Vier und fünftzigste Begebenheit.

Der Weiber Fürwitz wird auf eine artige Weis zu Schanden gemacht.

[602] Ein vornehmer Fürst hatte auf ein Zeit ein stattliches Panquet angestellet. Als nun unter demselben allerhand curieuse Discurs vorgefallen, kame man unter anderen auch auf den Fürwitz der Weibern zu reden. Da dann ein vornehmer von Adel sich unterstunde zu sagen, es seye heut zu Tags der Weiberen Fürwitz um alle Ding zu wissen, so groß, daß wann sie vor Zeiten wären im Paradeys gewesen, sie nicht allein einen Apfel von dem verbottenen Baum verkostet; sonderen gar alle und jede Aepfel desselben Baums wurden aufgezehret haben. Weil nun etliche adeliche Damen, die bey diesem Panquet zugegen waren, diese Red sehr übel aufnahmen (wie er dann solches ihme vorher schon wohl eingebildet hatte) als sagte er weiters, um seine Wort zu bestättigen: villeicht wurde man dessen, aus einer ungefähr ereignenden Begebeit eine augenscheinliche Prob sehen, ehe man von der Tafel wurde aufgestanden seyn. Er saumte sich also nicht lang, sondern stunde von der Tafel auf, als wann er sonst etwas zu verrichten hätte; befahle seinem Diener, dem Koch anzudeuten, daß er eine zierliche Pastetten zubereiten, und so geschwind, als es immer möglich seyn wurde, auf die Tafel bringen, jedoch vorher ein lebendiges Vögelein darein verschliessen solte. Was geschiehet? der Koch verrichtete aufs fleißigste, was ihme war anbefohlen worden. Die Pastetten wurde auf die Tafel gesetzt, jedermann verwunderte sich über des Kochs künstliche Hand; und wußte doch niemand (ausser dem Fürsten, und etlich wenig Anderer, so davon Wissenschaft haben müßten) was darin verborgen wäre. Indem nun die Pastetten eige gute Weil von den Gästen, insonderheit aber von denen Weibs Personen mit fürwitzigen Augen betrachtet worden, waren diese nicht zufrieden, an selbiger allein die Augen zu weiden; sondern verlangten auch zu wissen, was doch vor eine Speis darinn verschlossen wäre. Es [602] gienge aber die Sach gäntzlich nach Wunsch des Edelmanns, und wurde allen, so mit dem Trantschieren beschäftiget waren, ernstlich gebotten, daß keiner aus ihnen die Pastetten aufschneiden solte, ob es gleich die Damen begehren wurden. Weil dann niemand sich darzu wolte gebrauchen lassen; die Weibs-Personen aber starck darum anhielten, als könnten sie sich länger nicht enthalten, sondern machten sich insgesamt über die Pastetten her, um selbige zu zerschneiden, und zu sehen, was doch immer gutes zu essen darinn verborgen wäre. Es war aber kaum der Deckel eröfnet, und abgehebt, da floge das darinn verborgene Vögelein heraus, und davon. Wie solches der Fürst, und andere Hof-Leut gesehen, entstunde in dem gantzen Saal ein überlautes Gelächter. Und weil sich die fürwitzige Damen durch diesen List nicht wenig confundirt, und beschamt sahen, als erfreuete sich der Edelmann hierüber am allermeisten, dieweil er das weibliche Geschlecht wegen ihrer Curiosität, und Fürwitz zu so bequemer Zeit überwisen und convincirt hatte. Adamus Webber Can. Reg. in Arte bene discurrendi.


Es mögen sich jetzt die Weiber so schön machen, als sie wollen, so können sie es doch nicht laugnen, daß sie den Fürwitz von der Eva im Paradeyß ererbet haben. Dieser folgen sie gäntzlich nach. Sie wollen um alles wissen, es mag sie hernach angehen, oder nicht. Ist aber eine Gattung des Unverstands. Darum lautet das Sprüchwort: Weiber tragen lange Röck, und haben kurtzen Sinn. Wie besser wäre es, wann sie ihnen liessen gesagt seyn den Spruch des Heil. Vatters Chrysostomi. Nicht alles wissen wollen (absonderlich was unnütze Ding seynd) ist die gröste Weisheit.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 602-603.
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