Dritter Auftritt

[309] Konrad kommt von links. Er ist in Waffen, unbedeckten Hauptes.


SCHWALBE geht ihm entgegen. Herr Junker, um Gottes willen, kommt bloß einmal und sagt, was is das? Zeigt hinaus.

KONRAD tritt ans Fenster. Da drüben? Bei der Windmühle auf dem Hügel?

SCHWALBE. Ja, wo sie schaufeln und schanzen.

KONRAD. Das ist die große Kartaune, die der Markgraf wider uns aufstellt.

SCHWALBE. Eine Donnerbüchse?

KONRAD. Ja.

SCHWALBE. Also doch? Is es wahr, daß sie Kugeln daraus schießen? Und daß solche Kugeln die Mauer entzweischlagen?

KONRAD. Ja.[309]

SCHWALBE. Aber wenn's so is, dann – dann kann sich ja Burg Friesack nich halten?

KONRAD. Nein.

SCHWALBE. Aber dann – was wird denn dann?

KONRAD. Dann wird gestorben.

SCHWALBE. Junker Konrad!?

KONRAD. Was willst du?

SCHWALBE. Ihr – seid so jung – und das geht Euch so glatt vom Mund?

KONRAD düster hinausblickend. Du meinst, es ist wider die Natur, daß sich der Mensch am Morgen schlafen legt? Hast recht, Alter, aber hier ist manches – Er reißt das Schwert aus dem Wehrgehänge, reicht es Schwalbe. Gib mir ein anderes Schwert!

SCHWALBE nimmt zögernd das Schwert. Warum denn?

KONRAD. Weil ich dies hier nicht brauchen kann.

SCHWALBE besieht das Schwert. Es is doch eine gute Waffe?

KONRAD. Gut gegen jedermann, nur gegen die nicht, die da draußen stehn!

SCHWALBE. Junker Konrad – Ihr seid ein gelehrter Herr geworden – ich verstehe Euch nich mehr.

KONRAD. Dietrich Schwalbe, wo bist du geboren?[310]

SCHWALBE. In Hackenberge im Land Bellin.

KONRAD. Und das liegt in der Mark?

SCHWALBE. Nu gewiß.

KONRAD. Und mit Landsleuten kämpfen – tust du das gern?

SCHWALBE. Wenn's Feinde von Quitzow sind – was kümmert mich alles andere?

KONRAD wendet sich ab. Tu, wie ich dir gesagt habe.

SCHWALBE. Ich gehe schon. Geht an die Wand links, nimmt ein Schwert herab, hängt Konrads Schwert an dessen Stelle, kommt zurück. Da is es.

KONRAD streckt die Hand nach dem Schwerte aus.

SCHWALBE hält Konrads Hand mit beiden Händen fest. Junker Konrad – hab' ich's versehen irgendwo? Warum seid Ihr so zu mir?

KONRAD. Laß gut sein.

SCHWALBE hält seine Hand fest. Hab' ich was gesagt, was nich in der Ordnung war? Junker Konrad, ich bin kein gelernter Mann; aber das werdet Ihr mir doch nich übel nehmen? Alles was ich weiß, is, mich für Quitzow totschlagen lassen. Hab' ich's daran fehlen lassen? Das könnt Ihr doch nich sagen? Fünfzig Jahr' lang hab' ich die Fahne mit den zwei Sternen getragen – ich hab' nich Weis noch Kind gehabt – hab' ich's nich mit Ehren getan? Und – wenn ich höre – daß Friesack fallen soll – und daß – Quitzow sterben soll – Bricht in die Knie. was soll ich denn noch tun, daß Ihr zufrieden seid?[311]

KONRAD wirft die Arme um seinen Hals. Nichts, als zu sein, wie du bist! Über Schwalbe hinsprechend. Friedrich – Friedrich – wenn dieses Volk dir treu wird in Liebe, wie es dir treu ist als Feind – dann wird es die Welt zu deinen Füßen legen. Steh auf, Alter, dir habe ich nicht gezürnt.

SCHWALBE kniend. Aber Ihr habt Tränen in den Augen und seht so traurig aus? Ihr habt sowenig Freude gehabt vom Leben – Euer Herr Vater war schon tot, als Ihr zur Welt gekommen seid und Euere Frau Mutter habt Ihr kaum mehr gekannt – Junker Konrad – wenn's nich gegen den Respekt is – als Ihr noch klein gewesen seid, – erinnert Ihr Euch nich mehr, wie Ihr zu Dietrich Schwalbe gekommen seid, wenn es wo gefehlt hat? Wie Euch damals das Eichkätzchen weggelaufen war in den Wald, das Ihr so gern mochtet? Wie ich's Euch wiedergefangen habe? Erinnert Ihr Euch nich mehr daran? Könnt Ihr mir nich sagen, was Euch fehlt? Kann Euch Dietrich Schwalbe nich helfen? Gar nich helfen?

KONRAD tritt von ihm fort. Nicht du noch irgendwer! Wir selbst haben uns verlaufen im Wald und verirrt – es gibt nur noch einen, der uns heraushilft – aber der – ist nicht von dieser Erde.


Quelle:
Ernst von Wildenbruch: Gesammelte Werke. Band 9, Berlin 1911–1918, S. 309-312.
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