[320] Ein Knecht erscheint in der Mitteltür.
KNECHT. Gnädiger Herr! Draußen am Burgwall steht ein Abgesandter des Burggrafen mit der weißen Fahne –
DIETRICH. Was will er?
KNECHT. Ob Ihr Thomas Wins herausgeben wollt, das fragt er.
DIETRICH wild lachend.
Das soll geschehn! Er kann ihn haben! Ja!
Bestellt' er auch, wie er ihn haben will?
Lebendig oder tot? Nichts? Sagt' er nichts?
Gut – so entscheid' ich: tot! Bereite dich
Zu Wins.
Zum Botengang – der Worte brauchst du nicht.
Er zieht das Schwert, will auf ihn losgehn.
[320]
KONRAD springt zwischen Dietrich und Thomas Wins.
Töte den Mann nicht!
Sprich nicht von Mord! Blutfieber birgt die Stunde
Und Mord steckt an. –
Die Stunde will ein Ungetüm gebären.
Steck' ein das Schwert! Das Auge deines Stahls
Erweckt es! Fort das Schwert!
Dietrich – ich bitte dich – ich bitte dich –
DIETRICH.
Hinweg aus meinem Weg, du Faselhans!
Du Knecht des Hohenzollern! Schnöder Aussatz
Am Namen Quitzow –
Schlägt ihn.
KONRAD stürzt sich mit einem Schrei auf Dietrich, packt ihn.
Mörder! In den Staub!
Herunter! Herunter!
Er zwingt Dietrich in die Knie.
DIETRICH sich wütend wehrend.
Was – ist das –?
Wer gab – dem Buben solche Riesenkräfte –?
KONRAD hält ihn mit eisernem Griff kniend zu Boden gedrückt.
Lern' Quitzows Hand! Dahin die Augen – dorthin!
Zeigt auf Thomas Wins.
Sieh diesen Überrest von einem Menschen,
Sieh diese Knochen, die kein Fleisch bedeckt,
Die tränenblinden Augen, diese Stirn,
Verwüstet von Verzweiflung, Bart und Haar
Gestrüpp geworden – sieh ihn an!
Und sieh in ihm das ganze Brandenburg!
Durch dich erwürgt, zertreten und gemordet!
Würger, du liegst vor deinem Vaterland!
Vor deinem Vaterland tu Buße! Buße!
DIETRICH reißt sich los, springt taumelnd auf.
Tod dir für Schmach! Von allen Brandenburgern
Sollst du der erste meiner Rache sein!
Zieht das Schwert.
[321]
KONRAD schleudert das Schwert, das er trägt, von sich, stürzt an die Wand links, reißt sein erstes Schwert herab, zieht.
Stahlzunge, die für Brandenburg geschworen,
Heraus aus deinem Rachen! Zeit ist da!
BARBARA wirft sich mit ausgebreiteten Armen Konrad entgegen.
Euer Bruder! Es ist Euer Bruder!
KONRAD stößt sie zur Seite.
Fort, Slawenbastard! Gib mir meinen Glauben
Mir wieder! Gib mein Vaterland mir wieder!
Mein Leben und mein Lebensglück gib wieder!
DIETRICH.
Ein einz'ges geb' ich dir: Das ist der Tod!
Dringt auf ihn ein.
KONRAD.
Erst du, dann ich!
Haut ihn mit einem Streiche nieder.
DIETRICH fällt.
Brudermörder – sei – verflucht!
Stirbt.
Dumpfe, entsetzte Pause.
BARBARA wirft sich auf Dietrich.
Dietrich!! – Und der Mörder lebt!
DIE KNECHTE.
Schlagt ihn tot! Schlagt ihn tot!
Wollen auf Konrad eindringen, der regungslos dasteht.
SCHWALBE tritt gebieterisch zwischen Konrad und die Knechte. Wer hebt die Hand wider Quitzow, wo Dietrich Schwalbe lebt? Er tritt vor Konrad, verneigt sich. Herr Konrad von Quitzow, der Ihr jetzt Gebieter auf Burg Friesack seid – Herr Dietrich, Euer Bruder liegt erschlagen in seinem Blut – der, welcher es getan, ist in Eurer Hand – was befehlt Ihr, daß mit ihm geschieht?[322]
KONRAD löst schweigend die Riemen seines Brustpanzers, wirft den Brustpanzer fort. Du weißt, was ihm zu geschehen hat – tu deines Amts.
Er breitet beide Arme aus.
SCHWALBE geht an die linke Wand, nimmt das Quitzowsche Banner ein roter Stern in weißem Feld, ein weißer Stern in rotem Feld herab, kommt zurück, drückt das Fahnentuch an die Lippen. Das für die Quitzows, die da waren. Er küßt das Fahnentuch noch einmal. Das für die Quitzows, die da sind – Er zerreißt das Fahnentuch. das für die Quitzows, die da sein werden, Konrad – Konrad – Er zieht den Dolch von der Hüfte. Konrad! Er stößt Konrad den Dolch in die Brust.
KONRAD sinkt langsam.
Ah –
SCHWALBE kniet hinter ihm auf ein Knie nieder, so daß Konrads Haupt auf seinem Knie ruht.
Junker Konrad – ist das – Euer Blut?
KONRAD legt die Hand auf Schwalbes Haupt.
Sei ruhig – Alter – du hast recht getan.
Schwalbe beugt schluchzend das Haupt nieder. Ein dritter Kanonenschuß rechts hinter der Szene, die Hinterwand des Saales fällt ein, Feuerschein dringt von hinten ein; Kriegsgeschrei aus der Ferne.
KONRAD.
Ich höre – ich höre – die Stimme Brandenburgs!
Fernher tönt sie – näher schwillt sie und wächst –
Das stürmende Geschrei nähert sich von rechts und links.
KONRAD sich allmählich aufrichtend.
Ihr voran schreitet ein Name –
Wandelnd den ehernen Gang –
Die Zeit geht neben seinem Schritte her –
Tausend Zungen rufen ihn –
Tausend Herzen schlagen in ihm –
Geschrei in nächster Nähe.
Näher und näher –
Mächtig und mächtiger –
Ausgewählte Ausgaben von
Die Quitzows
|
Buchempfehlung
Libretto zu der Oper von Anton Schweitzer, die 1773 in Weimar uraufgeführt wurde.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro