[170] Zorn Arniven übermannte,
Da ihr der Knappe nicht bekannte
Wo er hin gesendet wäre,
Ihr verhohlen blieb die Märe.
Sie bat den, der der Pforte pflag:
»Es sei Nacht oder Tag
Wenn der Knappe kehrt zurücke,
Laß ihn nicht von der Brücke
Eh ich heimlich mit ihm sprach:
Deine Kunst sich hier bewähren mag.«
Dem Knappen kann sie's nicht verzeihn.
Neugier trieb sie jetzt herein
Wieder zu der Herzogin;
Doch trug auch die so klugen Sinn,
Daß ihr Mund es nicht gestand
Wie der Ritter wär genannt.
Seiner Bitte that sie volles Recht,
Barg seinen Namen, sein Geschlecht.
Posaunen- und Drometenklang
Hörte man den Saal entlang
Schmettern jetzt und schallen.[171]
An den Wänden sah man allen
Tapeten aufgehangen;
Im Saal ward nicht gegangen
Als auf Teppichen heut;
Das hätt ein armer Wirth gescheut
Ringsum an den Seiten
Sah man den Gästen breiten
Flaumpolster sanft genug,
Darauf man reiche Decken trug.
Nach seinen Arbeiten lag
Gawan und schlief am hohen Tag.
Ihm waren alle Wunden
Mit solcher Kunst verbunden:
Hätt er Minne zu pflegen
Seiner Freundin beigelegen,
Es hätt ihm Schaden nicht gebracht.
Er schlief auch beßer, als die Nacht,
Da ihm die schöne Herzogin
Mit Sehnsucht füllte Herz und Sinn.
So erwacht' er nicht vor Vesperzeit.
Doch auch dießmal hatt er Streit
Gestritten mit der Minne:
Ihm lag die Herzogin im Sinne.
Neu für ihn geschnittne Tracht,
Kleider reich an goldner Pracht,[172]
Bracht ihm ein Kämmerer getragen
Von lichtem Pfellel, hört ich sagen.
Da sprach Gawan, der Degen hehr:
»Der Kleider brauchen wir noch mehr,
Und die nicht minder kostbar sein:
Für den Herzog von Gowerzein
Und Florand den klaren;
Er hat manch Land durchfahren
Und erworben Würdigkeit:
Sorge, daß sie sein bereit.«
Durch einen Knappen entbot
Er seinem Wirth Plippalinot,
Lischoisen wünsch er dort zu sehn.
Da ward mit seiner Tochter schön
Ihm Lischois hinauf gesandt;
Bene führt' ihn an der Hand,
Die Gawanen gerne schaute,
Ihm wie ein Kind vertraute,
Der ihrem Vater Wohl verhieß,
Als er die Weinende verließ
Des Tages, da er von ihr ritt
Und seine Mannheit Preis erstritt.
Auch der Türkowite war gekommen:
Von Gawanen aufgenommen[173]
Wurden sie mit Freude.
Ihm zur Seite saßen beide,
Bis man die Kleider ihnen trug.
Die waren kostbar genug,
Beßre mochten schwerlich sein:
Die dreie kleideten sich drein.
Ein Meister hieß Sarant
(Sares ward nach ihm genannt),
Er stammte von Triande.
In Sekundillens Lande
Ist eine Stadt, heißt Thasme,
Die größer ist als Ninive
Oder als die weite Akraton.
Da trug Sarant viel Preis davon,
Indem er einen Stoff erfand,
Auf den er große Kunst verwandt,
Der Sarantthasme ward geheißen.
Ob er prächtig mochte gleißen?
Das nehmet ohne Fragen an:
Man verwandte große Kosten dran.
Solche Kleider legten an
Die Beiden und Herr Gawan.
Er ging mit ihnen auf den Saal:
Hier saß der Ritter große Zahl,
Und viel der klaren Frauen.[174]
Wer prüfend konnte schauen,
Von Logrois wars die Herzogin,
Die ihm die Allerschönste schien.
Da trat der Wirth mit seinen Gästen
Vor sie, die sie sahen glästen,
Die Orgeluse war genannt.
Dem Türkowiten Florand
Und Lischois dem kühnen Mann
Ward Freigebung kund gethan,
Den beiden Fürsten kurtois,
Zu Liebe Der von Logrois.
Da sagte sie Gawanen Dank,
Die zu aller Falschheit krank,
Gesund doch war und weise
Zu weiblichem Preise.
Da diese Ledigung geschah,
Bei der Herzogin sah
Gawan vier Königinnen stehn.
Die beiden hieß er näher gehn,
So ließ er Kurtoisie schauen:
Die jüngern drei Frauen
Hieß er küssen diese Zwene.
Nun war auch Fräulein Bene
Mit Gawan in den Saal gegangen:
Die ward da wohl empfangen.
[175]
Der Wirth nicht länger wollte stehn,
Er hieß die beiden sitzen gehn
Bei den Frauen, wo sie wollten.
Sie thatens ungescholten,
Denn solch Geheiß thut Niemand weh.
»Welche heißt Itonjê?«
Sprach der werthe Gawan jetzt:
»Zu der hätt ich mich gern gesetzt.«
So frug er Benen leise.
Sie sah sich um im Kreise
Und wies ihm dann das Mägdlein klar:
»Die den rothen Mund, das braune Haar
Ihr seht bei hellen Augen tragen.
Wollt ihr heimlich ihr was sagen,
Das thut mit gutem Fuge.«
Sprach Bene da die kluge.
Sie wust Itonjes Minnenoth,
Daß ihrem Herzen Dienste bot
Der werthe König Gramoflanz;
Er weiht' ihr seine Treue ganz.
Sich setzte Gawan zu der Magd
(Ich sag euch was man mir gesagt),
Und sprach wie ers gar wohl verstund
Sie an mit klug beredtem Mund.
Auch sah er sie so fein gebahren:[176]
Bei den wenigen Jahren
Die Itonjê, die junge, trug,
Bewies sie edler Zucht genug.
Mit der Frage hatt er es begonnen,
Ob sie noch Minne nie gewonnen?
Sie sprach mit klugen Sinnen:
»Herr, Wen sollt ich minnen?
Seit mir mein erster Tag erschien
Kam es niemals dahin,
Daß ich mit einem Ritter sprach
Mehr als mit euch an diesem Tag.«
»So mocht euch doch wohl Kunde werden,
Wie Mannheit trägt für euch Beschwerden
Und Preis erwirbt durch Ritterschaft,
Und Wer mit herzlicher Kraft
Um Minne Dienst erzeigen kann.«
Also sprach mein Herr Gawan;
Zur Antwort gab die klare Magd:
»Mir ist um Minne Dienst versagt.
Der Herzogin von Logrois
Dient mancher Ritter kurtois
Um Minne wie um andern Sold.
Zu Tjosten ward ihr Mancher hold,
Daß es unser Auge sah;
Doch kam uns Keiner je so nah[177]
Als Ihr uns gekommen seid;
Euch ward der höchste Preis im Streit.«
Da hub er zu der Schönen an:
»Wen bekriegt der Fürstin Bann,
So mancher Ritter auserkoren?
Wer hat ihre Huld verloren?«
Sie sprach: »Den König Gramoflanz,
Der doch alles Lobes Kranz
Trägt, wie jeder Weise spricht;
Herr, ich weiß es anders nicht.«
Da sprach mein Herr Gawan:
»So sollt ihr ferner Kund empfahn
Von ihm, da er sich naht dem Preis
Und Preis erstrebt mit ganzem Fleiß.
Aus seinem Mund hab ich vernommen,
Es sei sein Herz dahin gekommen
Daß er sich euerm Dienst gesellt;
Sein Trost sei ganz allein gestellt
Auf euer Helfen, euer Minnen.
Ein König von Königinnen
Empfängt wohl billig Herzensnoth.
Herrin, hieß eur Vater Lot,
So seid Ihrs, die er meinet,
Nach der sein Herze weinet;[178]
Und ist eur Name Itonjê,
So thut ihr seinem Herzen weh.«
»Wenn ihr Treue wißt zu tragen,
So wendet seines Herzens Klagen.
