Achter Auftritt.

[42] Apelles, Bolana; Pausanias tritt hinten auf der Erhöhung von rechts auf, während Longinus und Timolaos abgehn; syrisch-griechisch gekleidet wie die andern, doch mit einem schwarzen, turbanähnlichen Gewinde auf dem Kopf und mit auffallend bleichem Gesicht.


BOLANA.

Kommst du nun heim, mein Sohn?

APELLES.

Hier bin ich, Mutter.

BOLANA.

Doch noch im Geist nicht hier.

APELLES.

Bei meinem Glück!

Und auch bei dem, was sein wird –


[42] Blickt wieder nach der zukünftigen Tempelstätte; erblickt Pausanias. Vor sich hin.


Wer steht dort?

Wo kam er her? Noch eben stand dort niemand.


Geht zu Bolana.


Nun, ungeduldige Mutter? Willst du mehr,

Als mich zufrieden sehn?

BOLANA schüchtern, zögernd.

Dich küssen will ich; –

Und dann dich bitten: Komm!

APELLES.

Ins Haus?

BOLANA.

Begehrst du

Denn nicht nach Ruhe?

APELLES lächelnd.

Nein.

BOLANA.

Die Wunden?

APELLES.

Auch nicht.

Nenn sie so stolz nicht »Wunden«, Ritze sind's –

Und werden leider keine Narben sein,

Die mich erinnern, was wir heut erlebten.[43]

BOLANA.

So komm und pfleg dich!

APELLES.

Später, später, Mutter.

BOLANA.

O schone dich!

APELLES lächelnd.

Das alte Mutterlied.

BOLANA.

Du wirst dich töten, wenn du nie dich schonst –

APELLES sie sanft umschlingend.

Ei, Mutter, Mutter! Ich mich töten? Ich,

Der ewig leben will? der nichts so haßt,

Wie diesen blutlos finstern Feind der Menschen,

Den schnöden Tod?


Pausanias bewegt sich; tritt langsam näher.


Ich meid' ihn gerne, Mutter;

Nur fürcht' ich ihn doch nicht. Wer diesen Feind

Zu fürchten anfängt, hört schon auf zu leben.

Komm, Mutter; – seufze nicht. Wer ist so glücklich

Wie du und ich? Das Leben fliegt mit uns

Empor gen Himmel, und mit Lerchenstimme

Weissagt es gute Tage. Laß mich noch

Ein wenig horchen, was es mir verkündet;

Dann folg' ich dir ins Haus – und schon' und pfleg' mich.

Geh, Mutter; geh voran!


Küßt sie.[44]


BOLANA.

Du solltest jetzt schon – –


Ergeben.


Doch wie du willst!


Er tritt mit ihr in die Thür; sie umschlingt ihn noch einmal.


Mein Alles!


Sie geht ins Haus. Pausanias hat sich inzwischen auf die Bank vor dem Hause gesetzt. Apelles tritt wieder hervor.


APELLES.

Gute Mutter – –

Wer sitzt dort? – Du? – Ein unbekannte Gast. –

Was reibst du dir das Bein?

PAUSANIAS.

Es juckt mich noch

Von bösen Worten, die du mir gegeben.

APELLES.

Seltsamer Kauz. Ich dir? Und wann?

PAUSANIAS.

Vorhin. –

Du kennst mich nicht?

APELLES.

Doch; nun erkenn' ich dich.

Du warst im Lager draußen diese Nacht,

Da wir dem Perser gegenüberstanden,

Den Tag erwartend. Um ein Feuer saßen

Viel junge Krieger – Römer, Palmyrener –

Und hörten wie du die Leier spieltest,[45]

Und sangen selbst dazu. Dein Spiel war seltsam,

Fuhr durch den Körper leise bis ins Mark,

Ging über die Haut wie Windeshauch; – doch kann ich

Nicht sagen: mir gefiel's.

PAUSANIAS.

Das merkt' ich.

APELLES.

Andern

Gefiel es desto mehr.

PAUSANIAS.

Die liegen nun

Im Wüstensand und hören nicht mehr spielen.

APELLES stutzt.

Was willst du sagen, Mann? – Wem deine Leier

Das Herz erfreut –

PAUSANIAS.

Der hört sein letztes Lied;

Denn was die singen, die ihn drauf bestatten,

Das schläft in seinem Ohr.

APELLES.

Blutloses Antlitz,

Wer wärst denn du?

PAUSANIAS.

Der, den du hassest, Freund;

Der »schnöde Tod«.[46]

APELLES nach einigem Schweigen.

Du sitzest auf der Bank

Vor meiner Thür, und Gäste schmäht man nicht;

Drum sag' ich jetzt kein unhold Wort zu dir.

PAUSANIAS.

Viel Dank.

APELLES.

Doch nicht aus Furcht.

PAUSANIAS.

Das weiß ich wohl.

APELLES.

Doch weshalb ehrt mich dein Besuch?

PAUSANIAS.

Weil du

So herzlich, stolz und furchtlos mich verabscheust,

Wie wenige deinesgleichen. Freilich, Freund, –

Ich sah schon viele, die am Lichte klebten;

Doch kam wohl eine Stunde, wo die Last

Des Lebens ihre Brust zusammendrückte,

Bis sie erstöhnte: »Komm, o Nacht! O Tod,

Wälz diesen Stein mir weg!« – Denn schwerer als

Zu sterben ist zu leben.

APELLES.

Bleicher Nachtgeist,

Den nur Vernichtung freut, du fühlst die Lust[47]

Und Zauberkraft des heiligen Willens nicht,

Der mich durchglüht, das Leben zu umfassen.

Stünd' hier an deiner Statt der Geist des Lebens –

Den ich heut suchte; doch ich fand ihn nicht –

Und böte mir ein Dasein, hier auf Erden,

In dieser Hülle, das dir nie verfällt,

Ich sagte. »Gib! ich will!«

PAUSANIAS.

Ein stölzes Wort.

APELLES.

Ein Manneswort.

PAUSANIAS.

Gib acht; man kommt vielleicht

Und nimmt dich, Mann, beim Wort. Doch anders etwa –


Quelle:
Adolf Wilbrandt: Der Meister von Palmyra. Stuttgart 61896, S. 42-48.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Meister von Palmyra
Der Meister Von Palmyra: Dramatische Dichtung in Fünf Aufzügen
Der meister von Palmyra; dramatische dichtung in fünf aufzügen

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon