41.
Reichardus ladet den herren zů gast, zů welchem er den jüngling verdingen wolt, gibt ihm auch alle schwebende sach zwischen dem jüngling und seiner tochter zů verston.

[231] Innerthalb diser zeit, als die beiden jüngling spatzieren gangen waren, hat sich Reichart zů Francisco, dem reichen goldschmidt, verfüget, in freundtlich angesprochen; bald habend sie die alt kundtschafft ernewert. Reichart hatt in fleissig gebetten, uff den imbis sein gast in der herberg zů sein. Des ihm Franciscus gern zů willen worden ist, yedoch mit dem geding das er auff den abend bey im zů gast in seinem haus sein wolt; er solt auch mit im bringen, wer im lieb were. Also wurden sie entlich der sachen zůfriden, giengend mit einander zůr herberg.

Underwegen aber fieng Reichardus an mit Francisco zů sprachen von wegen des jünglings und sagt: ›Francisce, mein lieber vertrawter fründ, die langwirig und gůt geselschafft, so wir lang zůsamen gehabt und noch haben wöllen, ist nit von nöten fast zů melden; dann wir zů baiden theilen deren gnůgsam erfaren sind. Nun hab ich uff das güt verdrawen, so ich zů euch hab, einen schönen unnd wolerzognen jüngling mit mir herbracht, so zům theil etwas uff der goldarbeit erfaren ist, zůdem ein gantz gehorsamer jüngling, wie du dann selb an im erfaren solt. Sein vatter ist mir nit anderst, dann wer er mein brůder; so stond unser heuser zů rhür an einander, also das wir aus unsern heusern thüren zůsammen gebrochen haben, damit wir alle stund bei einander sein mögend. Es habend auch unsere weiber nit minder liebe zůsamen dann wir; wo eine kranck würt, so hat die ander gar wenig rhů,[231] sie sei dann stetigs bey ir. Demselbigen jüngling hab ich mein liebste unnd einige tochter versprochen zů rechter ehe. Damit er aber in der hispanischen und italianischen sprach erfaren werd, hat seinem vatter und mir gefallen, ihn in Brabant ein zeitlang zů erhalten. Dieweil wir aber den jüngling gern nach dem basten versehen wolten, habe ich im kein besseren herren in Antdorff wissen zů bekumen dann eben dich, meinen lieben und gůten fründ. Darumb ist mein dienstlich bitt und begeren, wöllest mich alter gůter freundtschafft geniessen lassen und mich diser meiner bitt geweren. Forder für den kosten, was du nůr wilt, allein das ich den jüngling waiss versorgt sein!‹

Daruff antwurt Franciscus: ›O Reicharde, mein alter gůter brůder und freundt, die schiffart, so du har gethon, wol erspart hettest; so du dem jüngling nůr ein kleine geschrifft an mich geben, wolt ich dir gleich sowol inn solchem fal zů willen worden sein, den jüngling als meinen eygenen sůn auffgenumen haben. Fürwar mich belanget den jüngling zů sehen.‹ Reichardus spricht: ›Jetzund gond wir inn die herberg, da werden wir in gewisslich finden.‹

Also sind sie in die herberg gangen, da hand sie Lasarum und Ferdinandum funden in früntlichem gesprech bey einander sitzen, von alter kundtschafft, so sie in ihr jugent, als sie noch kinder gewesen, mit einander gehabt, reden. Alsbald aber sie die beiden herren kumen sahen, sind sie auffgestanden, ire paret abgezogen und sie mit züchtiger reverentz empfangen. Reichardus sagt: ›Lasare, mein lieber sůn und fründ, hie magstu sehen den herren, zů welchem ich dich ein zeitlang verschaffet hat, so es dir anderst wolgelegen sein will in Brabant zů bleiben. Wo aber dein gefallen wer wider inn Portugal zů schiffen, wöllend wir aber weg finden, wie der sach zů thůn seye.‹

Lasarus, wiewol er lieber gewölt hett in Portugal zů faren, zog ihn doch die scham so fast hinder sich, das er sagt: ›Ach mein herr und vatter, was würden meine ältern sagen, wann ich so unverschampt wider haim kumen solt, dieweil ich mich euch allen gar bewilliget hab nach ewerem gefallen zů leben! Was für ein spötlich geschrey würd über mich gehn in gantzer statt Lisabona, wann ich also gesunds[232] leibs on alle erlitne nodt wider zů haus kem! Das sol ferr von mir sein. Viel ehe wolt ich ein jar lenger hie bleiben, dann mir das ziel erstreckt ist. Ich hoff einen gůten herren zů haben, bey welchem ich etwas erkunden und erfaren mag. Sodann will ich im auch erlichen und trewen dienst beweisen; darzů sol mir got, mein schöpffer, hilflich sein.‹ Also geantwurt liess Lasarus sein red bleiben.

Was grossen wolgefallens Richart ab der antwurt des jünglings empfieng, nit gnůgsam beschriben werden mag. Franciscus, der reich goldschmidt, nam auch die antwurt des jünglings mit freuden an unnd gedacht: ›Diser jüngling hat nit ein geringen verstandt inn ihm.‹

In dem waren jetzund die taflen berait, und sasse yederman und mit grosser stille und andacht dem allmechtigen gott lob und danck gesagt unnd mit zucht die speis und dranck genossen. Ob dem essen wurden mancherhand reden getriben von kauffmanschafft und ander gattung, davon nit von nöten zů schreiben ist. Nachdem nůn der imbis vollendet ward, sind sie mit freuden auffgestanden, ein yeder seinen geschefften nachgegangen. Franciscus, der reich goldschmidt, als ein weltweiser mann hett ob dem imbis gar eben wargenumen, das Lasarus mit dem Ferdinando schon in kundtschafft kummen gewesen, hatt sich des gantz hertzlichen erfrewet, dieweil er wol abnemen und verston kundt, das Ferdinand ein gar hohen verstand hette; zůdem was er auch von den andren kaufleuten seines thůns bericht worden, darumb er dann fast wol sehen mocht, das Lasarus sich zů ihm gesellet.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 231-233.
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