Euer Beider Bote will ich sein:
Fräulein, nehmt dieß Ringelein,
Das sendet euch der werthe Held:
Heimlich wirds von mir bestellt:
Ich weiß zu hehlen, zweifelt nicht.«
Scham übergoß ihr Angesicht:
Die Farbe, die erst trug ihr Mund,
Ward ihrem ganzen Antlitz kund;
Doch gleich darauf erblich die Magd,
Nach dem Ringlein griff sie ganz verzagt.
Sie hatt es Augenblicks erkannt
Und empfiengs in ihre klare Hand.
»Nun seh ich wohl, Herr,« sprach sie gleich,
»Wenn ich so sprechen darf vor euch,
Daß ihr von Dem mir Kunde bringt,
Nach dem mein Herz verlangend ringt.
Verschwiegenheit geziemt euch nun,
Denkt ihr der Zucht ihr Recht zu thun.
Schon öfter ward mir dieß gesandt
Von des werthen Königs Hand:[179]
Sein Wahrzeichen sollt es sein,
Er empfieng von mir dieß Ringelein.
Was er Kummers je gewann,
Gar ohne Schuld bin ich daran,
Denn immer hab ich ihm gewährt
In Gedanken was er nur begehrt.
Er hätt es von mir selbst vernommen,
Wär ich ihm je so nah gekommen.«
»Ich küsste heut die Herzogin,
Die seinen Tod nur hat im Sinn:
Das war ein Kuss wie Judas Kuss,
Von dem man heut noch sprechen muß.
Alle Treu an mir verschwand,
Da der Türkowit Florand
Und der Herzog von Gowerzein
Von mir geküsst hier musten sein.
Ich vergeb es ihnen doch nicht ganz,
Die dem König Gramoflanz
So stäten Haß im Herzen tragen.
Meiner Mutter sollt ihr das nicht sagen,
Noch meiner Schwester Kondriê.«
So bat Gawanen Itonjê.
»Herr es geschah auf euer Bitten,
Daß ich ihren Kuss gelitten,[180]
Doch ohne Sühn, auf meinen Mund;
Mein Herz davon ist ungesund.
Ob je uns eint ein selig Band,
Das liegt nun, Herr, in eurer Hand.
Ich weiß, der König minnet mich
Vor allen Frauen sicherlich.
Dafür geb ich ihm den Sold:
Ich bin wie keinem Mann ihm hold.
Gott lehr euch Hülfe, lehr euch Rath,
Daß mir durch Euch die Freude naht.«
Da sprach er: »Frau, nun lehrt mich wie:
Er hat euch dort, ihr habt ihn hie,
Mag euch auch Ferne scheiden.
Wüst ich nun euch beiden
Mit Treuen solchen Rath zu geben,
Der euch zu würdiglichem Leben
Frommte, sollt es gern geschehn,
Ich ließe mirs nicht leicht entgehn.«
Sie sprach: »Ihr sollt gewaltig sein
Des werthen Königs und mein.
Eure Hülf und Gottes Segen
Mög unser beider Minne pflegen,
Daß er frei wird durch mich Arme
Von seinem Kummer, seinem Harme.
Da bei Mir steht seine Freude,[181]
Wenn ich Untreue meide,
So ist mein Wunsch und mein Begehren
Ihm meine Minne zu gewähren.«
Das Fräulein, hörte wohl Gawan,
War dem König zugethan;
Dabei war auch nicht allzulaß
Zu der Herzogin ihr Haß:
So trug sie Minne, trug sie Haß.
Schier Versündung schien ihm das
An der Einfalt der Magd,
Die ihm den Kummer hat geklagt,
Daß er ihr noch vermied zu sagen,
Wie Eine Mutter sie getragen!
Auch war ihr beider Vater Lot.
Der Magd er seine Hülfe bot:
Sie dankte heimlich ihm mit Neigen,
Daß er sich hülfreich wollt erzeigen.
Nun war es Zeit auch, daß man trug
Manch Tischlaken weiß genug
Und das Brot zum Mittagsmal
Zu den klaren Frauen in den Saal.
Man hält es mit den Plätzen
So, daß sich die Ritter setzen
Dort an Eine Wand im Haus.[182]
Die Sitze theilte Gawan aus.
Der Türkowite bei ihm saß;
Lischois mit Gawans Mutter aß,
Der klaren Sangive.
Mit der Königin Arnive
Aß die schöne Herzogin.
Seine schönen Schwestern setzt' er hin
Ihm zu Seiten überm Mal:
Sie thaten gern wie er befahl.
Meine Kunst giebt mir nicht halb Bericht,
Solcher Küchenmeister bin ich nicht,
Daß ich die Speisen könnte sagen,
Die da wurden aufgetragen.
Den Wirth und all die Frauen gar
Bedienten Mägdlein schön und klar.
Den Rittern dort an ihrer Wand
Giengen Knappen auch zur Hand.
Zucht hatte solchen Brauch gerathen,
Daß drängend nicht die Knappen nahten
Den dienenden Maiden.
Nun ließen sie sich scheiden
Ob sie Speise brachten oder Wein:
Damit verblieb die Sitte rein.
Sie sahen heut ein Festmal hie
Wie es gewiss die Fraun noch nie[183]
Gesehen, und die Ritterschaft,
Seit sie Klinschors Zauberkraft
Hielt in dieses Schloß gebannt.
Sie waren sich noch unbekannt.
Obgleich Ein Thor sie alle dort
Verschloß, sie hatten nie ein Wort
Noch gewechselt, Weib und Mann.
Nun schuf es heute Herr Gawan
Daß dieß Volk einander sah,
Daran ihm Freude viel geschah.
Ihm war auch selber Lieb geschehn;
Doch oftmals heimlich anzusehn
Seine klare Herzogin
Zwang sie das Herz ihm und den Sinn.
Zu sinken nun begann der Tag,
Daß sein Schein beinah erlag;
Auch glitt schon durch die Wolken sacht,
Die man für Boten hält der Nacht,
Mancher Stern, der freudig blinkte
Da ihm der Nacht Herberge winkte.
Nach der Nacht Standarten
Ließ sie selbst nicht auf sich warten.
Von der Decke nieder hold
Manche Krone hieng von Gold
Ringsum in dem schönen Saal;[184]
Die Kerzen warfen lichten Stral.
Auf die Tische ringsumher.
Trug man der Kerzen wohl ein Heer.
Die Aventüre hehlt uns nicht,
Die Herzogin erschien so licht,
Und schien' der Kerzen keine hier,
Es wär doch nirgend Nacht bei ihr:
Ihr Glanzschein konnte selber tagen,
So hört ich von der Schönen sagen.
Gawanen muste man gestehn:
Selten habe man gesehn
Einen Wirth so freudenvoll.
Sie thaten wie der Frohe soll.
Da ward mit freudigem Begehr,
Die Ritter hin, die Frauen her,
Sich ins Angesicht geblickt.
Das noch vor Blödigkeit erschrickt,
Lernt sich dieß Volk nun besser kennen,
Das will ich ihm von Herzen gönnen.
Saß nicht ein Vielfraß mit zu Tisch,
So aß man satt nun Fleisch und Fisch.
Die Tische trug man all hindann.
Da fragte mein Herr Gawan,
Ob nicht gute Fiedler dort[185]
Zu finden wären an dem Ort?
Da waren edler Knappen viel
Wohlgelehrt im Saitenspiel.
Doch konnten sie die Kunst nicht ganz,
Sie strichen all nur alten Tanz:
Neuer Tänze ward nicht viel vernommen,
Wie von Thüringen uns sind gekommen.
Nun dankt es All dem Wirth Gawan:
Er ließ der Freude freie Bahn.
Viel der Frauen schön und klar
Tanzten vor ihm in der Schar.
Also schmückt sich jetzt ihr Reigen:
Viel der kühnen Ritter zeigen
Sich untermischt dem Frauenheer:
So stehen sie dem Gram zur Wehr.
Auch mochte man da schauen
Stäts zwischen zweien Frauen
Einen klaren Ritter gehn:
Sie freuten sich, das war zu sehn.
Wars einem Ritter so zu Sinne,
Daß er Dienst verhieß um Minne,
Das vernahm man ohne Harm.
An Freuden reich, an Sorgen arm
Vertrieben sie die kurze Stunde
Mit süßem Wort aus liebem Munde.
[186]
Gawan und Sangive
Und die Königin Arnive
Saßen bei dem Tanz in Ruh.
Da trat die Herzogin hinzu.
Zu Gawan setzte sich die Feine,
Ihre Hand empfieng er in die Seine.
Da ward manch treues Wort vernommen,
Er war froh, daß sie zu ihm gekommen.
Schmal ward sein Harm, seine Freude breit:
So verschwand ihm all sein Leid.
War groß am Tanz der Fürstin Lust,
Ihm war noch minder Gram bewust.
Die Königin Arnive sprach:
»Herr, nun denkt auf eur Gemach:
Ruhe wird euch wohl bekommen,
Und euern Wunden frommen.
Hat sich die Herzogin bedacht,
Daß sie mit Decken diese Nacht
Euch besorgen will und hegen?
Die kann mit Rath und That euch pflegen.«
»Fragt sie selber,« sprach Gawan;
»Was ihr Zwei gebietet, wird gethan.«
Da sprach die Herzogin darein:
»Er soll in meiner Pflege sein.
Laß dieß Volk zur Ruhe fahren,[187]
Ich will ihn so bewahren,
Daß nie ein Weib sein beßer pflag.
Floranden von Itolak
Und den Herzog von Gowerzein
Laßt in der Ritter Pflege sein.«
Bald ein Ende nahm der Tanz.
Jungfraun in blühnder Farbe Glanz
Sah man sitzen dort und hie,
Sich Ritter setzen zwischen sie.
Wer nun mit Freude Leid vertrieb,
Um Minne bat sein holdes Lieb,
Er fände holde Antwort wohl.
Als jetzt des Wirths Gebot erscholl,
Ihm den Nachttrunk aufzutragen,
Das musten Werbende beklagen.
Der Wirth warb wie ein andrer Gast:
Trug Er nicht auch der Minne Last?
Ihr Sitzen däucht ihm allzulang,
Da Sein Herz auch die Minne zwang.
Der Trunk beschloß ihr Minnescherzen.
Vor den Rittern viel der Kerzen
Trugen Knappen aus dem Saal.
Floranden und Lischois befahl
Der Wirth den Rittern allen:
Denen must es wohlgefallen.[188]
Lischois und Florand
Giengen schlafen gleich zur Hand.
Die Herzogin mit Wohlbedacht
Wünschte beiden gute Nacht.
Da erhob sich auch der Frauen Schar
Und nahmen ihrer Ruhe wahr.
Sie wusten wohl mit Neigen
Beim Abschied Zucht zu zeigen.
Sangive mit Itonjê
Brachen auf; so that auch Kondriê.
Da machten Bene und Arnive,
Daß der Wirth gemächlich schliefe,
Alles fertig und bereit.
Es war der Herzogin nicht leid,
Sie stand den Beiden gerne bei.
Gawanen führten diese drei
Hin, wo ihm Liebes bald geschah.
In einer Kemenaten sah
Er zwei gesellte Bette liegen.
Doch wird euch ganz von mir verschwiegen,
Wie schön geschmückt sie wären:
Wir nahen andern Mären.
Zur Herzogin Arnive sprach:
»Nun sollt ihr schaffen gut Gemach
Dem Ritter, der hier bei euch steht.[189]
Wenn er um eure Hülfe fleht,
Helft ihr ihm, das ehrt euch sehr.
Hierüber sag ich euch nichts mehr.
Doch wißt, seine Wunden
Sind so künstlich ihm verbunden,
Er dürfte jetzt wohl Waffen tragen.
Doch mögt ihr seine Schmerzen klagen:
Wenn ihr die lindert, das ist gut.
Lehrt ihr ihn wieder hohen Muth,
Wir Alle werdens mitgenießen,
Darum laßts euch nicht verdrießen.«
Die Königin Arnive gieng
Da Jener Urlaub sie empfieng:
Ein Licht trug Bene ihr voran.
Die Thür verschloß Herr Gawan.
Ob nun die Beiden Minne stehlen,
Das wird mir schwer euch zu verhehlen.
Was dort geschah, ich macht' es kund,
Träfen Flüche nicht den Mund,
Der dem Geheimniss Stimme leiht:
Es ist den Guten immer leid:
Sein eigen Unglück wirkt er auch.
Zucht verräth nicht Minnebrauch.
Nun schuf der Minne Hochgewinn
Und die schöne Herzogin,[190]
Daß Gawans Glück vollkommen war.
Unselig blieb' er immerdar,
Heilt' ihn nicht sein süßes Lieb.
Wer je geheime Weisheit trieb,
Und Alle, die da forschend saßen
Und verborgne Kräfte maßen,
Kankor und Thebit,
Oder Trebüschet der Schmied,
Der Frimutellens Schwert geschaffen
(Groß Wunder wirkte dann dieß Waffen)
Dazu auch aller Aerzte Kunst,
Erwiesen sie ihm holde Gunst
Mit Salben und Gebräuden:
Ohn ein Weib und Minnefreuden
Hätt er seine scharfe Noth
Gebracht bis an den bittern Tod.
Daß ich die Märe mache kurz,
Er fand den rechten Hirschenwurz,
Der ihm half, daß er genas
Und der Schmerzen ganz vergaß;
Bei der Weiße braun war der.
Der Britte von der Mutter her,
Gawans fils dü roi Lot,
Durch süßen Balsam bittrer Noth
Fand er die Hülfe, der er pflag[191]
Mit der Liebsten Hülfe bis zum Tag.
Doch solche Hülfe gab sein Lieb,
Die allem Volk verschwiegen blieb.
Dann ließ er sich so fröhlich schauen
Vor den Rittern all und vor den Frauen,
Daß ihre Sorge gar verdarb.
Nun hört auch wie der Knappe warb,
Welchen Gawan ausgesandt
Hin gen Löver in das Land
Nach Bems bei der Korka.
Der König Artus war allda
Und sein königlich Gemahl,
Lichter Frauen viel zumal
Und des Ingesindes eine Flut.
Nun hört auch, wie der Knappe thut.
Bei früher Morgenstunde
Wollt er bringen seine Kunde.
Vor dem Kreuze las die Königin
Den Psalter mit andächtgem Sinn:
Da fiel ihr zu den Füßen
Der Knapp mit freudgen Grüßen.
Sie empfieng einen Brief aus seiner Hand,
Darin sich Schrift geschrieben fand,
Die sie gleich erkannte
Eh seinen Herrn ihr nannte[192]
Der Knappe, den sie knieen sah.
Zu dem Briefe sprach die Königin da:
»Heil der Hand, die dich geschrieben!
Ohne Sorge bin ich nie geblieben,
Seit ich zuletzt die Hand erblickte,
Die diese Züge schrieb und schickte.«
Sie weinte sehr und war doch froh:
Darauf zum Knappen sprach sie so:
»Du bist ein Knecht in Gawans Sold.«
»Ja Frau. Der ist euch herzlich hold:
Er entbeut euch Treue sonder Wank,
Und daß alle seine Freude krank,
Wird sie nicht durch Euch gesund.
Niemals kümmerlicher stund
Es noch um seine Ehre.
Auch entbeut euch, Frau, der hehre,
Daß ihn Freude wieder labe,
Erfahr er eures Trostes Gabe.
Ihr mögt wohl mehr im Briefe finden,
Als ich wüste zu verkünden.«
Sie sprach: »Ich hab aus ihm erkannt
Warum du zu mir bist gesandt.
Wohlan, ihm dienend bring ich dar[193]
Wonniglicher Frauen Schar,
Deren Preis den Sieg behält
Zu unsrer Zeit in aller Welt:
Parzivals Gemahl allein,
Und Orgelusens lichter Schein,
Sonst darf in allen Christenreichen
Sich ihrer Schönheit nichts vergleichen.
Seit Gawan von Artus ritt
Ward ich der Sorge nimmer quitt.
Wie hat das Leid mein Herz zerquält!
Meljanz von Li hat mir erzählt,
Er hat ihn jüngst zu Barbigöl.
O weh mir,« sprach sie, »Plimizöl,
Daß dich mein Auge je ersah!
Wieviel mir Leides da geschah!
Kunewaren de Laland,
Die von mir schied an deinem Strand,
Mein hold Gespiel, sah ich nicht mehr.
Mit Reden ward da allzusehr
Der Tafelrunde Recht gebrochen.
Fünfthalb Jahr und sechs Wochen
Ists, seit der werthe Parzival
Vom Plimizöl ritt nach dem Gral.
Da wandte sich auch Gawan
Gen Askalon, der werthe Mann.
Jeschuten und Ekuba[194]
Sah ich zum Letztenmale da.
Große Sehnsucht nach den Lieben
Hat mir die Freude weit vertrieben.«
Die Königin fiel Trauern an;
Zu dem Knappen sie begann:
»Nun folge meiner Lehre:
Heimlich von hinnen kehre
Bis sich höher hob der Tag,
Daß alles Volk zu Hof sein mag,
Knappen, Ritter allzumal,
Des Ingesindes volle Zahl.
Dann komm du auf den Hof getrabt,
Nicht frage wer dein Pferd dir habt,
Sondern eile hinzugehn,
Wo die werthen Ritter stehn.
Die fragen dich um Abenteuer:
Als entsprängst du einem Feuer,
So sei dein Reden, dein Betragen.
Sie möchtens gar zu gern erfragen
Was du für Märe bringest;
Du schau nur, wie du dringest
Durch die Menge zu dem Wirth,
Der freundlich dich empfangen wird.
Gieb diesen Brief ihm in die Hand,
So wird ihm bald daraus bekannt[195]
Deine Mär und deines Herrn Begehren;
Ich zweifle nicht, er wirds gewähren.«
»Ich rathe dir noch mehr: an Mich
Wende dann dich öffentlich,
Wo ich mit andern Frauen
Dich hören mag und schauen.
Wirb, willst du dem Herren nützen,
Daß sein Gesuch wir unterstützen.
Doch sage mir, wo ist Gawan?«
»Das fragt nicht,« hub der Knappe an,
»Ich darf nicht sagen, wo er weilt;
Doch hat das Glück ihm viel ertheilt.«
Dem Knappen schien ihr Rath Gewinn;
Da schied er von der Königin.
Gerne folgt' er ihren Lehren
Und kehrt' auch, als er sollte kehren.
Recht um den mitten Morgen
Oeffentlich und unverborgen
Ritt der Knappe auf den Hof.
Die Höfschen gaben ihm das Lob,
Sein Kleid sei recht nach Knappensitten.
Mit Sporen war dem Ross zerschnitten
Die Haut zu beiden Seiten.
Nach der Königin Bedeuten[196]
Sprang er eilends von dem Ross:
Da ward um ihn das Drängen groß.
Schwert und Mantel, Ross und Sporen,
Hatt er allzumal verloren,
Er kehrte wenig sich daran.
Eilends hub er sich hindann,
Wo er viel werthe Ritter sah.
Aus Einem Munde frug Jeder da,
Was er Abenteuer bringe?
Am Hofe sei es Brauch, es gienge
Zu Tische weder Weib noch Mann
Bevor der Hof sein Recht gewann:
Aventüre, und so reiche,
Daß sie rechter Aventüre gleiche.
Der Knappe sprach: »Ich sag euch nichts;
Mich entbindet Eile des Berichts.
Nehmts nicht krumm zu dieser Frist
Und sagt mir wo der König ist:
Den spräch ich gern vor allen Dingen
Wie mich die kurzen Stunden zwingen.
Dann hört ihr was man ihm entbot:
Gott lehr euch Hülfe bei der Noth.«
Dem Knappen, den die Botschaft engte,
War es gleichviel wie man ihn drängte,[197]
Bis ihn der König selber sah,
Ihm froh Willkommen bot allda.
Der Knappe gab ihm einen Brief,
Der tief ins Herz Artusen rief,
Denn als er ihn gelesen hatte,
Da fühlt' er, wie sich in ihm gatte
Die Freude mit der Klage.
»Wohl diesem süßen Tage,
Bei dessen Licht ich dieß vernahm,
Mir endlich sichre Kunde kam
Von meinem Schwestersohn, dem kühnen!
Kann ich mannlich ihm dienen
Wie ich als Freund, als Oheim soll,
Zahlt' ich der Treue je den Zoll,
So leist ich jetzt was mir Gawan
Entboten hat, wofern ich kann.«
Zu dem Knappen sprach er so:
»Nun sage mir, ist Gawan froh?«
»Ja Herr, so bald es Euch gefällt
Ist Er den Frohen zugesellt,«
Sprach der Knapp, der weise;
»Doch scheidet er von dem Preise,
Wenn Ihr ihn ohne Hülfe laßt.
Wie blieb' er fröhlich und gefaßt?
Ihr flügelt seine Freud empor:[198]
Hinaus weit vor des Kummers Thor
Aus seinem Herzen flieht das Leid,
Wenn Ihr ihm noch gewogen seid.
Der Königin läßt er Dienst hieher
Entbieten; auch wär sein Begehr,
Daß all der Tafelrunde Schar
Seiner Dienste nähme wahr,
Daß sie ihrer Treue dächten,
Seine Freude nicht verderben möchten,
Und euch zu kommen rathen.«
Die Werthen all den König baten.
»Lieber Freund,« hieß Artus ihn,
»Bring diesen Brief der Königin,
Daß sie ihn les und Allen sage
Was unsre Freud ist, unsre Klage.
Wie übt doch König Gramoflanz
Hochfahrt und alle Tücke ganz,
Wo er den Meinen schaden kann!
Er wähnt mein Neffe Gawan
Sei Cidegast, den er erschlug,
Was ihm noch Kummers bringt genug.
Ich will ihm Kummer mehren
Und neue Sitte lehren.«
Der Knapp kam gegangen
Und ward da wohl empfangen.[199]
Er gab der Königin den Brief.
Manches Auge über lief,
Als laut es las ihr süßer Mund
Was darin geschrieben stund:
Gawans Klag und sein Gesuch.
Auch säumte nicht der Knappe klug
So zu flehen all die Frauen,
Daß seine Kunst wohl war zu schauen.
Gawans Ohm, der König reich,
Warb mit großem Eifer gleich
Sein Ingesind zu dieser Fahrt.
Die vor Versäumniss sich bewahrt,
Ginover die höfisch weise
Trieb die Fraun zu dieser stolzen Reise.
Keie sprach in seinem Zorn:
»Ward je auf dieser Welt geborn
Ein so würdiger Mann
Als von Norweg Gawan?
Nur geschwinde, holt ihn ein,
Er möchte schon entschwunden sein.
Springt er wie ein Eichhorn,
Am Ende habt ihr ihn verlorn!«
Der Knappe sprach zu Ginoveren:
»Frau, nun will ich wieder kehren[200]
Morgen zu dem Herren mein:
Sorgt für ihn, es steht euch fein.«
Ihrem Kämmrer sprach sie zu:
»Schafft diesem Knappen gute Ruh.
Nach seinem Rosse sollst du schauen:
Ist es mit Sporen arg verhauen,
Gieb ihm das beste, das hier feil.
Hat er an anderm Kummer Theil,
Fehlt ihm Barschaft oder Kleid,
Das sei ihm allzumal bereit.«
Sie sprach: »Nun sage Gawan,
Ich sei ihm dienstlich unterthan.
Urlaub beim König nehm ich dir;
Deinen Herren grüß von ihm und mir.«
Artus betrieb nun seine Fahrt.
Tafelrunder-Sitt und -Art,
Völlig war ihr heut genügt.
Sie waren allzumal vergnügt,
Daß Gawan, der werthe noch zur Stund
Am Leben war und wohl gesund,
Und sie des inne sind geworden.
Da ward der Tafelrunder Orden
Erneut durch diese frohe Kunde.
Artus saß an der Tafelrunde
Und Wer daran zu sitzen hat[201]
Und sich Preis erwarb durch kühne That.
Allen Tafelrunderhelden
Kam zu Gute sein Vermelden.
Nun laßt den Knappen heimwärts kehren,
Da kund am Hofe sind die Mären.
Er brach am Morgen auf bei Zeit:
Der Kämmerer der Köngin beut
Ihm Barschaft, Ross und gut Gewand:
Mit Freuden ritt er heim zu Land,
Da er bei Artus hat erreicht,
Wodurch Gawanens Sorge weicht.
