Achter Auftritt

[277] Von links kommen: Chorknaben – dann die Bischöfe Ebo und Agobard – und der Abt Wala – dann Ludwig, Judith links neben ihm – dann Lothar, Ludwig, Karl – dann Bernhard – dann wieder Chorknaben.

Kaiser Ludwig tritt mit Judith auf die Thronerhöhung; Bernhard hinter beide. Die Chorknaben schreiten singend rund um die Bühne.


CHORKNABEN.

Der du flammend in der Wolke

Zeigtest Israel den Pfad,

Neige dich dem Frankenvolke,

Gib ihm Weisheit, schenke Rat –


Die Chorknaben stellen sich so, daß sie den Hintergrund rechts und links abschließen. Alles setzt sich.


BERNHARD steigt herab, tritt auf die unterste Thronesstufe, das Gesicht zur Versammlung.

Im Namen Kaiser Ludwigs frag' ich Euch,

Seid Ihr versammelt hier zu rechtem Reichstag?

ALLE sich kurz erhebend und gleich wieder setzend.

Das sind wir.

BERNHARD.

Kamt Ihr zu dem Tag des Kaisers

Ohne Gefährde? Friedlich?


Immer langsamer sprechend.
[277]

Ohne Waffen?

Ohn' bösen Willen, freies Wort zu hindern

Durch eigne Macht – oder die Macht von andren,

Die Ihr bewaffnet wißt zu Eurem Dienst?

LOTHAR wendet sich hastig und unwillkürlich zu Matfried und Hugo, die hinter ihm sitzen.

Die Frag' erfand er! Weiß er von Pipin?

MATFRIED ebenso.

Unmöglich.

HUGO leise.

Still nur.

ALLE sich wie oben erhebend.

Also kommen wir.

LUDWIG.

Ehrwürdig Denkmal unsres alten Reiches,

Abt von Corvey, tut diesen Edlen kund

Den Zweck und Grund, warum wir sie beriefen.

WALA erhebt sich.

So preis' ich Gott, daß ich zu froher Botschaft

Die Lippen heut den Franken öffnen kann:

Ihr wißt, daß Karl, des Kaisers jüngster Sohn,

Den Judith ihm, die Tochter Welfs, gebar,

Zu seinen Jahren kam. Das Herz des Kaisers

In schwerem Kampfe mit dem Vaterherzen

Wog hin und her, ob er des Reiches Teilung,

Die er am Tag zu Aachen festgesetzt,

Zugunsten seines jüngsten Sohnes ändre.

Doch Gott erleuchtete sein Haupt und hieß ihn,

Dem Kaiser heut den Vater unterordnen.

Dies ist der Wille Ludwigs, unsres Herrn:

Drei Kronen sollen sein, doch viere nicht

Im Frankenreich. Lothar, Pipin und Ludwig,

Sie sollen Erben sein des großen Karl.

So ward's beschworen an dem Tag zu Aachen –

Erhebt Euch denn, gebt Euren Willen kund,

Soll dies bestätigt sein am Tag zu Worms?


Alles erhebt sich, die fränkischen und die deutschen Großen teilen sich in zwei Gruppen und treten in flüsternder Beratung zusammen.
[278]

LUDWIG nach einer kleinen Pause.

Wenn Ihr berietet, sprecht.

MATFRIED.

Ja, wir berieten.

Wir heißen gut den Ratschluß unsres Herrn

Und wie er teilte an dem Tag zu Aachen,

So bleibe es beschworen und geteilt.

RUDTHARDT.

Eh' wir entscheiden wünschen wir zu wissen,

Wodurch entschädigt man den jungen Karl

Für den Verlust?

WALA.

Durch reichliche Verleihung

Von Gut und Lehn für seinen Hausbesitz.

RUDTHARDT.

Zwar ist es altes Recht bei unsren Vätern,

Daß jüngster Sohn gleich ält'stem Sohne erbt;

Doch, weil der Kaiser selber so entschied

Und weil es gut ist für des Reiches Einheit,

So sagen wir: die Teilung bleibe stehn.

WALA.

Einmütiger Beschluß!

AGOBARD UND EBO.

Einmütig; ja!

MATFRIED UND HUGO.

Heil sei den Söhnen Irmengards!

DIE FRANKEN.

Heil ihnen!

JUDITH die bis dahin starr und ohne Lebenszeiten gesessen hat.

Verlangt Ihr, daß ich länger bleibe, Herr?

LUDWIG.

Geliebte, bleibt. – Nicht solchen Ruf Ihr Herrn,

Er mahnt an alte Schmerzen der Parteiung.[279]

WALA.

Nein – nichts von Hader jetzt und nichts von Streit.

O Sohn des Himmels, wundervoller Friede,

Durchwandle nun die Gauen dieses Reichs,

Und wer an diesem hohen Freudenfeste

Noch eigne Schmerzen leidet, geh zu dem

Und zeige ihm das Antlitz deiner Schönheit

Und sprich: Du leidest – doch du bist ein einz'ger,

Die Leiden deines Herzens sind der Preis,

Der für Millionen Glück und Heil erkaufte.

LUDWIG zu Judith.

Er spricht zu deinem Trost.

JUDITH.

Ich höre es.

EBO UND AGOBARD.

Der Reichstag ist beendet. Heil dem Kaiser.


Freudige Bewegung. Alle drücken sich wechselseitig die Hände. Dann sammeln sich die Chorknaben, um nach links abzugehen, wie sie gekommen.


CHORKNABEN singend.

Der du flammend in der Wolke –

BERNHARD.

Chorknaben halt! Verstumme der Gesang!


Chorknaben schweigen.


Der Kämmrer hat zu künden, ob der Reichstag

Beendet ist.

MATFRIED.

Worauf denn wartet Ihr?

Er ist's.

BERNHARD.

Der Reichstag ist noch nicht beendet.


Allgemein staunende Bewegung.


LUDWIG.

Was ist noch, Herzog?

BERNHARD.

Dieses, gnädiger Herr:

Ungültig ist, was hier beschlossen ward.[280]

LOTHAR.

Ungültig, was das ganze Reich beschloß?

BERNHARD.

Ja, denn dem Reichstag ward Gewalt getan. –

MATFRIED.

Durch wen?

HUGO.

Durch wen?

BERNHARD.

Durch Euch, die Ihr mich fragt!

LOTHAR.

Das lügst du, Elender!

MATFRIED.

Er lügt!

HUGO.

Er lügt!

MATFRIED wirft den Handschuh zu Bernhards Füßen.

Ich fordre Urteil nach dem Recht der Franken.

Hier liegt mein Handschuh.

HUGO desgleichen.

Und der meine hier.

LOTHAR.

Ich trete ein für diese edlen Herrn.

BERNHARD zu Lothar.

Braucht Euer Ansehn für Euch selber, rat' ich,

Ihr werdet's brauchen.

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Welch ein Ton ist das?

LOTHAR.

Was untersteht sich dieser Herr von gestern?

Welch giftig lauernde Verdächtigung

Verbirgt in Euren Worten sich?[281]

BERNHARD.

Verbirgt sich?

Nun denn, Ihr wollt, so sollt Ihr's deutlich haben:

König Lothar, auf dessen Haupt die Krone

Italiens prangt – und Ludwig, dessen Stirn

Die Bayernkrone schmückt – auf Eure Häupter

Schleudr' ich Anklage.


Allgemeiner Tumult.


KAISER LUDWIG.

Herzog –

WALA.

Du Verleumder!

BERNHARD.

Und klag' Euch an, daß Ihr auf meine Frage

Falsch' Antwort gabt; daß vor der Pfalz von Worms

Ein Heer für Euch in Wehr und Waffen steht,

Bereit, das Recht der Söhne Irmengards

Mit Waffen Eurem Vater abzutrotzen,

Wenn er zugunsten heute Karls entschied.

KAISER LUDWIG.

Ist Wahrheit dies?

BERNHARD.

Sagt nein, wenn Ihr es dürft!

LUDWIG DER DEUTSCHE.

Nein!

LOTHAR mit dem Fuße stampfend.

Nein!

BERNHARD.

Ah – nun mit einem einz'gen Wort

Zerschmettr' ich Euer keckes »Nein« Pipin!

KAISER LUDWIG.

Was soll es mit Pipin?

BERNHARD.

Mein Herr und Kaiser,

Ward Euer Sohn Pipin zum heut'gen Tag

Nicht eingeladen?[282]

KAISER LUDWIG.

Nun, ich denke so.

Und ich erstaune, daß er nicht erschien.

BERNHARD.

Fragt Euren ältsten Sohn, er wird Euch sagen,

Warum er nicht erschien.

KAISER LUDWIG.

Lothar – mein Sohn,

Was weißt du von Pipin?

LOTHAR.

Mein Herr und Vater –

Hier stehe ich, dein Selbst, dein Blut, dein Sohn,

Und dort ein Knecht, aus deiner Gunst geboren,

Und aufgeschossen wie ein giftig Kraut,

Reiß ihm das Wort vom Mund!

WALA.

Tut es, o Herr,

Schenkt diesem Manne, der sich wie ein Wolf

Auf dieses Tages heil'gen Frieden stürzt,

O schenkt ihm kein Gehör!

BERNHARD.

Ehrloser Priester!

Herr, meine Klage steht gleich einem Turm,

Beweise schaff' ich Euch für meine Worte.

KAISER LUDWIG.

Könntet Ihr das –

RUDTHARDT.

Beweis!

ALLE.

Er soll beweisen!

BERNHARD ruft nach dem Hintergrunde.

Führt die Gesandten El Moheiras vor.


Ein Ritter nach rechts ab.
[283]

KAISER LUDWIG.

Wenn dieses Mannes Worte sich bestät'gen –

O, meine Söhne – Sarazenen? Wie?


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 7, Berlin 1911–1918, S. 277-284.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Karolinger
Die Karolinger. Trauerspiel in vier Akten

Buchempfehlung

Schlegel, Dorothea

Florentin

Florentin

Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?

134 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon