitzen, und Maus-still seyn, und keinem kein Leyd thun. St. Peter. Nein, es soll keiner aus euch herein kommen: es seynd gar viel Päbst im Himmel, welche ihr ärger, als den Teufel hasset. Ihr köntet euch mit ihnen nicht vertragen. So gibt es auch gar viel junge Nonnen, und schöne Jungfrauen hierinn. Ich wußte nicht, ob ihr euch enthalen wurdet. Iht waret auf Erden disfalls so gar schlipferig, daß euch auch im Himmel nicht wohl zu trauen wäre. Calvinus. Ey heiliger Petre! was sagst du? wir wolten uns besseren, St. Peter. Ja wohl besseren, wie ein alter Wolf. Der verändert zwar die Haar, behaltet aber seine Haut allzeit. Letztlich leydet man im Himmel keinen Haß noch Zorn. Dann auf dem schönsten Haupt-Platz im Himmel, allwo die Heilige alle Tag zusammen kommen, stehet mit grossen Buchstaben geschrieben: Kein Haß oder Groll, sondern lauter Liebe seye im Himmel, als welcher da ist das Reich der Ruhe, des Friedens, der Einigkeit: Ihr aber seyd wie zween bissige Ketten Hund: bald murret ihr, bald bellet ihr, bald beisset ihr einander: es ist ein ewiger Zwispalt unter euch. Deswegen trollet euch geschwind in die Höll hinab: da möget ihr kratzen und beissen, nagen, zancken und haderen, so lang ihr wolt, in alle Ewigkeit. Calvinus. Ist dann keine Hofnung übrig, in die ewige Freud zu kommen? St. Peter. Nein, kurtz zu sagen: Es ist kein Hofnung übrig. Und damit ihr es augenscheinlich erfahret, so frage ich euch: Habt ihr die Gebott GOttes gehalten? Luther. Nein: sie seynd unmöglich zu halten. So wenig, als ich einen Haasen erlauffen werde mit meinem dicken Bauch, so wenig kan man die Gebott halten. St. Peter. Wohlan. Aus deiner eigenen Bekanntnuß, und aus dem Mund Christi urtheile ich dich, du böser Knecht. Christus sagt Matth. 19. Wer meine Gebott nicht haltet, der kan zum Leben nicht eingehen. Das seynd die Wort Christi. Ihr aber habt die Gebott GOttes nicht gehalten. Ergò, so könnet ihr ins Leben nicht eingehen. Calvinus. O wehe! dieser Schluß ist böß. St. Peter. Aber wahrhaftig, und gerecht! Item frage ich euch: Habt ihr auch gute Werck gethan? Calvinus. Nein; dann unsere Werck seynd lauter Todsünden. Luther. Es war mit unserem Thun verlohren wir verdienen nichts als Zorn. St. Peter. Wohlan: Wer lauter böse und Zornswürdige Werck begehet, der wird ins ewige Feur geworfen werden, Joh. 15. Ihr aber habt, euerer Aussag nach, lauter böse und Zorns-verdiente Werck gethan. So werdet ihr in das ewige Feur gestürtzt werden. Calvinus. Das müßte wohl der Teufel seyn. Mercur. Ja, nicht viel besser. St. Peter. Mercuri! führe sie hin, wohin sie gehören. Calvinus. Ach gnädigster Himmels-Portner! daß du diesen schmeerbäuchigen Bachus mit seinem grossen Kappis-Kopf zur Höllen hinab schickest, da thust du nichts, als billiges; in Bedencken, daß er aus lauter Unsinnigkeit,[795] und aberwitzigen Grollen wider den Pabst seine Ketzerey auf die Bahn gebracht, und das arme Völcklein verfürt hat: ich aber habe meine Sachen viel gelimpfiger angegriffen; hab meine Erneuerung viel spitziger gedrähet, und also artig auf die Schraufen gesetzt, daß mancher Doctor zu thun gehabt, bis er nur auf die Haut kommen. Hoffe also, ich werde noch Gnad finden; absonderlich, weil ich mich theur und hoch verschwöre, daß ich nach Möglichkeit mich danckbar gegen dir einstellen wolle. Wann es dir beliebig, will ich dir an der Porten aufwarten: und wann du vielleicht anderwärths beschäftiget wärest, will ich unterdessen die Himmels-Schlüssel in Verwahr nehmen. St. Peter. Ja freylich: das hiesse der Katz den Speck vertrauen. Nein, ich traue dir nicht. Du möchtest deine spitzköpfige Calvinisten von Genf, und aus Franckreich herein lassen. Das gebe hernach unfehlbar böse Händel. Luther. So nehme dann mich auf zu einem Diener. Als ein guter Teutscher will ich dir mit teutscher Redlichkeit aufwarten, und die Schlüssel verwahren. St. Peter. Nein, nein: ich müßte förchten, du liessest den Teufel selbst herein: weil du sowohl mit ihm bekannt bist, und so viel Saltz-Fässer mit ihm ausgeessen. Ich traue nicht: es ist ein Vogel wie der ander: der Diebs-Hencker wird euch bald rupfen. Mercuri! führe sie hurtig fort. Mercur. Soll ich sie dann ohne Unterscheid fortschleppen? Einen, als wie den anderen? St. Peter. Ja, ja: es ist keiner um ein Haar besser, als der andere. Jedoch weil Calvinus etwas spitzfindiger in der Schelmerey geweßt ist, so giebe ihm das Privilegium, daß er auf einer alten Gurren reuten därfe; Luther aber, der nur plump darein platzet, solle zu Fuß gehen. Nur also fort mit euch.
Buchempfehlung
In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.
38 Seiten, 3.80 Euro