Elfter Auftritt

[284] Köhne Finke an der Spitze eines Haufens ärmlich gekleideten Volks, kommt von rechts unten. Die Männer tragen Stöcke, an denen sie grüne Zweige wie Fahnen befestigt haben.


STURZ. Herr Burgemeester, seht doch bloß mal das! Das sind doch keene Ratmannen nich?

FINKE. Wir sind die edlen Ritter von Hunger und Durscht!

DAS VOLK welches Finke begleitet. Von Hunger und Durscht!

FINKE ist den Fußsteig bis zur Hälfte emporgestiegen. Und ich bin der Hauptmann davon, der Ritter ohne Käse und Wurscht!

STIMMEN DER RATMANNEN. Wer ist der verrückte Kerl?

PERWENITZ. Köhne Finke, was soll das? Was kommst du hierher? Was willst du hier?

FINKE lüftet das Barett. Mir den neuen Markjrafen ansehen, Herr Burgemeester! Wir sind arme Deibels und für 'nen armen Deibel gibt es auf der Erde nischt als die Luft und die Hoffnung, denn die beiden kosten nischt. Und nu hat man uns gesagt, daß einer gekommen is, der uns 'was dazu geben will, und das is uns lieb zu hören, denn Luft und Hoffnung sind schöne Gerichte, aber satt wird man davon nich.

STROBAND. Hier wo Burgemeister und Ratmannen reden, hast du das Maul zu halten und weiter nichts!

FINKE. Wüßte auch nich, was ich sonst noch halten sollte, da mir sonst nich viel gehört![285]

DAS VOLK lärmend. Köhne Finke soll reden!

FINKE. Wenn ick denn also reden soll, so sage ick nur soviel: ick weiß zwar von dem Hohenzollern, was der neue Markjraf is, noch zwar nischt – aber daß er sein Zelt hier aufgeschlagen hat in Jottes freier Luft, wo die Iroßen ihn hören können und die Kleinen, das gefällt mir von ihm und das finde ick jut. Und das Zelt, seht Ihr, das is schwarz und weiß, und das, hab' ick mir sagen lassen, sind die Farben von dem Hohenzollern, und die Farben gefallen mir, und ick will Euch auch sagen warum: denn was mich betrifft, so bin ick ein Schmiedegeselle, und wenn ick am Amboß stehe und an die Esse, dann krieg' ick ein schwarzes Gesicht und schwarze Hände – und das is die Arbeit – und nachher, wenn Feierabend is, denn wasch' ick mir und denn bin ick wieder weiß – und das is die Ruhe nach der Arbeit und das Vergnügtsein. Und darum sag' ick: wer solche Farben hat, der versteht was von die Arbeit und der weiß, was dem kleinen Mann not tut und der hat ein Herz für das Volk.

DAS VOLK. Das is wahr! Das is jut!

PERWENITZ. Der Bengel hat Kopf und Herz auf'm rechten Fleck!

STROBAND. Hat aber nicht mitzureden hier! Wirst du machen, Köhne Finke, daß du nach Hause kommst?

FINKE. Mit alle schuldige Hochachtung, Meister Stroband, ne, das will ick nich! Wir sollen unsere Hoffnung hier zu sehen bekommen, mit leibhaftige Augen, und so was is 'ne seltene Sache. Und darum wollen wir uns den Hohenzollern ansehen, bis daß wir sagen können: so sieht er aus. Und wenn der uns sagt, geht nach Haus, für Euch bin ich nich zu sprechen – na – denn wollen wir hingehn, wo wir hergekommen sind, zu Mutter Elend.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 284-286.
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