Er kam zurück nach wenig Tagen,
Wie wengen, weiß ich nicht zu sagen,
Gen Schatel merveil in Klinschors Reich.
Arive wurde freudenreich,
Da der Pförtner ihr entbot,
Mit seines Rosses großer Noth
Sei der Knappe jetzt zurücke.
Da schlich sie an die Brücke,
Wo der Knappe hielt, der weise,
Und frug ihn nach der Reise,
Was man zu melden ihm befohlen?
Der Knappe sprach: »Das bleibt verhohlen,
Frau, ich darf es euch nicht sagen:
Mich schweigt ein Eid auf solche Fragen.[202]
Wohl wär es meinem Herren leid,
Sagt' ichs und bräche meinen Eid.
Er hielte mich gewiss für dumm:
Fragt ihn, Herrin, selbst darum.«
Sie triebs mit Fragen lange fort;
Der Knappe blieb bei seinem Wort.
»Frau, ihr säumt mich ohne Noth:
Ich leiste was mein Eid gebot.«
Er ging, wo er den Herren fand.
Der Türkowite Florand
Und der Herzog von Gowerzein,
Von Logrois auch die Fürstin rein
Saß mit vielen schönen Frauen.
Wie der Knappe sich ließ schauen,
Auf stand Herr Gawan hoch erfreut.
Er nahm den Knappen gleich beiseit
Und hieß ihn willkommen sein.
Er sprach: »Sag an, Geselle mein,
Sei es Freude, sei es Noth,
Was man von Hofe mir entbot.«
»Fandest du den König da?«
»Herr,« sprach der Knapp, »ich fand ihn, ja,
Den König und auch sein Gemahl,
Und werthen Volkes große Zahl.[203]
Sie entbieten Gruß und wollen kommen.
Eure Botschaft sah ich aufgenommen
So gut von allen Leuten,
Daß Reich und Arm sich freuten,
Denn ich that ihnen kund,
Daß ihr heil wärt und gesund.
Da war ein Herr, ein Volkspiel jetzt!
Die Tafelrunde ward besetzt
Durch eure frohe Botschaft.
Wenn jemals in der Ritterschaft
Muth und Kühnheit Preis erlangten,
So muß vor Allen, die da prangten,
Eur Preis die Krone tragen,
Ob allem Preise ragen.«
Er sagt' ihm auch, wie es geschah,
Daß er die Köngin sprach und sah,
Und wie sie ihm getreulich rieth.
Auch von dem Volk er ihn beschied,
Von Rittern und von Frauen:
Daß er sie sollte schauen
Zu Joflanze vor der Zeit,
Die ihm bestimmt war zu dem Streit.
Da schwanden Gawans Sorgen,
Seine Freude war geborgen;
Statt Sorgen ward ihm Freude eigen.[204]
Den Knappen bat er's zu verschweigen.
Sein Leid vergaß er freudiglich.
Er gieng zurück und setzte sich,
Und hielt hinfort hier freudig aus
Bis Artus und sein Heer von Haus
Zu seiner Hülfe kam geritten.
Nun hört wie Lieb und Leid sich stritten.
Gawan war allewege froh.
Eines Morgens kam es so,
Daß man auf dem reichen Saal
Sah der Fraun und Ritter große Zahl.
In einem Fenster sah der Held
Fröhlich über Strom und Feld.
Arniv ihm gegenüber saß,
Die zu erzählen nicht vergaß.
Da sprach zur Königin Gawan:
»O liebe Herrin, hört mich an:
Wär euch die Mühe nicht verhaßt,
Und meines Fragens Ueberlast,
So ließ' ich mir die Mären
Dieses Schloßes gern erklären.
Daß ich noch bin, ist eure Gabe,
Und daß ich Heil und Freuden habe.
Hat ich mannlich kühnen Sinn,[205]
Den hielt die edle Herzogin
Mit Gewalt in ihrem Zwang:
Eurer Hülfe sag ichs Dank,
Daß mir gesänftet ist die Noth.
Von Minn und Wunden wär ich todt,
Wär mir nicht Euer Trost gekommen,
Der mich den Banden hat entnommen.
Euch schuld ichs, daß ich lebend bin.
Nun erklärt mir, edle Königin,
Das Wunder, das hier war und ist:
Warum hat solche Zauberlist
Hier der weise Klinschor offenbart?
Denn ich starb daran, wenn Ihr nicht wart.«
Arnive sprach, die weise
(Mit so viel weiblichem Preise
Kam Jugend in das Alter nie):
»Herr, all seine Wunder hie
Sind gar kleine Wunder doch:
Viel größre Wunder schuf er noch
In fremden Landen weit und breit.
Wer uns darum der Lüge zeiht,
Der kann sich nur versündigen.
Seinen Brauch laßt mich verkündigen,
Der Manchem übel ward bekannt.
Terre de Labeur, so hieß sein Land;[206]
Es war aus dem Geschlecht entsprungen,
Dem auch viel Wunder sind gelungen,
Viergils, des noch Neapel froh.«
Seinem Neffen Klinschor gieng es so:
»Hauptstadt war ihm Kapua.
So hohen Preis erwarb er da,
Er war um Preis wohl nicht betrogen.
Von Klinschor dem Herzogen
Sprachen Alle, Weib und Mann,
Bis er Schaden so gewann:
In Sicilien herrscht' ein König werth,
Der war geheißen Ibert;
Aber Iblis hieß sein Weib.
Die trug den minniglichsten Leib,
Der je von Mutterbrust gekommen.
Ihr zu dienen hatt er unternommen,
Bis sie seiner Minne lohnte,
Und ihr Gemahl ihn nicht verschonte.«
»Von seiner Heimlichkeit zu sagen,
Muß ich euch erst um Urlaub fragen,
Da sonst mir diese Märe
Nicht wohl geziemend wäre,
Wie ihm kam des Zauberns Laune.
Mit einem Schnitt zum Kapaune[207]
Wurde Klinschor gemacht.«
Darüber wurde sehr gelacht
Von Gawan dem Degen hehr.
Da fuhr sie fort und sagt' ihm mehr:
»Auf Kalot Embolot
Erwarb er so der Leute Spott;
Man kennt die Veste weit im Land.
Ibert bei seinem Weib ihn fand:
Klinschor schlief in ihrem Arm.
Lag er da geborgen warm,
Das büßt' er doch mit theuerm Pfand:
Er wurde von des Königs Hand
Zwischen den Beinen schlicht gemacht.
Das sei sein Recht, hat Der gedacht.
Er verschnitt ihn an dem Leibe,
Daß er keinem Weibe
Mehr zur Freude mochte frommen;
Das ist Manchem schlimm bekommen.«
»Nicht im Land zu Persia,
In der Stadt mit Namen Persida,
Ward Zauberei zuerst erdacht.
Dort hatt ers bald dahin gebracht,
Daß er wohl schaffet was er will:
Seines Zaubers ist kein Ziel.[208]
Durch die Schmach an seinem Leib
Ward sein Herz nicht Mann noch Weib
Mehr geneigt noch wohlgesinnt;
Zumal die gut und edel sind:
Kann er Die in Noth versetzen,
Das ist ihm herzliches Ergetzen.«
»Von ihm besorgte gleiche Noth
Ein König Namens Irot;
Sein Reich ist Roschsabins genannt.
Der bot ihm an von seinem Land
So viel er nehmen wollte,
Daß er Frieden haben sollte.
Klinschor empfing von seinen Händen
Diesen Berg mit steilen Wänden;
Dazu acht Meilen rings herum
Gab er ihm zum Eigenthum.
Klinschor schuf auf diesem Berg
Was ihr hier seht, dieß schöne Werk.
Alles Reichthums, aller Pracht
Ist hier was je ein Sinn erdacht.
Droht dem Schloß Belagerung,
Zu dreißig Jahren wohl genung
Faßt sie Speise mannigfalt.
Auch beherrscht er mit Gewalt
Alle Geister, die man kennt[209]
Zwischen Erd und Firmament,
Ob sie bös sind oder gut,
Es nehme sie denn Gott in Hut.«
»Herr, da eure grimme Noth
Euch vorbei gieng ohne Tod,
So steht sein Reich in eurer Hand.
Diese Burg und dieß gemeßne Land,
Keinen Anspruch macht er mehr daran.
Seinen Frieden sollt ihr auch empfahn,
Denn das gelobt' er offenbar
(Und was er spricht, das macht er wahr),
Wer sein Abenteuer bestehen könne,
Daß er Burg und Land ihm gerne gönne.
Die er aus christlichem Land
Hier durch Zauber hielt gebannt,
Sei es Magd, Weib oder Mann,
Die sind euch All nun unterthan.
Viel Heiden auch und Heidinnen
Hielt seine Kunst gebannt hiebinnen.
Nun laßt uns Arme wieder ziehn
Zur Heimath, die wir musten fliehn.
Von Heimweh ist mein Herz gequält:
Der die Sterne hat gezählt,
Der mög euch Hülfe lehren,
Daß wir zu Freuden kehren.«
[210]
»Eine Mutter Frucht gebar,
Die dann der Mutter Mutter war.
Von dem Waßer kommt das Eis:
Scheint darauf die Sonne heiß,
So kommt vom Eis auch Waßerflut.
So denk ich im bedrängten Muth,
Wie mir aus Freude Leid erblühte:
Daß Freude bald mein Leid vergüte!
So giebt Frucht zurück die Frucht:
O helft dazu, das wäre Zucht.«
»Schon lang ist's, daß mir Freud entfiel.
Schnell mit dem Segel geht der Kiel,
Schneller der Mann, der auf ihm geht.
Wenn ihr das Gleichniss recht versteht,
Wird euer Preis auch hoch und schnell.
Machet unsre Freude hell,
Daß wir sie heim zu Lande tragen,
Nach dem wir lang schon Heimweh klagen.«
»Freuden hatt ich einst genug:
Ich war ein Weib, das Krone trug;
So war auch meiner Tochter Haupt
Der Königskrone Schmuck erlaubt.
Wir hatten beide Würdigkeit.
Herr, nie rieth ich Jemands Leid:[211]
Alle ließ ich, Weib und Mann,
Ihr gebührend Recht empfahn.
Zu einer rechten Volkesfrauen
Mochte man mich auserschauen,
Die ich Niemand, will es Gott,
Mit Wißen je Unehre bot.
Doch wie getreu ein Weib auch sei,
Wohnt ihr auch Ehr und Reinheit bei,
Wie gut sie's guten Leuten bietet,
Sie ist nie vor solchem Leid behütet,
Daß ihr nicht leicht ein armer Knabe
Brächte reicher Freude Gabe.
So lang ich, Herr, hier weilte,
Nie zu Ross, zu Fuß noch eilte
Einer her, der mich erkannte,
Und meine Sorge wandte.«
Da sprach zu ihr der Degen werth:
»Frau, wenn mir das Leben währt:
So kommt euch Freude noch und Frommen.«
Desselben Tages sollt auch kommen
Mit dem Heer Artus der Breton,
Der klagenden Arnive Sohn,
Dem Neffen zu Gefallen.
Viel neue Banner wallen
Sah Gawan mit freudgem Schrecken,[212]
Das Feld die Rotten überdecken
Von Logrois die Straße her.
Mit manchem farbigen Sper.
Gawanen that ihr Kommen wohl:
Wer fremder Hülfe harren soll,
Den läßt Verzögrung meinen,
Nie soll' ihm Hülf erscheinen.
Den Zweifel nahm Artus Gawanen:
Avoi! wie zog er an mit Fahnen!
Gawan enthielt sich des mit Richten,
Seine Augen, die lichten,
Musten weinen lernen:
Zu einer Eisternen
Taugen sie ihm beide nicht,
Denn sie sind nicht waßerdicht.
Vor Freuden must' er weinen,
Da er Artus sah erscheinen.
Von Kind an hatt er ihn erzogen;
Beider Treu war ungelogen
So stät einander sonder Wank,
Daß Falschheit nie hindurch sich schlang.
Des Weinens ward Arnive innen:
»Ihr solltet freudig nun beginnen
Und ließet Freude schallen,[213]
Herr, das wär ein Trost uns Allen;
Dem Kummer leistet tapfre Wehr.
Hier kommt der Herzogin Heer:
Das sollt euch freuen, dünket mich.«
Paniere, Zelte wunderlich
Sah Arnive mit Gawan
Zahlreich führen auf den Plan.
Darunter war ein einzger Schild:
Der hatt ein solches Wappenbild,
Daß ihn Arnive wollt erkennen
Und Isages den Ritter nennen,
Marschall bei Utepandragon.
Doch wars ein anderer Breton,
Der schöngeschenkelte Maurin,
Marschall jetzt der Königin.
Utepandragon und Isages,
Arnive nicht versah sich des,
Sie waren längst gestorben;
Maurin hatt erworben
Seines Vaters Amt kraft alten Rechts.
Auf den Anger des Gefechts
Ritt das große Heergesinde.
Die Frauen, Kämmerer und Kinde
Nahmen Herberg auf der Wiese,
Die jede Frau wohl priese,
Bei einem Bächlein schnell und klar,[214]
Wo eilends aufgeschlagen war
Manches herrliche Gezelt.
Dem König abseits auf dem Feld
Ward mancher weite Kreiß genommen,
Und den Rittern, die mit ihm gekommen.
Sie hinterließen, wo sie fuhren
Von ihrer Reise breite Spuren.
Gawan durch Bene gleich entbot
Seinem Wirth Plippalinot,
Daß er Kähn und Schalte
Angeschloßen halte,
Damit sie diesen Tag bewahrt
Wären vor des Heeres Ueberfahrt.
Zugleich als erste Gabe nahm
Sie aus Gawanens reichem Kram
Die Schwalbe, noch in Engelland
Als theure Harfe wohlbekannt.
Bene eilte froh hindann.
Verschließen ließ da Herr Gawan
Die Thore vor Belagerung.
Willig hörten Alt und Jung
Wessen er sie freundlich bat:
»Auf jener Seiten an's Gestad
Legt sich ein großes Heer:[215]
Nicht zu Land noch auf dem Meer
Sah ich je Rotten fahren
Mit so zahlreichen Scharen:
Ist auf uns das abgesehn,
Helft mir, wir wollen sie bestehn.«
Das versprachen Alle gleich.
Man frug die Herzogin reich
Ob dies Heer das ihre wäre?
»Glaubt mir,« sprach die Hehre,
»Ich kenne weder Schild noch Mann.
Der oft mir Schaden hat gethan,
Ist etwa in mein Land geritten
Und hat vor Logrois gestritten.
Das stand ihm wohl nicht schlecht zur Wehr:
Gewachsen sind sie, solch ein Heer
Vor Thor und Zingeln zu empfahn.
Hat da Ritterschaft gethan
Der zornge König Gramoflanz,
So wollt er rächen seinen Kranz;
Oder wer sie sei'n, wohl manchen Sper
Brach mit ihnen dort mein Heer.«
Gelogen hatte nicht ihr Mund.
Artusen wurde Schaden kund,
Bevor er kam gen Logrois:[216]
Da mußte mancher Bretanois
In rechter Tjost den Sattel räumen.
Artus vergalt auch ohne Säumen
In dem Handel, den man dort ihm bot:
Sie kamen beiderseits in Noth.
Man sah die Streitmüden kommen,
Von denen man so oft vernommen,
Daß sie gern der Haut sich wehrten,
Wie sie's in manchem Streit bewährten:
Sie hatten Schaden hier wie dort.
Garel und Gaherjet sofort,
Dann Roi Meljanz de Barbigöl,
Zuletzt auch Jofreit fils Idöl,
Wurden in die Stadt gefangen
Eh das Kampfspiel war zergangen.
Die Britten fingen von Logrois
Dük Friam de Vermendois
Und Graf Ritschart de Navers.
Der bedurfte stäts nur eines Spers;
Doch wider Wen er den erhob,
Der lag am Boden sonder Lob.
Artus fieng mit eigner Hand
Diesen Helden auserkannt.
Da wurden unverdroßen
Die Rotten so geschloßen,[217]
Einen Sperwald mocht es kosten;
Von ungezählten Tiosten
Die Splitter niederregneten.
Die Britten auch begegneten
Mit mannlich unerschrocknem Sinn
Dem tapfern Heer der Herzogin.
Da must Artus zum Streiten
Die Nachhut selbst bereiten.
Man reizte sie den ganzen Tag,
Bis eine Flut des Heers erlag.
Billig hätt es wohl Gawan
Der Herzogin erst kund gethan,
Daß jene, Hülf ihm zu gewähren,
In ihr Land gezogen wären:
So hätten sie sich schon vertragen.
Doch wollt ers Ihr noch sonst Wem sagen,
Bis sie es selbst erkunde,
Er schickte sich zur Stunde
Auch nun selber an zu reisen
Zu Artus, dem Bretaneisen,
Mit kostbarer Zelten.
Niemand sollt' es entgelten
War er ihm auch unbekannt:
Gawan begann mit milder Hand
So reichlich Jeglichem zu geben,[218]
Als gedächt er länger nicht zu leben.
Knappen, Ritter so wie Fraun
Ließ er seine Güte schaun
Und beschenkte sie so reich,
Daß sie sprachen alle gleich,
Ihnen sei der Hülfe Tag erschienen.
Da ward auch Freude kund an ihnen.
Er ließ den Rittern Wehr und Waffen,
Den Frauen schöne Pferde schaffen
Und manches Saumross stark und gut.
Der Knappen eine ganze Flut
Sah man auch im Eisenkleid.
Vier werthe Ritter beiseit
Nahm darauf mein Herr Gawan.
Also ordnet' er es an,
Daß der Eine Kämmerer
Und der Andre Schenke wär,
Der dritte Truchsäße,
Und der vierte nicht vergäße
Des Marschallamts. So stund sein Sinn;
Die Vier willfahrten ihm darin.
Nun seht Artusen drüben liegen:
Dem blieb heut Gawans Gruß verschwiegen;
Doch unterdrückt' er ihn mit Müh.
Mit Schall brach auf des Morgens früh[219]
Gen Joflanz Artusens Heer.
Eine Nachhut ordnet' er zur Wehr;
Doch als nirgends sie ein Feind bestand,
Folgte sie ihm unverwandt.
Nun zog aufs Neue bei Seite
Gawan die Amtleute.
Er wollt es länger nicht verziehn
Und befahl dem Marschall, daß er hin
Auf den Plan vor Joflanz möge traben.
»Gesondert Lager muß ich haben;
Schon liegt davor ein großes Heer.
Ich berg es länger nicht mehr,
Ihren Namen muß ich nennen,
Daß ihr sie mögt erkennen:
Artus mein Ohm ist's ungelogen,
Der mich von Kind an hat erzogen
An seinem Hof, in seinem Haus.
Nun rüstet mir so stattlich aus,
Meine Reise, und so prächtig auch,
Daß man es nenne reichen Brauch.
Nur laßts hier oben unvernommen,
Daß Artus meinthalb ist gekommen.«
Da leisteten sie sein Gebot.
Der Fährmann Plippalinot
Hatte da vollauf zu thun.[220]
Müßig durften nimmer ruhn
Die Nachen und die Schnecken,
Da mit den Rotten, den quecken,
So zu Ross wie zu Fuß
Der Marschall über führen muß
Die Knappen und Garzonen.
Sie folgten dem Bretonen,
Des Heer unweit von ihnen fuhr,
Mit dem Marschall Gawans auf der Spur.
Sie führten, hört ich für gewiss,
Auch jenes Zelt, das Iblis
Aus Minne Klinschorn einst gesandt,
Und das zuerst als Liebespfand
Verrieth der beiden Heimlichkeit;
Gar groß war ihre Zärtlichkeit.
Nichts war gespart an seiner Pracht,
Nur eins ward schöner noch gemacht:
Das Zelt, das Eisenhart besaß.
Nun ward dieß Zelt auf grünem Gras
Neben Artus aufgeschlagen.
Manch Gezelt, so hört ich sagen,
Schlug man umher in weitem Ring;
Der Reichthum däuchte nicht gering.
Bei König Artus ward vernommen,
Gawanens Marschall wär gekommen,[221]
Das Heer zu bergen auf dem Plan;
Und der werthe Gawan
Käm noch am selben Tage:
So war gemeine Sage,
Bei all dem Ingesinde.
Da hob Gawan geschwinde
Mit den Rotten sich von Haus.
Seine Reise ziert' er also aus,
Man mochte Wunder sagen.
Manch Saumross mußte tragen
Kirchenschmuck und Hausgewand;
Harnisch und Schienen allerhand
Wurden aufgesäumt gefunden,
Die Helme drauf gebunden
Zu manchem Schilde wohlgethan.
Manches schöne Kastilian
Sah man bei dem Zaume ziehn,
Schöne Fraun und Ritter kühn
Gesellig reiten hinterdrein.
Meilenlang wohl möchte sein
Der Zug, würd er gemeßen.
Gawan hatte nicht vergeßen:
Jeder schönen Frau zur Seiten
Must ein tapfrer Ritter reiten.
Die wären nicht bei Sinne,
Sprächen sie nicht von Minne.[222]
Der Türkowite Florand
Ward zum Gesellen auserkannt
Sangiven von Norwegen.
Bei Lischois dem nimmer trägen
Ritt die süße Kondriê.
Seine Schwester Itonjê
Sah man bei Gawanen reiten;
Arniven zu denselben Zeiten
Mit der schönen Herzogin
Geselliglich die Straße ziehn.
Zu Gawans Zeltbering zu kommen
Hatten sie den Weg genommen
Durch Artusens Heer in langem Zug.
Zu schauen gab es da genug!
Doch eh sie ganz hindurch geritten,
Gedachte Gawan höfscher Sitten:
Dem Ohm zu Ehren ließ der Held
Außen vor Artusens Zelt
Die erste von den Frauen halten;
Der Marschall, seines Amts zu walten,
Hieß dann die zweite zu ihr reiten,
Darauf die dritte zu der zweiten,
Bis sie hielten All im Kreise,
Hier die junge, dort die greise,
Ein Ritter jeder an der Hand,[223]
Der willig ihr zu Diensten stand.
Artusens Zeltbering, den weiten,
Sah man da nach allen Seiten
Von Frauen ganz umfangen.
Da ward Gawan empfangen,
Der freudenreiche, dünket mich,
Von König Artus freudiglich.
Gawan stieg ab, nicht minder
Arniv, Sangiv und ihre Kinder,
Von Logrois auch die Herzogin,
Der Herzog von Gowerzin
Und der Türkowite Florand.
Diesen Fürsten auserkannt
Gieng entgegen Artus aus dem Zelt:
Freundlich empfieng sie all der Held,
So auch die Königin, sein Gemahl:
Die empfing Gawanen und zumal
Alle, die mit ihm gekommen,
Und hieß sie herzlich willkommen.
Da wurde mancher Kuss gethan
Von vielen Frauen wohlgethan.
Artus sprach zu dem Neffen sein:
»Wer sind sie, die Gesellen dein?«
Gawan versetzte: »Küssen[224]
Wird sie die Königin müßen:
Das unterbliebe wider Recht:
Zu hoch ist beider Geschlecht.«
Der Türkowite Florand
Wurde da geküsst zuhand,
Und der Herzog von Gowerzin,
Von Ginover der Königin.
Sie giengen mit ihr ins Gezelt
(Manchen däuchte, daß das weite Feld
Voll der schönen Frauen wäre).
Nicht so Artus. Bei seiner Schwere
Sprang er auf ein Kastilian:
Zu all den Flauen wohlgethan
Und den Rittern neben ihnen
Ritt er im Kreiß mit heitern Mienen.
Willkommen hieß zur Stunde
Sie Artus mit höfschem Munde.
Es war Gawanens Wille,
Daß sie draußen stille
Hielten, bis er weiter ritte:
So wollt es höfische Sitte.
Artus stieg ab und gieng hinein:
Zu dem Neffen setzt' er sich allein
Und bat, ihm Kunde zu gewähren,[225]
Wer die fünf Frauen wären.
Da hub mein Herr Gawan
Mit den ältesten an;
So sprach er zu dem Breton:
»Kanntet ihr Utepandragon?
So ist Arnive dieß, sein Weib;
Euch selbst geboren hat ihr Leib.
