Prolog zur ersten Handlung

Auf Höhn und Tälern eine Frühlingsnacht!

Die erste nach den frosterstarrten Zeiten.

Der weiche Wind des Südens ist erwacht

Und seines Atems sanfte Wellen gleiten

Bis in der Erde dunkle Tiefen sacht

Zu dort verborgnen stillen Heimlichkeiten,

Die jener blaue Lichtstrom nicht erschließt,

Der von der Mondesinsel niederfließt.


Nicht ist die Tiefe nur des Todes Reich.

Auch Lebenskeime ruhn zu Millionen

In ihr. Aus Larven, blutlos, schwach und bleich,

Erstehen bald, gepanzert, Legionen,

Die jetzt noch, einem Volk von Schatten gleich,

In Höhlen dort, in finstern Kammern wohnen.

Schon ist Erlösungs-Ahnung zugesellt

Der unruhvoll bewegten kleinen Welt.
[3]

Laßt uns belauschen, was sie tun und sagen,

Jetzt, da des Maienmundes Gruß sie trifft.

Ein Auferstehungssarg mit Flügelschlagen

Ist jede Scholle nun der stillen Trift.

Die Erdgebornen faßt ein himmlisch Wagen;

In ihnen gärt das süße Lebensgift,

Das mit dem Rausch sehnsüchtiger Gedanken

Ins Weite sie verlockt aus engen Schranken.
[4]

Quelle:
Josef Victor Widmann: Maikäfer-Komödie. Frauenfeld [o.J.], S. 1-5,9-10.
Lizenz:
Kategorien: