Vorrede.

Eltern und Kindern zu Lieb und zum Nutzen ist gegenwärtiges Exempel-Buch zusammen getragen worden. Es ist gar zu wohl bekannt, daß zumahlen denen Kindern nichts angenehmers ist, als wann sie ein Exempel, Historie oder Begebenheit entweder hören, oder selbst ablesen können. Wann man dabey nur allein auf einen Zeitvertreib gesehen hätte, so wäre das Unternehmen vielleicht mehr zu tadelen, als zu billigen und zu loben: Da man aber in der Wahl der Exempel und Begebenheiten alle Vorsicht gebraucht, und nur die auserlesenste und merckwürdigste angeführet, und dabey hauptsächlich und vorzüglich auf den Nutzen, und die Besserung der Sitten gesehen, und deswegen jedesmal zu Ende eines Exempels oder einer Begebenheit einen kurtzen Spruch und eindringende Lehre beygefüget; so ist um so weniger an dem daraus zumal für die Kinder zu entspringenden Vortheil zu zweifeln, da man das gegründete Zutrauen zu den Eltern hat, sie werden an sich nichts ermangeln lassen, daß sie ihre Kinder aufmuntern, dem Exempel frommer Kinder und anderer tugendhafter Personen nachzufolgen, an denen von Ungerathenen und Lasterhaften aber ein Abscheuen zu bekommen. Gleichwie aber Eltern mit Anschaffung dieses Buchs ihren Kindern eine Freude machen; so können sie auch bey und durch den rechten Gebrauch desselben frömmere Kinder bekommen, welches ihnen ja selbst eine Freude seyn muß; worzu noch kommt, daß sie alles dessen, was sie ihre Kinder gutes lehren, selbsten theilhaftig werden. Wie trostreich ist aber dieses! nicht zu gedencken, wasgestalten GOtt ihnen ihre Kinder als Liebes-Pfänder anvertraut habe, für welche sie dereinstens Rechenschaft werden geben müssen. Woraus sich der Schluß von selbsten ergibt, wie sehr und eifrig sich die Eltern angelegen seyn lassen sollen, ihren Kindern in allem den Vorschub zu thun, wodurch sie in der Frömmigkeit zunehmen können.

Und da zumalen zum Heil der Seelen ungemein beförderlich ist, wann man Mariam die jungfräuliche Mutter GOttes andächtig und beständig verehret; so sind auch hievon auserlesene Begebenheiten zur Marianischen Andacht eingeschaltet worden. Elteren sollen hiebey ihren Kindern jene Verheissungs-Worte Prov. 8. c. einschärfen: Wer mich findet, der wird das Leben finden; nemlich das Leben der Gnad, und der himmlischen Glory. Darum lehren die heilige Vätter insgemein, daß diejenige, welche Mariam andächtig und beständig verehren, neben dem Dienst GOttes und frommen Leben auch ihrem Dienst zugethan seynd, ein glaubwürdiges Zeichen an sich haben, daß sie von GOtt zur ewigen Seligkeit verordnet seyen. Wie trostreich muß nun den Eltern fallen, wann sie bey ihnen selbst also gedencken: Mein Kind (oder meine Kinder) können durch Ablesung dieser Begebenheiten zur Marianischen Andacht aufgemuntert werden; und mithin ein glaubwürdiges Zeichen erlangen, daß sie von GOtt zur ewigen Seligkeit verordnet seyen! mein GOtt zur ewigen Seligkeit verordnet seyen! mein GOtt was für ein Gluck ist diese für sie, und zugleich für mich, wann ich ihnen dieses Buch verschaffe! kan ich nicht billig hoffen, die Mutter GOttes werde mir in Ansehung der Sorg, die ich hab, daß meine Kinder zu ihrer andächtigen Verehrung bey Zeiten aufgemuntert werden, durch ihre mächtige Fürbitt verhilflich seyn, samt ihnen die ewige Seligkeit zu erlagen? O da laßt mich ihre gewöhnliche Güte daran nicht zweiflen, dann wo ist jemal erhört worden, daß man zu ihrer Andacht und Verehrung etwas umsonst beygetragen? werd ich vielleicht der erste seyn? es seye fern von mir, daß ich so niederige Gedancken von ihr haben sollte. Soll nicht dieser Trost allein die Eltern kräftigst antreiben, sich die Frömmigkeit, gute Zucht und Einpflantzung der Marianischen Andacht in die Hertzen ihrer Kinder bestermassen lassen angelegen seyn.

Daß aber auch lehrreiche Fabeln und curieuse Begebenheiten in diesem Exempel-Buch angetroffen werden, muß ich etliche Ursachen anführen. Erstlich kan man nicht immerdar mit Lesen geistlicher Sachen beschäftiget seyn: dann alles hat seine Zeit, wie der weise Salomon sagt Eccl. 3. Es ist eine Zeit zu weinen, und eine Zeit zu lachen. eine Zeit, die man ernstlichen Sachen wiedme; und wiederum eine Zeit, zu welcher man sich erlustige, und mithin das abgemattete Gemüth wiederum erfrische, damit es sich hernach desto lieber zu den vorigen Geschäften bequeme.

Zweytens, welches auch die hauptsächlichere Ursache ist, wird niemand in Abred stehen, daß die Jugend fürwitzig seye; und aber wegen verderbter Natur allezeit lieber erzählen höre, was schädlich, als was nutzlich ist, gemäß deme, was GOtt selbsten sagt Gen. c. 8. Der Sinn, und die Gedancken des menschlichen Hertzens seynd zu dem Bösen geneigt von seiner Jugend auf. Demnach wann ein Buch handlet von Liebs Händlen, (als da seynd die sogenannte Romans) wann darinn erzählt werden unzüchtige Possen; O wie begierig ist die Jugend darnach! wie schädlich ist ihr aber ein solches Buch? Wie manche unschuldige Seel ist schon dardurch verführt worden wo nicht gleich im Anfang, wenigst mit heranruckenden Jahren? Dann da melden sich nachgehends wiederum an jene Bildnussen, und Gestalten der Liebs-Händlen, unzüchtiger Possen, so man vor diesem gelesen, und mithin in der Gedächtnuß zuruck geblieben: mit diesen aber wird die Einbildungs-Kraft angefüllt, die Sinnlichkeit bewegt, das Gemüth angefochten, und gleichsam angeflammet; also daß man jetzt erst lernet, was man vor diesem nicht besorget hat. Mithin suchet man durch die theils lehrreiche Fabeln, theils curieuse Begebenheiten den Schaden der Kinder der ihnen aus dem Lesen der Liebs-Büchern erwachsen könte, zu verhindern und abzuwenden.

Uebrigens müssen die Eltern nicht glauben, daß dieses Exempel-Buch nur für die Kinder geschrieben worden. Nein; es finden die Elteren für sich darinnen viel nutzliches, lehrreiches und erbauliches, z.E. sie werden Sachen antreffen, über welche sie manche gute Gedancken machen können, mit Verwunderung, jetzt über GOttes Barmhertzigkeit; jetzt über seine Gerechtigkeit und allerhand Zulassungen: sie werden finden, was sie zur Christlichen Starckmüthigkeit wieder aufmuntern können; sie werden ferner aus den zarten Begebenheiten, die sich aus GOttes wunderbarlicher Schickung mit Clotilde und Boetio zugetragen, lernen, wie sie sich darein schicken müssen, wann sie etwann mit einer Trübsal von GOTT heimgesucht werden. Dann da werden sie mit Verwunderung eine heroische Ergebung in den göttlichen Willen, und eine ungemeine Starckmüthigkeit ersehen. Daß also auch auf ihrer Seiten der Nutzen nicht ausbleiben wird, weil man sich auch hier beflissen hat, über das noch eine nutzliche Lehr heraus zu ziehen, jenem gemäß, was der Poet Horatius so weislich als zierlich gesungen:


Wo Lust und Nutz, sich finden ein,

Da wird der Zweck getroffen seyn.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757.
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