42.

Von einem grossen marterhanssen, wie er in einen gerner oder beinhauß gefallen ist.

[50] Man findt noch auf disen heütigen tag semlich groß marterhanssen und eysenbeisser, thůnd dergleichen, als wolten sy allen menschen in einem streich die oren abschlagen, so gar böß sind sy; solt aber einer deß nachts über einen kirchhoff gon, er sůcht ehe ein fiertelmeil wegs umb. Also was auch einmal ein federschwinger, der trůg den hůt voller straußfederen, aber ein hasenbalg zů einem brusttůch. Auff ein zeit waß er auß einem speckkrieg wider zů land kummen; wo er[50] zů leüten kam, sagt er von grawsammen schwertschlegen, so er vollbracht hatt; seins blůtvergiessens was kein end zů erzellen. Das war aber meines bedunckens fast über hüner, gens und enten außgangen.

Eines tags saß er in seer grossem bracht bey seinen gesellen in einer zech, fieng aber von grossen streichen an zů sagen; zůletst wurden sy den bossen mercken, namens zů einem dant auff. Under anderen reden trůg sich zů, daß sy anfiengen zů sagen von einem alten abgestorbnen weib, wölche erst auf denselbigen abent gestorben, und hett man sy auß mangel des tags denselbigen abent nit vergraben könden; so hetten sy auch ir hausvolck die nacht nitt im hauß behalten wöllen unnd also auff den kirchhoff getragen, in einer bar in das beinhauß gestelt, damit sy den künfftigen tag vergraben wurd. Nun was ir aller weg, wann sy auß dem wirtzhauß heimgon wolten, hatten sy keinen anderen weg dann über den kirchhof; darumb sy einandern fast mitt dem alten abgestorbenen weib speyen wurden. Der gůt kriegßmann unnd maurenbrecher hett gewölt, er wer zehen meil wegs von dannen gewesen; dann im war seer angst vor dem alten abgestorbnen weib, die doch in irem leben gar kümmerlich an einem stecken kriechen mocht unnd im nit einen finger hett mögen biegen. Die anderen gůten gesellen marckten diß an im; darumb triben sy ir gefert ye lenger ye meer für sich, biß dem gůten lantzknecht anhůb die stirnen zů schwitzen, dorfft sich aber scham halben gar nit eygen noch dergleichen thůn. Zůletsten kam es dahin, das die anderen anfiengen zů wetten, wölcher so kün wer unnd zům ersten sunder ein liecht auff den kirchhoff gon dörft unnd besehen, ob das liecht oder ampel noch im beinhaus brunne. Dann die sachen waren allein dahin gespilt, daß sy wolten sehen, was hinder dem genßköpffer für ein mannlich gemüt wer. Zůletst kam die wettung auch an in. Er ward gar zornig, stůnd auff von dem tisch, mocht die grausammen wort nit hören, er zalt die ürten, nam seinen mantell unnd gieng heim zů hauß.

Nun wußt er keinen anderen weg heimzůkummen, dann er můst über den kirchhoff gon, sunst hett er durch einen tieffen bach müssen watten. Also faßt er im eines mannes[51] hertz, unnd mit zittern unnd grossem schrecken gieng er auff den kirchhoff. Und als er nahend zů dem beinhauß kumpt, wand er seinen mantel umb den kopff, stieß die finger in die oren, sorgt, er wurd daß alt weib hören schreyen, wölch in irem leben alters halben stumm gewesen war. Er gieng mit gantz schnellen tritten für sich, damit er bald von dem kirchhoff keme. Als er aber nicht sehen kund vor seinem mantel und meinet, ferr von dem beinhauß zů gon, so gadt er gantz dargegen unnd trift die stegen, falt also mit schwärem fal hinab ein hohe steinene stieg sunder alle hilff. Nun was ein gestiel in dem beinhauß; darinn fiel er gantz ungestůmicklichen unnd brach ein bein darinn ab; so hatt er auch den kopff unnd angesicht übel auf der stegen zerfallen. Er fieng an, gar jemmerlichen zů schreien; da waß aber niemants, so im helffen wolt, dann in mocht niemans hören. Zůletst umbgab in semtliche forcht, angst und schrecken, das im das schreyen auch gelag; er hůb aber gar schwerlich an zů seüfftzen und heülen.

Als nun seine gesellen genůg gezecht, sind sy auch zů hauß gangen. Als sy nun zů dem beinhauß kamen, horten sy den armen tropffen ernstlich seüfftzen; sy aber meinten nit anders, daß das alt weib wer wider zů ir selbs kummen. Unnd dieweyl sy ein liecht hatten, giengen sy hinab, funden also iren gesellen mitt zerbrochnen beinen im gestül ligen. Sy trůgen in bald in eines artzetts hauß, liessen in verbinden. Da erzalt er sein geschicht nach der lenge. Also můßten sy lachen zů seinem grossen schaden, so im dann widerfaren und zůhanden gangen was, und můßt, wie man gmeinklich sagt, den spott zům schaden haben.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 50-52.
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