Der Prinz von Oranien

[141] ist, seinem Aeußern nach, ein kleiner, schmächtiger Mann von zierlicher Taille, der aber immer noch[141] Hoffnung hat, wenn er älter wird, gleich seinem Vater und seinen Vorfahren, wohlbeleibt und fett zu werden. Sein Kopf ist schon ziemlich kahl, aber sein Backenbart und vor Allem sein lebhaftes Auge und rothes, frisches, freundliches Gesicht lassen dies, wenn man ihn in Gesellschaften sieht, leicht vergessen und übersehen. Sein Mund ist groß, ich möchte sagen, preußisch, aber er spricht geläufig, rasch und eben so soldatisch ungezwungen, wie er sich benimmt. Er ist ein Freund der Geselligkeit, liebt eine gute Tafel, französische Weine, englische Pferde, die er immer Galopp reitet und die schönen Frauenzimmer aller Nationen. Doch in diesem Punkt scheint er in der neuesten Zeit ernsthafter geworden zu sein; man sagt, daß er gegenwärtig seiner Frau treu ist und mit ihr im besten Verständnisse lebt. Er mag überhaupt nach den letzten Schicksalen, die ihn, seinen Vater und das Königreich betrafen, zu dessen künftigem Herrscher ihn das Loos der Erstgeburt erkoren hat, sinniger, nachdenklicher und zurückgezogener geworden sein, als er es vor Zeiten war. Die Schritte, die er that, um sich an die Spitze der belgischen Revolution zu schwingen, sind so auffallend, als bekannt. Der Bruch mit seinem Vater, mit der holländischen Nation war unvermeidlich. Er verbannte sich, als seine Versuche[142] sich zum König von Belgien zu machen, Versuche, bei welchen er sich mehr erniedrigte, als man hätte von seinem edlen und offenen Charakter erwarten sollen, am wegstoßenden Hohn der Belgier völlig scheiterten, unter diplomatischem Vorwande nach London, wo ihn sein Freund und Beschützer, der Herzog von Wellington, unter dem er in Spanien und bei Quatrebras gefochten, frischen Muth einsprach und ihm mit Freundesrath an die Hand ging. Ob der Feldzugsplan, den er nach seiner Rückkehr so rasch und überraschend gegen die zerstreuten belgischen Truppen ausführte, von Wellington, von ihm, oder einem Dritten herrührt, vermag ich nicht zu entscheiden. Der preußische Oberst Scharnhorst, den ich darüber befragte und der selbst, aber fälschlich, wie er öffentlich versichert hat, für den Verfasser gehalten wurde, wollte mit Bestimmtheit wissen, daß dem Prinzen ausschließlich sowohl Entwurf als Ausführung angehörten. Eben so unentschieden bleibt es mir, ob der Feldzug aus den in dem bekannten Kriegsmanifeste angegebenen Ursachen, oder nur deswegen von der Regierung und dem Könige beschlossen wurde, um dem Prinzen von Oranien Gelegenheit zu geben, sich wiederum mit der holländischen Nation zu versöhnen. Letzteres halte ich freilich für wahrscheinlich. Auf jeden Fall ist ihm dies geglückt.[143] Dieselben Bürger, die sich zur Zeit seiner Rückkehr aus England vorgesetzt hatten, ihn nicht zu grüßen (obgleich sie doch immer den Hut vor ihm abnahmen, nur nicht so tief) sie lieben und bewundern ihn jetzt, nach so wohlfeil gepflückten Lorbeeren, als den Helden von Niederland und würdigen Enkel des großen Nassauers.


Quelle:
Ludolf Wienbarg: Holland in den Jahren 1831 und 1832. Erster und Zweiter Theil, Hamburg 1833, S. 141-144.
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