[110] Flügel-Adjutant von der Kron mit einigen Hofherre zu den Vorigen.
VON DER KRON.
Majestät!
ANTHUSA für sich.
Wie? Majestät!
Ich, – ich wies zurück den König!
KÖNIG.
Sucht ihr mich?[110]
VON DER KRON.
Um Euch zu melden:
Artemisia, die Fürstin,
Ist mit ihren Amazonen
Eingetroffen. Schon zum Feste
Rüsten sich die Unsern alle.
Röter wird das Gold des Abends.
Reiche Purpurdecken wallen,
Wo im Westen Erd und Himmel
Sich berühren, und es zittert
Ambrahauch der Wiesenblumen
In der sonnenheißen Luft.
KÖNIG.
Gut, ich komme. Zwar der Fürstin ...
Doch das später.
Zu Anthusa.
Stolzes Mädchen!
Habe Dank! Du hast gefestigt
Meine königliche Seele.
Kameraden der Entsagung
Sind wir beide. Wenn bei Hofe
Jemals du erscheinst, so wisse:
Einen Freund gewannst du dir.
Fliegt fort mit von der Kron und dem Gefolge.
ANTHUSA allein.
O! ich dreimal Unglücksel'ge!
»Stolzes Mädchen« – wenn er wüßte![111]
»Kameraden der Entsagung« –
Nein! nein! zehnmal nein! Verzehrend
Feuer rinnt mir durch die Glieder.
Folgen will ich ihm und müßt ich ...
DUMMERCHENS STIMME.
Schwester! Schwesterlein! wo bist du?
ANTHUSA.
Das ist jenes Andern Stimme!
Was beginn ich? – Welche Frage!
Besser als ein frost'ger König
Ist ein bürgerliches Männchen,
Das mich liebt und mich begehrt.
Rufend.
Ich bin hier!
DUMMERCHEN atemlos heranstürmend.
Und ich nicht minder!
ANTHUSA.
Frei?
DUMMERCHEN.
Ja, dich zu frei'n, du Schöne.
ANTHUSA.
Wie entkamst du deinen Brüdern?
DUMMERCHEN.
Einer, der mir immer gut war,
Half zur Flucht mir. Aber schnell jetzt!
Weißt du eine kleine Hütte? ...[112]
ANTHUSA.
Jenes Tor, dem wir entschlüpften ...
DUMMERCHEN.
Dort im Moos? Ja, das ist gut
Beide in Umschlingung verschwinden in der angedeuteten Richtung.
ANDRAKIA herbeischwirrend.
He! Anthusa! Unsre Fürstin
Sendet mich; gleich sollst du kommen
Sich umsehend.
Wo nur mag die Tolle stecken?
Keine Spur von ihr? Wie? Triebe
Sie den Unsinn der Entsagung
Bis zur Rückkehr in die Tiefe?
Dort ist unser Ausschlupfpförtchen.
Sehn wir nach.
Wirft einen Blick hinein.
Du güt'ger Himmel!
Das ist ja –
Sieht nochmals hin.
Das ist infam!
Alle meine Glieder beben
Vor Entrüstung. Das ist schamlos!
Gleich muß ich's der Fürstin melden.
So sind diese Tugendprotzen!
Sieht nochmals hin.
Ist nun das Philosophie?
Fliegt fort.
Buchempfehlung
Noch in der Berufungsphase zum Schulrat veröffentlicht Stifter 1853 seine Sammlung von sechs Erzählungen »Bunte Steine«. In der berühmten Vorrede bekennt er, Dichtung sei für ihn nach der Religion das Höchste auf Erden. Das sanfte Gesetz des natürlichen Lebens schwebt über der idyllischen Welt seiner Erzählungen, in denen überraschende Gefahren und ausweglose Situationen lauern, denen nur durch das sittlich Notwendige zu entkommen ist.
230 Seiten, 9.60 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro