[16] Ein auf Säulen ruhender Vorsaal.
ADMET allein.
Wo ist Sie, daß ich diese Freude
In ihren Busen schütte? Diese Wonne
Mit ihr empfinde? Dieses neue Leben
In ihren Armen doppelt wieder fühle?
Allmächt'ge Götter! welch ein Wunder rief
So plötzlich mich vom schwarzen Ufer
Des Styx zurück?
Wem dank ich dis Leben, wem dank ich die Wonne
Zum zweytenmale gebohren zu seyn?[16]
Mit welcher Wollust saugt, o alleserquickende Sonne,
Mein Auge deine Stralen ein!
Wohlthätige Götter! Euch dank ich die Wonne
Zum zweytenmale gebohren zu seyn!
Admet. Parthenia.
PARTHENIA.
Unglücklicher! du überlässest dich
Der Freude? – Wüßtest du –
ADMET.
Parthenia!
PARTHENIA.
Gott! wo werd' ich Worte finden
Das schreckliche Geheimniß –[17]
ADMET.
Welch ein Geheimniß? Schwester, deine Worte
Sind schreckend! Schreckender dein Blick!
O rede, rede!
PARTHENIA.
Beweinenswürdiger! – Alceste, deine Gattinn –
– Ich kann nicht reden – Sieh!
Das Zimmer der Alceste öffnet sich.
Alceste in einem Lehnstuhl schlummernd. Eine Kammerfrau kniet neben ihr; zwo andere stehen seitwärts, aufmerksam auf den Augenblick ihres Erwachens lauschend. Die Vorigen.
ADMET.
Alceste? – Götter! welch ein tödtender Gedanke[18]
Trift wie ein Donnerkeil in meine Seele!
Alceste –
PARTHENIA.
Stirbt – Du lebst – Nun weißst du Alles!
ADMET.
Weh mir! Sie stirbt? Sie stirbt, damit ich lebe?
O Lieb! o Tugend! – Du, für deren Werth
Die Sprache keinen Nahmen hat, Getreuste, Beste,
Geliebteste der Weiber! Höre, höre mich!
O! hebe deine Augen, siehe mich
Zu deinen Füssen –
ALCESTE erwacht. Sie betrachtet ihn etliche Augenblicke mit liebevollen Blicken, als ob sie sich seines[19] Daseyns versichern wolle, dann reicht sie ihm die Hand.
O! mein Admet, du lebst? Dank sey den Göttern!
Du lebst!
ADMET.
Für dich, für dich allein, Alceste!
Was könnte dieß Geschenk der Götter ohne dich
Mir helfen?
PARTHENIA.
Ach! Admet, zu theuer
Zu theuer mußt du es erkaufen!
ALCESTE.
Zu theuer, sagst du? – O Parthenia,
Du kennest nicht was eine liebende
Getreue Gattin fähig ist.[20]
Hätt' ich für sein schönes Leben
Tausend Leben hinzugeben,
O! mit Freuden gäb' ich sie.
ADMET.
Große Götter! welche Liebe!
PARTHENIA.
Welch ein Beyspiel reiner Triebe!
BEYDE.
Nein! Die Erde sah es nie!
ALCESTE.
Ohne dich, wie könnt' ich leben?
O Geliebter, sage, wie?
ADMET, PARTHENIA.
Bestes Weib! dein eignes Leben
Für den Gatten hinzugeben![21]
ALCESTE.
Hätt' ich tausend hinzugeben,
O mit Freuden gäb' ich sie!
ADMET.
Zu lang, Alceste, ließ ich dich
In einem Irthum, den mein Herz verabscheut.
Du, die ich mehr als diese Augen, mehr
Als meine Seele liebe, solltest sterben?
Für mich? Für mich? – Und dein Admet, der nur
Um deinetwillen noch zu athmen wünschte,
Er sollt' um diesen Preis sein Leben kaufen?
O glaub es nicht, Alceste! Halte nicht
Den Mann, der deiner Liebe würdig war,
Der schmählichen verhaßten Feigheit fähig!
ALCESTE.
Admet, ich kenne deine ganze Liebe.[22]
Hier fühl' ich sie; Mein eignes Herz ist mir
Für deines Bürge – Bester Mann, ich kenne
Die Güte deiner Seele. Groß und edelmüthig
Ist sie, – und dieß entscheidet unsern Streit.
Wie? Solltest du dich weigern können
Der, die du liebst, die Quaal, dich zu verliehren,
Die schrecklichste der Quaalen, abzunehmen?
Du bist ein Mann; ich nur ein schwaches
Muthloses Weib! – O sage nicht, Admet,
Du liebest mich, wenn du nur denken
Nur zweifeln kannst, daß ich
Dich überleben sollte.
ADMET.
Ihr hört sie, Götter! – Und ihr könntet sie
Mir rauben? Könntet soviel Tugend
Der Welt entziehen? Dieses holde, schöne
Liebathmende Geschöpf in seiner Blühte[23]
Dem Orkus opfern? – Nein,
Ihr seyd nicht Götter, oder
Ihr könnt es nicht!
ALCESTE.
O! mäßige dich, Admet!
Erzürne nicht die Mächte, die uns trennen!
Vielleicht daß die Geduld, womit wir ihrem Willen
Uns unterwerfen, ihre Strenge mildert.
Vielleicht erweicht sie – Doch, was hälf' es uns
Mit eitler Hoffnung unsern Schmerz zu täuschen?
Apollo hat gesprochen! – Mein Gemahl,
Geliebter, bester Mann! wie könnt ich schöner
Mein Leben als für dich verliehren?
Verliehren? Nein! wenn Du lebst, ist es nicht
Verlohren! Leb ich nicht in dir?[24]
ADMET.
Was kann ich sagen? Gott! was kann ich ihr
Erwiedern? – Schau' in meine Seele,
Geliebtes Weib! – Alceste, höre mich!
Um aller Götter willen, höre mich!
Du hoffst durch deinen Tod mein Leben zu erkaufen?
Vergebens hoffst du! – Deine Wohlthat ist
An mir verlohren. Fordre nichts
Unmögliches. Ich kann nicht, kann nicht
Dich überleben! Unsre Seelen hat
Die Liebe unauflöslich in einander
Verwebt, und ewig, ewig unzertrennbar
Vereinigt, sollen sie ins Land der Schatten gehen!
ALCESTE.
Er hört mich nicht – Parthenia, geh, und hole
Mir seine Kinder her.
Parthenia gehorcht.
[25]
ADMET.
Alceste, sey gerecht! Du, die so zärtlich liebt,
So edel denkt, o sey gerecht, Alceste!
Kannst du von mir verlangen, was
In meinen eignen, was in Aller Augen mich
Entehren müßte? – Nein, beym Himmel, Nein,
Ich will die Schmach nicht dulden,
Daß jeder, dem ein Herz im Busen schlägt,
Mit Fingern auf mich weise, sage:
Hier geht er, hier,
Der Feige, der sein Leben mehr
Als seine Ehre liebt; der fähig war
Mit seiner Gattinn sich vom Tode loszukaufen!
ALCESTE.
Und kann Admet vergessen, daß sein Leben
Nicht ihm, nicht seiner Gattinn zugehört?[26]
Hast du kein Volk, das dich anbetet? Hast
Du seine Thränen, seine Opfer, seine
Gelübde für dein Leben schon vergessen?
Vergessen, wie es schaarenweis mit bleichen
Gesichtern, mit empor um Hülfe
Gerungnen Armen deinen Vorhof füllte?
O! laß nicht, mit dem Gram dich ihrer Liebe
Unwerth zu sehn, Alcestens Geist beschämt
Vor deinen Vätern sich verbergen müssen!
ADMET.
Grausame! Höre auf mein Herz zu foltern!
Ich kann in dieser schrecklichsten der Stunden
Nicht denken, nichts als dich! Du, du,
Alceste,
Bist mir die ganze Welt! Verliehr ich dich,
So ist für mich kein Volk, kein Vaterland,
Kein Leben mehr –
[27]
Parthenia mit den Kindern, die Vorigen.
ALCESTE.
Auch keine Kinder,
Admet? – – –
Kommt, Kinder, laßt zum letztenmal
An diese Brust euch drücken. – Süsse, rührende
Geschöpfe! – Bald, o meine Kinder,
Sie umarmt sie.
Bald habt ihr keine Mutter mehr!
Admet, o sieh sie an,
Und wenn du jeden andern Nahmen, der dir heilig
Seyn soll, vergessen hast,
Kannst du vergessen, daß du Vater bist?
ADMET.
Unwiderstehlichs Weib! Wer kann dich hören,
Dich sehn, dich sterben sehn[28]
Und überleben wollen? – O! dir gab
Ein Gott es ein
Die Pfänder unsrer Liebe mir zu Hülfe
Zu rufen! – Siehe du sie an, Alceste!
Erbarm dich ihrer Unschuld, ihres zarten
Hülflosen Alters! Sieh
Wie sie bestürzt mit liebevoller Angst
Die kleinen Arme dir entgegenstrecken!
ALCESTE.
Geliebter! schone deiner sterbenden
Zu schwachen Gattinn! Kürze nicht durch deine
Grausame Zärtlichkeit die Augenblicke
Die uns die Parze schenkt!
ADMET.
O! meine Kinder,
Ihr fühlet nicht was ihr verliehrt –[29]
ALCESTE.
Ich fühl's für sie.
ADMET.
Und änderst nicht den schrecklichen Entschluß?
ALCESTE.
Wie kann ich? – Ach, Admet, die Todesgötter
Sind unerbittlich. Eines von uns beyden
Muß fallen! – O! um unsrer Liebe,
Um dieser armen
Unmündigen, um deiner Gattinn willen,
Laß mich, laß mich allein das Opfer seyn!
ADMET von Thränen erstickt.
Es ist zuviel![30]
ALCESTE.
Weine nicht, du meines Herzens
Abgott! Gönne mir im Scheiden
Noch die süßeste der Freuden,
Daß mein Tod dein Leben ist.
Ach! die Größe deines Schmerzens
Ist das Maas von meinem Leiden.
Mein Gemahl! O meine Kinder!
Glaubet nicht, ich fühle minder,
Weil mein Herz bey euerm Leiden
Seiner eignen Roth vergißt!
Weine nicht, du meines Herzens
Abgott! Gönne mir im Scheiden
Noch die süßeste der Freuden,
Daß mein Tod dein Leben ist.
[31] Alceste, durch diese letzte Anstrengung ihrer Kräfte erschöpft, fällt in eine Ohnmacht, aus welcher sie durch die Zückungen des Todes wieder erweckt wird. Die Kammerfrauen drücken ihren Jammer durch Gebehrden aus, und zeigen sich geschäfftig ihr beyzustehen. Admet liegt trostlos zu ihren Füßen; er streckt mit flehenden Gebehrden die Arme gen Himmel, bemüht sich Worte herauszubringen, aber vergebens. Parthenia führt die weinenden Kinder hinweg. Da sie zurückkömmt, findet sie ihre Schwester mit dem Tode ringend.
PARTHENIA.
Sie stirbt, o Gott, sie stirbt –
ADMET.
O! ist denn kein Erbarmen
Im Himmel mehr! –
ALCESTE.
O Sonnenlicht, o mütterliches Land,
O Schwester, o Gemahl! – Zum letztenmal[32]
Sieht euch Alceste – Drücke deinen Mund
An meinen Mund, Admet – ich sterbe – lebet wohl,
Geliebte – lebet –
Admet sinkt von Schmerzen betäubt zu Boden. Einige Bedienten bringen ihn hinweg. Die Kammerfrauen breiten einen weißen Schleyer über das Gesicht der erblaßten Königinn.
PARTHENIA.
O! dieser Schmerz zerreißt die Dämme der Geduld!
Sie stirbt, Ihr Götter!
Sie bringt den Schatten
Sich selbst zum Opfer
Von ihrer Pflicht!
Grausame Götter!
Ihr könnt es sehen?[33]
Und unsre Thränen,
Die Angst des Gatten,
Sein heißes Flehen,
Sein banges Stöhnen,
Es rührt euch nicht?
Da ist kein Retter!
Sie stirbt! Alceste!
Die treuste, beste!
Und o! ihr Götter,
Ihr rettet nicht!
Ende des zweyten Aufzugs.
[34]
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Alceste
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