[51] Der Vorsaal.
PARTHENIA allein.
Mit bangem Herzen, selbst des Trosts
Bedürftig den ich gebe, geh ich, meine Thränen
Admetens Thränen zu vermischen.
Dank sey den Göttern! Diese Linderung
Ist doch nicht länger ihm versagt.
Nicht mehr versunken in betäubende
Verzweiflung, hat sich an der Hand
Der Freundschaft seine Seele wieder aufgerichtet.
Er fühlt sich wieder selbst, kann weinen, findet Trost
In mitgeweinten schwesterlichen Zähren.
Sogar ein Sonnenblick von Hoffnung kämpft[51]
Aus seinem trüben Aug hervor, seitdem
Alkmenens Sohn, dem nichts unmöglich ist,
Ihn Hoffnung fassen hieß.
Allein zu bald verschlingt den ungewissen Stral
Des Grames düstre Wolke wieder.
Er sinkt zurück in seine vorige
Trostlose Kleinmuth. Ach! in diesem Zustand ists
Wo er der Freundschaft sanfte Hand am meisten
Vonnöthen hat. – O! ewig theurer Schatten
Wie kann ich besser meine Liebe dir beweisen,
Als wenn ich was Du liebst erhalten helfe?
O! der ist nicht vom Schicksal ganz verlassen,
Dem in der Noth ein Freund
Zum Trost erscheint:
[52]
Ein Freund, der willig ist
Die Thränen die er weint
In seinen Busen aufzufassen,
Der seiner Selbst vergißt
Und mit ihm weint.
O! der ist nicht vom Schicksal ganz verlassen,
Dem in der Noth ein Freund
Zum Trost erscheint!
Sie geht ab.
Der Schauplatz verwandelt sich in das Zimmer des Admet.
ADMET allein.
O Jugendzeit, o goldne Wonnetage
Der Liebe, schöner Frühling meines Lebens,
Wo bist du hin? – Ists möglich, bin ich der
Der einst so glücklich war? So glücklich einst,
Und itzt so elend! Ohne Grenzen elend,[53]
Wenn nicht die Hoffnung bald, Alceste, dir
Zu folgen meine Quaal erträglich machte.
Wo bist du? – Irrst du schon, geliebter Schatten,
Um Lethe's Ufer? – Ah! Ich seh sie gehn!
In traur'ger Majestät geht sie allein
Am dämmernden Gestad; ihr weichen schüchtern
Die kleinern Seelen aus, sehn mit Erstaunen
Die Heldinn an. – Der schwarze Nachen stößt
Ans Ufer, nimmt sie ein – Der Schleyer weht
Um ihren Nacken – O! nach wem, Geliebte,
Unglückliche, nach wem siehst du so zärtlich
Dich um? – Ich folge dir, ich komme! –
Weh mir! Schon hat das Ufer gegenüber
Sie aufgenommen! Liebreich drängen sich
Die Schatten um sie her; sie bieten ihr[54]
Aus Lethens Fluth gefüllte Schaalen an.
O! hüte dich, Geliebte! Koste nicht
Von ihrem Zaubertranke! Ziehe nicht mir ihm
Ein schreckliches Vergessen unsrer Liebe ein.
O flieh, geliebter Schatten, fliehe!
Ich unterläge dem Gewicht
Von diesem schrecklichsten der Schmerzen.
Noch lebt Admet in deinem Herzen:
Dieß ist sein Alles! O entziehe
Dieß einz'ge letzte Gut ihm nicht!
Parthenia. Admet.
PARTHENIA.
Admet, der Gram erschöpft dich; die ermüdete[55]
Natur bedarf Erquickung, Nimm, mein König,
Aus einer schwesterlichen Hand
Nimm diese Schale! Schmerzenstillend
Ist ihre Kraft. Das Land der Isis sendet uns
Den Wundertrank –
ADMET.
Was soll er mir?
PARTHENIA.
Ein Trunk aus Lethe selbst befreyet nicht gewisser
Von jedem Kummer, jedem Leid das Herz.
Ein allgemein Vergessen –
ADMET.
Weg! Parthenia, weg mit deinem Gift!
Wie? Treulos sollt ich je
Der theuren Ursach meines Leids vergessen?[56]
O niemals, niemals! – Mit Alcesten hat
Die Freud' auf ewig sich von mir geschieden.
Mein Gram ist meine Speise, mein Vergnügen,
Mein Labsal! – Jede andre Lust
Verschmäht Admet! – Ich will an Sie allein
Nur denken; wachend, träumend Sie, nur Sie
Vor meinen Augen sehn. Auf ihrem Grabe
Soll meine Wohnung seyn! Von meinen Thränen sollen
Die Myrten wachsen, die ihr Bild umschatten!
PARTHENIA.
Unglücklicher, was hilft es dir
Dein Daseyn trostlos wegzutrauren?
[57]
Laß ewig deine Schmerzen dauren,
Der Orkus giebt Sie nicht dafür!
ADMET.
O laß mir, laß mir meine Zähren,
Grausame, laß mir meinen Schmerz!
Wie könnt' ich diesen Trost entbehren?
Er labt, er nährt mein leidend Herz.
PARTHENIA.
Bedenk, um welchen Preis du lebest?
ADMET.
O, der Gedanke tödtet mich![58]
PARTHENIA.
Wenn du in Gram dich selbst begräbest
So starb Alcest umsonst für dich!
ADMET.
Bemühe dich nicht länger meinen Thränen
Den Lauf zu wehren. Laß mich weinen,
Parthenia! Dieß allein
Kann meine Seele vor Verzweiflung retten.
PARTHENIA.
Und hast du deines Freundes tröstendes
Versprechen schon vergessen? Hallen nicht
In deinen Ohren noch die letzten Worte
Des Göttersohns?
ADMET.
Er hieß mich hoffen? – Hoffen soll Admet![59]
O sprich, Parthenia, sprich, was soll ich hoffen?
Was kann ich hoffen?
PARTHENIA.
Alles! Alles was den Göttern nicht
Unmöglich ist!
ADMET.
O Schwester, hat Apollo selbst,
Apollo, der mich liebt, mir helfen können?
Ist Herkules allmächtiger als er?
Ach! zu gewiß ist was ich hoffen könnte
Den Göttern selbst nicht möglich! – Laß uns nicht
In wesenlose Träum uns thöricht wiegen!
Der Unglücksel'ge, der im finstern Kerker
Von goldner Freyheit träumt, fühlt im Erwachen
Der Ketten Zahn nur desto grausamer
In seinem Fleische wühlen. – Ach! Parthenia,[60]
Anstatt zu eiteln Hoffnungen
Mich aufzumuntern, wecke mein von Gram
Erstorbnes Herz zu seinen Pflichten auf!
Zu lange säumten wir
Dem theuren Schatten durch ein Todesopfer
Die Höllengötter günstiger zu machen.
Schon nähert sich die feyerliche Stunde
Der Mitternacht. Parthenia, komm,
Hilf mir das Opfer anzuordnen!
Ende des vierten Aufzugs.
[61]
Ausgewählte Ausgaben von
Alceste
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