Dann seht ihr Norwegs Köngin hier:
Daß Ich das Licht sah, dank ich ihr;
Meine Schwestern seht in diesen Maiden:
Wie sie schmuck sind, die beiden!«
Da hob ein neues Küssen an.
Rührung und Freude sahn
All die es wollten sehn;
Ihnen war viel Liebes geschehn.
Lachen und Weinen
Konnt ihr Mund vereinen:
Von Freude kam der Thränenguß.
Da sprach zu Gawan Artus:
»Neffe, gieb mir noch Bericht:
Die schöne Fünfte kenne ich nicht.«
Da versetzte Gawan le kurtois:
»Die Herzogin ists von Logrois;
In ihren Gnaden bin ich hie.
Heimgesucht habt ihr sie:[226]
Was dabei sich zugetragen,
Wollt davon uns Kunde sagen.
Der Wittwe schaden ziemt' euch nicht.«
»Deiner Muhme Sohn,« gab er Bericht,
»Gaherjeten fieng sie dort
Und Garel, der immerfort
Sich kühn bewährt im Streite.
Mir ward von der Seite
Der Unerschrockene genommen.
Unsrer Haufen einer war gekommen
Im Lauf bis dicht vor ihr Thor;
Hei! wie schlug sich schön davor
Der werthe Meljanz von Li!
Ein weißes Banner führten sie,
Die uns den Kühnen abgefangen:
Als Wappenzeichen sah man prangen
Darauf ein blutendes Herz
Als zuckt' es im Todesschmerz,
Von einem schwarzen Sper durchbohrt.
Lirivoin war ihr Losungswort,
Die unter diesem Banner ritten,
Und der Stadt den Sieg erstritten.
Auch meinen Neffen Jofreit
Fiengen sie: das ist mir leid.
Gestern war die Nachhut mein:
Da widerfuhr mir solche Pein.«
[227]
Der König klagte Ungewinn;
Lächelnd sprach die Herzogin:
»Herr, es bringt euch keine Schmach;
Ich griff nicht an an jenem Tag:
Der Schaden, den ihr mir gethan,
Ich hatte keine Schuld daran.
Vergütet nun, was ihr mir nahmt,
Da ihr mich heimzusuchen kamt.
Dem ihr zu Hülfe kommt geritten,
Als der hat mit mir gestritten,
Da ward ich wehrlos erkannt,
Bei der bloßen Seite angerannt.
Wenn er noch weitern Kampf begehrt,
Wir kämpfen ihn wohl ohne Schwert.«
Zu Artus sprach da Gawan:
»Sollen wir diesen Plan
Noch mehr mit Rittern füllen?
Es steht in unserm Willen:
Die euern läßt wohl ledig ziehn
Mir zu lieb die Herzogin
Und befiehlt, daß ihre Ritter her
Bringen manchen neuen Sper.«
Artus sprach: »Das rath ich, ja.«
Nach den Werthen sandte da
Die Fürstin Boten in ihr Land.[228]
Schönere Versammlung fand
Selten wohl auf Erden Statt.
Da Gawan nun um Urlaub bat
Zu seiner Herberg einzukehren,
Der König must es ihm gewähren.
Die mit ihm gekommen waren
Sah man alle mit ihm fahren.
Seiner Herberge Zelt
Fanden sie so wohl bestellt,
Daß es köstlich war und hehr
Und von aller Armut leer.
Zu den Herbergen eilen
Sah man da Manchen, dem sein Weilen
Schon zum Verdruß gewesen.
Herr Kei war nun genesen
Von jener Tjost am Plimizol.
Er sah Gawanens Aufzug wohl
Und sprach: »Artusens Schwager Lot
Schuf uns selten solche Noth
Gleicher Pracht und eignen Ringes.«
Dazu verdroß ihn noch des Dinges,
Daß ihn Herr Gawan nicht gerochen,
Als sein rechter Arm ihm war zerbrochen.
»Gott mit den Leuten Wunder thut:
Wer gab Gawanen Frau und Gut?«[229]
Sprach Herr Kei in seinem Eifer;
Dem Freund missgünstig war sein Geifer.
Der Freunde Glück macht Edle froh;
Zeter schreit und Mordio
Der Ungetreue, wenn er sieht,
Daß seinem Freunde wohl geschieht.
Gawan war glücklich und geehrt;
Wenn noch Einer mehr begehrt,
Wo will der mit Gedanken hin?
Darob ist ihm nur kranker Sinn
Des Hasses und des Neides voll.
Den Tugendhaften thut es wohl,
Wenn bei dem Freunde Preis verweilt
Und Schande flüchtig von ihm eilt.
Da Gawan ohne Falsch und Haß
Mannlicher Treue nie vergaß,
So geschieht Unbilde nicht daran,
Daß er nun Heil und Glück gewann.
Wie der von Norwegen
Seines Volks mit Speise konnte pflegen,
Die Ritter und die Frauen?
Da mochten Reichthum schauen
Artus und sein Gesinde
Von König Lotens Kinde.[230]
Nun laßt sie schlafen nach dem Mal,
Ihre Ruhe bringt uns keine Qual.
Vor Sonnenaufgang kam geritten
Volk mit wehrlichen Sitten,
Orgelusens Ritterschar.
Ihrer Helmzierden wahr
Bei des Mondes Scheinen
Nahm Artus mit den Seinen,
Denn sie zogen zwischen her,
Wo jenseits Gawan und sein Heer
In weitem Zeltberinge lag.
Wer solche Hülf entbieten mag
Mit seiner machtvollen Hand,
Dem wird billig Ehre zuerkannt.
Seinen Marschall bat Gawan:
Weis' ihnen Raum zur Herberg an.
Doch rieth der Fürstin Marschall,
Daß von Logrois die Ritter all
Eigne Zeltberinge zierten.
Eh sie die all logierten
War es schon hoch am Morgen.
Nun nahen neue Sorgen.
Seine Boten sandte
Artus der Auserkannte
Gen Roschsabins in die Stadt.[231]
Den König Gramoflanz er bat:
Da er nicht anders wolle,
Als daß der Kampf geschehen solle
»Zwischen ihm und meinem Neffen,
So mög er den im Kampfe treffen.
Bittet ihn, alsbald zu kommen,
Denn er hat sich vorgenommen,
Daß ers nicht vermeiden will.
Einem andern Manne wärs zu viel.«
Die Boten fuhren hindann.
Floranden nahm da Gawan
Und Lischois an seiner Seite,
Daß sie ihm aus Näh und Weite
Kund die Ritter thaten,
Die als Minnesoldaten
Der Herzogin um hohen Sold
Waren dienstbereit und hold.
Dann ritt er und empfieng sie so,
Daß sie alle sprachen froh,
Fürwahr, der werthe Gawan
Wär ein höfischer Mann.
Von ihnen kehrt' er wieder heim
Und that das Weitere geheim.
Zu seinem Zeltgemach er schlich,
In volle Rüstung setzt' er sich,[232]
Den Helm aufs Haupt gebunden,
Daß er säh, ob seine Wunden
So vollkommen heil nun sein,
Daß ihm keine Schramme schüfe Pein.
Zu üben dacht er seinen Leib,
Da doch Alle, Mann und Weib,
Seinen Kampf sollten sehn,
Daß die Kenner möchten spähn,
Ob seiner unverzagten Hand
Der Preis heut würde zuerkannt.
Einen Knappen hatt er schon gebeten,
Daß er ihm brächte Gringuljeten.
Den ließ er galloppieren,
Denn er wollte sich movieren,
Daß Er wär und das Ross bereit.
Nie ward mir seine Fahrt so leid.
Alleine ritt mein Herr Gawan
Fern von dem Heer auf den Plan.
Mag das Glück sein walten!
Einen Ritter sah er halten,
Wo sich des Sabins Fluten wälzen,
Ihn, den wir wohl hießen Felsen
Aller mannlichen Kraft.
Er Wettersturm der Ritterschaft,
Dem Falschheit nie im Herzen lag![233]
Er war in seiner Kraft so schwach,
Was man da nennt Verzagen,
Des konnt er nimmer tragen
Weder halben Zoll noch Spanne.
Von demselben werthen Manne
Habt ihr wohl früher schon vernommen:
Die Mär ist an den Stamm gekommen.
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
|
Buchempfehlung
Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.
50 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro