Die Zwerchpfeife.

[224] Es war einmal ein König, der seine Freude an schönen Soldaten hatte. Unter seinen Truppen war aber ein besonders großer und schöner Mann, den er so hoch hielt, daß er ihn nie auch nur einen Tag in Urlaub lassen wollte; dagegen gab er ihm Geld und Essen, so viel er verlangte. Das gefiel dem Soldaten nicht übel, aber er zechte und verschwendete so über alle Maßen, daß die Schatzkammer des Königs in Zeit von einem halben Jahr kaum noch sechs Batzen übrig behielt. Da sah der König ein, daß dieß nicht länger so gehn könnte und daß er dabei zum armen Mann würde. Er gab dem Soldaten seinen Abschied und dazu einiges Reisegeld, was die alte Königin ihm borgen mußte, und einen Paß. Aber da der Soldat nicht sehr ans Sparen dachte, so war das Geld weg ehe er sich's versah, und er fand, als er seinen Sack umkehrte, nur noch ein kahles Sechskreuzerstück darin. Indem er nun so dahin schlenderte auf der Landstraße, kamen zwei Reisende desselben Wegs und die hatten auch zufällig kein Geld mehr. Da sprach der Eine: ›Da vor uns geht ein Soldat, vielleicht hat der noch etwas übrig. Wir wollen einmal sehen, ob er uns etwas gibt.‹ Sagt's und ging zu dem Soldaten und sprach, sie wären arme Reisende, ob er ihnen nicht etwas schenken[225] wollte. ›Hätt ich selber was!‹ antwortete ihm der Soldat, ›da ist mein letztes Sechskreuzerstück; aber komm, wir wollen's theilen.‹ Das thaten sie in der nächsten Ortschaft, blieben des Tags zusammen und schliefen auch zusammen in einer Herberge. Als der Soldat am andern Morgen von seinen beiden Reisekameraden Abschied nehmen wollte, sprach der Eine: ›Weil du ein so gutes Herz hast, so wähle dir drei Dinge und du hast sie.‹ Das gefiel dem Soldaten wohl und er rief lustig: ›Dann wähle ich mir vor Allem eine große Bärenmütze, wie die Grenadiere sie tragen, und ein Gewehr. Zweitens einen Tornister mit Bandelier und schönen Hosen. Drittens ein Paar schöne Stiefel mit Sporen.‹ ›Das sollst du haben,‹ sprach der Andre, aber dessen Gesell ärgerte sich, daß der Soldat nichts Besseres begehrte und gab ihm noch eine Zwerchpfeife dazu, welche die Eigenschaft hatte, daß Alles tanzen mußte, wenn man sie blies. Dann nahmen sie Abschied und jeder ging seines Weges. Der Soldat kam nach langem Wandern in ein Königreich, wo das Betteln und Fechten bei Todesstrafe verboten war. Er that es dennoch und wurde festgenommen und ins Gefängnis gesetzt, doch das machte ihm keinen Kummer weil er dachte, das werde nicht lange dauern. Und dießmal hatte er sich nicht verrechnet. Es war nämlich ein verwünschtes Schloß in der Stadt, worin noch Niemand eine Nacht überlebt hatte. Der König hätte es aber zu gern bewohnt; darum ließ er den Soldaten vor sich führen und sprach zu ihm: ›Höre, ich will dir was sagen: wenn du in dem verwünschten Schlosse schläfst und mir die Geister heraustreibst, dann sollst du nicht nur[226] frei sein, sondern ich gebe dir auch noch meine Tochter zur Frau.‹ – ›Herr König, damit bin ich zufrieden,‹ sprach der Soldat, ›wenn ihr mir nur gut Essen und Trinken mitgeben wollt.‹ ›Daran soll's nicht fehlen,‹ antwortete der König. ›Auch guten Taback und eine Pfeife muß ich haben,‹ sprach der Soldat, und der König versprach ihm das gleichfalls.

Abends wurde der Soldat in das Schloß geführt und die Thür hinter ihm geschlossen, nachdem man ihm Essen, Wein, Taback, eine Pfeife und Feuerzeug hinein gestellt hatte. Er ließ sich's gut sein, aß und trank nach Herzenslust und dann setzte er sich in einen Sessel und schmauchte, daß es eine Art hatte. Gegen Mitternacht that es einen gräulichen Schlag, die Thür fuhr auf und ein Teufel mit langem Schwanz und großen Hörnern sprang herein. ›Aha, du bist ja ein munterer Kerl,‹ sprach der Soldat, ›wart ich will dir eins aufspielen.‹ Damit setzte er seine Zwerchpfeife an und blies ein Stückchen nach dem andern und der Teufel tanzte wie besessen, daß seine Hörner an die Decke stießen und sein Schwanz die Stube fegte, bis der dicke weiße Schaum auf ihm stand. Da fing er an zu jammern und rief: ›Ich thue dir ja nichts, höre nur in's drei Teufels Namen auf zu pfeifen!‹ – ›Noch nicht genug gesprungen‹ rief der Soldat. ›Immer weiter herum!‹ Und da sprang der arme Teufel wieder, bis er vor Müdigkeit hing, wie ein nasser Lumpen, so daß er meinte, er tanze sich die Seele aus dem Leibe, und daß der Schaum von ihm herunterlief und handhoch im Zimmer stand. Nun rief er wieder mit schwacher Stimme: ›Höre jetzt auf, ich kann nicht[227] mehr; ich will ja nie wieder in das Schloß kommen.‹ ›Dann marsch zum Fenster hinaus,‹ sprach der Soldat, und gab ihm einen Fußtritt, daß er wenigstens fünfzig Schritt weit hinaus flog. Darauf machte er das Fenster zu und legte sich schlafen.

Am folgenden Morgen kam der König, um nachzusehn, wie es dem Soldaten gehe. Er dachte, dem würde es ergangen sein, wie allen anderen, die vor ihm in dem Schloß geschlafen hatten; doch er fand ihn im Bett, wo er aus allen Tonarten schnarchte. Da war keiner vergnügter, als der König. Er weckte den Soldaten, nahm ihn mit sich in sein Schloß und ließ gleich die Hochzeit halten. Niemand war froher, als der Soldat, der jetzt in Saus und Braus lebte bis sein Sterbestündchen kam. Da befahl er der Prinzessin, daß sie ihn mit seiner Montur und seinem Tornister begraben lassen solle. Die dachte aber, das schicke sich nicht für einen Prinzen und ließ ihn in schöner Uniform mit Orden und Sternen begraben. Doch da fing der Soldat an zu spuken und kam jede Nacht an das Bett der Prinzessin und rief: ›Ich will meinen Tornister! ich will meinen Tornister!‹ In dem Tornister lag nämlich seine Zwerchpfeife und er ruhte nicht eher, bis er dieselbe hatte. Dann ging er vor die Himmelsthür und klopfte an. Sankt Peter schaute durch ein Fensterchen neben dem Thor, zu sehen wer da sei. Als er aber den Soldaten erblickte rief er: ›Marsch weg, hier darfst du nicht herein! Warum hast du dir damals nicht statt der Montur die himmlische Seeligkeit erbeten? Jetzt sieh, wo du unterkommst.‹ ›Wenn's nicht anders ist, auch gut,‹ sprach der Soldat und wanderte wohlgemuth[228] der Hölle zu. Da kam ihm eine Menge von Teufeln entgegen, aber er hatte keine Furcht, sondern pfiff lustig auf seiner Zwerchpfeife und ging so in die Hölle hinein. Da mußten nun alle Teufel tanzen, was gar possirlich zu sehn war, den Teufeln aber so wenig gefiel, daß sie alle heulten und schrieen, er möge doch aufhören. ›Ja wohl ich höre auf,‹ sprach er, ›wenn ihr mir's schriftlich gebt, daß ihr mich zum Obersten in der Hölle macht.‹ ›Das wollen wir ja gern! das wollen wir ja gern!‹ schrieen die Teufel und setzten alsbald seine Ernennung als Oberst auf. So bekam er eine gute Anstellung in der Hölle und wenn er nicht abgesetzt worden ist, dann hat er sie noch.

Quelle:
Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen/Leipzig 1851, S. 224-229.
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