54.

Ein würt zů Ingelstatt bracht mit listen ein ketten von einem jungen edellmann.

[72] Ich hab von einem gůten gsellen gehört, wölcher bey und mit gewesen, daß ein junger edelmann zů Ingelstatt ein gält by einem würt verzert hatt; dann er griff die sach nur bey dem dicksten an, hielt vil pancketen und gasteryen. Als nun die summa seer groß ward, fieng dem gůten würt an angst zů werden, gedacht im mangerley, wie er radt finden möcht, damit er bezalt wurd.

In den dingen begab es sich, das des jungen edelmanns vatter, wölcher ein ritter was, nach seinem sun schicket, er solt onverzogenlich heimkummen. Do fieng dem würt erst an die katz den rucken auffzůlauffen; er wußt nit, wie er seinen sachen thůn wolt. Zůletst gedacht er im: ›Wolan, ich můß ein anders für die handt nemmen, ob ich doch mit listen zůr bezalung kummen möcht.‹ Er richt ein gůt bancket zů und sagt zů dem edelmann: ›Juncker, ich verstand, wie das ir heimreyten wöllen. Nun müssend wir uns dennocht zůvor mit einandern letzen und einen gůten můt haben.‹ Diß gefiel dem edelmann fast wol und sagt: ›Ja, mein herr würt, wölcher malzeit můß aber semlichs geschehen, damitt ich auch andren gůten gsellen, so mir lieb sind, darzů verkünden mag.‹ Der würt sagt: ›Juncker, zům nachtmal bin ich seer wol gerüst. Darumb mögt ir wol gůt gesellen mitbringen; so wend wir gantz leichtsinnig sein.‹ In summa, die sach ward also abgeredt.

Der würt befalh allem seinem gesind, sobald man zů tisch kem, solten sy nur nit faul sein mit einschencken; so was der bescheid auch geben, das sy den besten und sterckisten wein, so er im keller hett, aufftragen solten. Das geschach nach allem seinem (des wirts) befelch und anschlag. Dann bald es umb die zeit ward, das man zů tisch saß, trůg man auff nach der schwäre; da hůb sich ein groß fressen unnd sauffen an; der würt aber lüff stetz von unnd zů dem tisch, damit man auff sein fürnemmen nit achten, dest weniger arckwon haben möcht; er schirt auch dapffer zů, damit dem jungen edelmann[73] kein mangel an trincken gelassen wurd. Nun hatt der jung ein schöne guldine ketten am hals hangen, die was zum wenigsten in die dryhundert gulden wert. Als nun der wirt marckt, das der jung gantz wol bedruncken was, sagt er zů im: ›Juncker, wie mögt ir doch ein gantzen tag so schwer am hals tragen?‹ Der juncker sagt: ›Wie so?‹ Spricht der würt: ›Mich beschwert den gantzen tag das hembd und wammes am leib, deßglichen mein hůt auff dem kopf; ich gschweig, das ich ein gantzen tag solt ein sölliche ketten an mir tragen.‹ – ›Sie aber,‹ sagt der jung, ›beschwert mich gar nichts. Ich wolt, es kern einer und schandet mir noch eine zů deren, ich trüg sie darzů, ja wann sy noch so schwer sein solt.‹ Der würt sagt: ›Ich möcht doch wol wüssen, wie einem wer, der ein semliche ketten trüg.‹ Der edelmann was nit unbehend, hanckt dem würt die ketten an den hals; der schlam aber gieng nicht dest weniger für sich. Der würt lüff von und zů, wie er dann vormals auch gethon hatt; auff die letst aber verlor er sich gar unnd legt sich schlaffen, acht nit, wer die ürten macht. Als nun das sauffen biß über die zeit weret, bliben ettlich in der stuben auff den bencken ligen. Die sorg was schon by inn allen dahin; der edelmann dacht nit mer an seine ketten.

Als es morndis tag ward, saß mein gůter würt auff sein roß, reit dahin, nam kein abscheid von seinen gesten. Nit lang darnach stůnd der edelmann auff unnd meint hinwegzůreiten, fragt oft, wann der würt auffston wolt, das er im seine ketten geb, dann er můßt reitten. Zůletst sagt im der stalknecht, der würt wer des morgens frü darvon; so wüßt er nit anderst, dann er wer ins Elses nach wein geritten. Der gůt jung ward der sachen nit gar wol zůfriden, wartet, biß die wirtin auffkam, die sagt im gleich semliche bscheidt. Was solt er thůn? Er můst hinweg auff seines vatters schreyben; so kond im die würtin gar nichts von seiner ketten sagen; also fůr er gantz traurig darvon.

Über ettlich zeit schreib er dem würt umb sein ketten; der würt schreib umb sein gelt. Als es aber lang umbher gieng, můßt er im sein gelt schicken, da hielt im der würt sein ketten auch nit mer vor.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 72-74.
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