Zům gütigen leser.

[4] Es ist von alter har, freündtlicher und gütiger leser, ein sprichwort under vilen gewesen, wenn man etwan schampere und schandtliche wort geredt, hat man gesagt: ›Stilla mutz, diß gehört auff den rollwagen oder ins schiff!‹, welches meines bedunckens nit seer wol gesprochen gewesen, dieweil sich zů vil malen zůtregt, daß züchtige, erbare weiber, ja auch jungfrauwen auff wagen oder zů schiff faren, deren man gar wenig verschonen thůt. Dann man findt solche růchlose leüt, wenn sy beyweilen schon abgestöubt werden, sagen sy: ›Hey, sy haben doch schůch oder stifel an; sy verstonds nit!‹, faren also mit iren schandtlichen groben zotten für, wenig dencken an die wort Christi Mathei 18: ›Wer aber ergert diser geringsten einen, so an mich glauben, dem wer besser, das im ein mülstein an seinen halß gehenckt wer und wurd in die tieffe deß meers versenckt.‹ Und weiter spricht er: ›Es můß ja ergernuß kommen; aber wee dem menschen, durch welchen ergernuß kumpt.‹

Nun ist ye sömlichs ein sondere grosse ergernuß, wo man vor züchtigen personen sömliche, unnütze wort übet. Dieweil[4] man aber an solchen orten sich dannocht auch mit kurtzweiligem gesprech ergetzen můß, hab ich euwer aller gunst und liebe allhie ein kurtzweiligs büchlin für augen gestellt, in welchem ir nit wenig kurtzweilig und schimpfliche schwenck vernemmen werden, in welchen sich niemants ergeren wirt. Bitt hiemit euwer gunst und lieb, wos sich zůtrüg, daß etwan einer oder eine getroffen, wöllen ewer farb im angsicht nit verstellen; sunst werden ir von menigklichem in argwon verdacht und wurd man sagen: ›Wenn man under die hund wirfft, schreit keiner, dann welcher getroffen wirt.‹ Bewar dich gott, freündtlicher leser.


Dein allzeit williger Jörg Wickramm.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 3, Tübingen 1903, S. 4-5.
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