Siebenter Auftritt

[32] Berkley in der Mitte. Die Andern zurückstehend. Dann die Stimmen von Janthe und Ruthwen.

Recitativ.


BERKLEY.

Weh, mein Kind! In welcher Wildnis mag es irren?

Weh, mein Kind, mein Kind! weh, mein Kind!

In später Mitternacht vermiss' ich es im Hause.

Sicher haben Räuber sie entführt.


Zu seiner Umgebung.


Wer ihre Spur entdeckt, ich schwör' es euch,

Ihm wird des Vaters heißer Dank und großer Lohn.


Um sich blickend.


Doch wehe! welchen Ort betraten wir?


Er zeigt nach hinten auf die Höhle.


Hier hausen böse Geister seit Jahrhunderten,


Leise.


Die Vampyrhöhle nennt ihn das Volk.

CHOR sieht sich entsetzt und ängstlich um, unruhig hin und her eilend.

Weh! die Vampyrhöhle![32]

Schnell hinweg mit leisem Tritt!


Sich mit Teilnahme Berkley nähernd.


Armer Vater! Armer Vater!


Sie beginnen, sich nach links zurückzuziehen.


Nur schnell hinweg! Nur schnell hinweg!

Nur schnell hinweg mit leisem Tritt!

Wo mag sie sein? Hier ist sie nicht!

Ja, hier verlor sich ihre Spur!

Ach, armer Vater, armer Vater, armer Vater,

Nimmer siehst du Janthen wieder,

Hier verlor sich ihre Spur.

Drum schnell hinweg mit leisem Tritt,

Nur fort von hier, nur fort von hier!

Drum schnell hinweg mit leisem Tritt!

Nur fort von hier, nur fort von hier,

Fort mit leisem Tritt!

Berkley vermag sich kaum noch aufrecht zu erhalten.

Der alte Diener reicht ihm den Arm zur Stütze.

Alle wenden sich nach links zum Abgang.


JANTHE in gellem Aufschrei in der Höhle. Weh' mir!

RUTHWEN ebenso, mit triumphierendem Hohngelächter. Haha!

JANTHE wie oben. Weh' mir!

RUTHWEN ebenso. Haha!

Alle kehren entsetzt um und eilen zurück.


CHOR.

Welch' Geschrei!


Auf die Höhle hinten zeigend.


Dort kam es her!

JANTHE wie oben.

Weh!

BERKLEY.

Das war meines Kindes Stimme,

Rettet mir ihr teures Leben!

Die Jäger und die Diener mit den Fackeln eilen in die Höhle hinein.


BERKLEY. Weh' mir! Meine Kräfte schwinden! Er wankt.

Der alte Diener stützt ihn.


BERKLEY.

Angst und Freude macht mich beben;

Wie werd' ich sie wiederfinden!


Er ermannt sich und will zur Höhle.


[33] Einige Diener kommen mit Lord Ruthwen, den sie fest gepackt halten und der sich mit aller Macht dagegen sträubt, von dort zurück.

Einige Jäger folgen.

Die sonstigen Abgegangenen bleiben in der Höhle bei Janthe zurück.

Der Vordergrund wird allmählich von blauem Licht überflutet, dann verbreitet sich schwacher Mondschein über die obersten Felsenspitzen.


Quelle:
Heinrich Marschner: Der Vampyr. Dichtung von Wilhelm August Wohlbrück, Leipzig [o. J.], S. 32-34.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon