Vierter Auftritt

[94] Die Vorigen. Lord Ruthwen. Der Haushofmeister. Die beiden Diener.


HAUSHOFMEISTER spricht meldend.

Der Graf von Marsden!

Davenaut geht Ruthwen entgegen und geleitet ihn vor.

Ruthwen tritt zwischen Aubry und Davenaut.

Der Haushofmeister nimmt mit den beiden Dienern hinter den Brautjungfern Aufstellung.

Begrüßung von allen Seiten.


MALWINA wankt, Ruthwen erblickend, einige Schritte nach links, für sich; singt.

Allgerechter!

AUBRY beiseite.

Weh, Entsetzen!

CHOR.

Ha, willkommen![94]

DAVENAUT.

Ha, willkommen!

RUTHWEN zu Davenaut.

Sir, entschuld'gen kann ich nicht,

Daß ich säumt' in meiner Pflicht,

Hab' ich doch mein Glück verschoben;

Meinen Fehler wollt' ich loben,

Preisen noch mein Mißgeschick,


Zärtlich zu Malwina.


Zürnte auch Myladys Blick

Auf den läss'gen Bräutigam,

Der so spät zur Hochzeit kam.

DAVENAUT.

Spart die Worte, lieber Sohn,

Alles ist bereitet schon!

Auf denn, fort, hin zur Kapelle,

Dort will ich an heil'ger Stelle

Bei des Priesters frommem Segen

Ihre Hand in Eure legen.

Aubry zieht sich beobachtend mehr und mehr zurück.


MALWINA stürzt verzweifelt zu ihrem Vater, ihn mit bittenden Gebärden anflehend.

Ach, mein Vater, habt Erbarmen!

DAVENAUT weist sie zurück; zu den Anwesenden.

Auf, Freunde, auf!

MALWINA.

Ach, habt Erbarmen, ach, mein Vater!

DAVENAUT wie oben.

Mit heiterm Sang begleitet unsern Hochzeitsgang!


AUBRY für sich.

Starr und leblos steh' ich da! –

O Gott, wie wird das enden!

MALWINA für sich.

Wehe mir! ach, weh' mir Armen! –


Laut.


Mein Vater!

RUTHWEN für sich.

Ha! Triumph! Das ziel ist nah!

Sie ist in meinen Händen!

Triumph! Das Ziel ist nah!

DAVENAUT.

Auf! Freunde, auf, mit heiterm Sang

Begleitet unsern Hochzeitsgang,

Auf, Freunde, auf!


Er führt Malwina an sich vorüber Ruthwen zu.


[95] Die Blumenmädchen streuen nach dem Ausgang hin Blumen.

Die Edelherren reichen ihren Damen die Hand.

Ruthwen faßt in zärtlicher Haltung Malwinas Hand, um sie zu führen.


CHOR.

Möchte die Zukunft die heitersten Lose,

Rosen gleich, dir auf den Lebenspfad streun;

Blume des Hochlands, du Davenaut-Rose,

Wie wir heut' Blumen –

Alle machen während des Chors eine leichte Bewegung zum Abgang nach dem Hintergrunde zu.


AUBRY tritt heftig zwischen Malwina und Ruthwen.

Haltet ein! –

Nein, nimmermehr soll sie dein Opfer sein!

Allgemeine Bestürzung.

Alle wenden sich erstaunt nach vorn. Malwina läßt Ruthwen los.

Ruthwen wendet sich mit einigen Schritten nach rechts vorn.


CHOR.

Ha! was ist das?

Welch seltsames Beginnen!

DAVENAUT tritt zwischen Ruthwen und Aubry.

Thörichter Knabe!

Weiche schnell von hinnen!

Unsinniger, hinweg mit dir! zurück!

Zu weit treibt dich strafbare Leidenschaft.

AUBRY.

Ha, nimmermehr! Es drängt der Augenblick!


Er umschlingt Malwina.


Ich fühle Mut in mir und Kraft,

Ich will und muß die Heißgeliebte retten!

DAVENAUT.

Ha, werft den Rasenden in Ketten!

Die beiden Diener beim Haushofmeister treten vor und gehen auf Aubry los.

Aubry geht mit Malwina, die er fest umschlungen hält, ganz vor.


CHOR.

Ha! was ist das? Welch seltsames Beginnen?

AUBRY.

Fest will ich sie umklammern und umfassen

Und nur mit meinem Leben lassen!

DAVENAUT.

Hinweg mit ihm![96]

CHOR.

Ha! was ist das?

DAVENAUT.

Trennt sie, er ist von Sinnen!

AUBRY.

Ha, nimmermehr!

Die beiden Diener trennen Aubry und Malwina mit

Gewalt.


AUBRY.

Ach, habt Erbarmen!

Betrogner Vater, ach, Ihr wißt nicht, was Ihr thut!

Verloren Euer Kind, noch eh' der Morgen graut,

Bestimmt Ihr sie zu dieses Scheusals Braut.

DAVENAUT.

Wie, Rasender!

CHOR.

Was ist das?

DAVENAUT.

Du wagst den Mann zu schmähen,

Den sich dein Lord zum Eidam ausersehen?

Ha, fürchte meines Zornes Wut!

RUTHWEN für sich.

Die Zeit vergeht!

Es wird zu spät! –

Grausen bebt durch meine Glieder!

Die Zeit vergeht, es wird zu spät!

Grausen bebt durch meine Glieder!

MALWINA für sich.

Mut und Vertrauen verlassen mich,

Vater im Himmel, erbarme dich!

CHOR unter sich.

Wie die Sache auch sich wende,

Weh, das nimmt kein gutes Ende,

Was ich höre, was ich sehe,

Deutet mir des Unglücks Nähe!

AUBRY.

Ha, trauet dem Verruchten nicht!

Seht das verworfne Angesicht!

Sein Auge flammet Höllenglut!

Er lechzet schon nach ihrem Blut!

Ihr seht sie niemals, niemals wieder!

CHOR.

Weh! was war das? Welch seltsames Beginnen?

RUTHWEN.

Der hoffnungslosen Liebe Glut,

Sie tobt in ihm mit wilder Wut!

Ha, fesselt seinen Ungestüm,

Ihr hört, der Wahnsinn spricht aus ihm!

DAVENAUT.

Ja, fesselt seinen Ungestüm!

[97]

Man hört, der Wahnsinn spricht aus ihm!

Hinweg mit ihm, er ist von Sinnen!

Hinweg mit ihm!

RUTHWEN.

Ja, hinweg mit ihm, er ist von Sinnen!

CHOR.

Ha, fesselt seinen Ungestüm! – Ja! –

Man hört, der Wahnsinn – ja – spricht aus ihm!

Ja, hinweg mit ihm, er ist von Sinnen,

Hinweg mit ihm!

Die beiden Diener drängen Aubry etwas weiter zurück.


AUBRY außer sich.

Malwina, höre mich!

In Todesangst beschwör' ich dich!

Verderben droht dir diese Nacht!

O zögre nur, bis der Tag erwacht,

O zögre nur –

Die beiden Diener schleppen Aubry nach links ab.


Quelle:
Heinrich Marschner: Der Vampyr. Dichtung von Wilhelm August Wohlbrück, Leipzig [o. J.], S. 94-98.
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