Gramoflanz.

[238] Wenn von dem werthen Gawan

Eine Tjost hier wehrlich wird gethan,

So bangt ich wahrlich nimmermehr

Für ihn bei einem Kampf so sehr.

Zwar geht mir auch der Andre nah,

Doch keine Sorge hab ich da:

Der war Einem Mann ein Heer.

Aus der Heidenschaft fern über Meer

War seines Helmes Schmuck gebracht.

Röther als Rubinenpracht

War Ihm das Kleid und seiner Mähre.

Auf Abenteuer ritt der Hehre;

Sein Schild war ganz durchstochen.

Auch hatt er sich gebrochen

Von dem Baum, den Gramoflanz

Hegte, einen lichten Kranz:

Das Reis erkannte wohl Gawan.

Er sorgte, Schande würd ihm nahn,

Wollte hier der König mit ihm streiten.[239]

Säh er ihn sich entgegen reiten,

So müst auch hier der Kampf geschehn,

Sollt ihn der Frauen Keine sehn.


Ihre Rosse beidesamt

Sind von Monsalväsch entstammt

Die sich hier mit Schnaufen

In der Tjost entgegenlaufen,

Wie der Ritter Sporn sie mahnt.

Grüner Klee, nicht staubger Sand,

Stand thauig wo sich hub ihr Streit

Mir wäre Beider Schaden leid.

Sie ritten ihren Anlauf recht:

Aus tjostierendem Geschlecht

Gezeugt sind beide und geboren.

Wenig gewonnen, viel verloren

Hat, wer hier den Preis erringt;

Nur Klag ists, was der Sieg ihm bringt.

Nah befreundet sind die Helden;

Von keiner Scharte wär zu melden,

Die ihre Treue je empfing.

Nun höret, wie die Tjost ergieng:


Hurtiglich und dennoch so,

Des Erfolgs war Keiner froh.

Nahe Sippe, traute Brüderschaft[240]

War da mit scharfen Haßes Kraft

Im Kampf zusammen gekommen.

Von Wem der Preis auch wird genommen,

Seine Freud ist drum der Sorge Pfand.

Die Tjoste brachte beider Hand,

Daß die Freunde, die Gesellen

Einander musten fällen

Mit Ross und Zeug zur Erde.

Beid erwarben sie Beschwerde.

Jetzt die Schwerter schnell gezückt

Und der Schilde Rand zerstückt!

Grünes Gras und Schildes Scherben

Sah man vermischt den Boden färben,

Seit sie da kämpften beide.

Sie harrten dessen, der sie scheide

Zu lang; sie hattens früh begonnen:

Sie zu scheiden wollte Niemand kommen.


Niemand war noch da als sie.

Wollt ihr nun vernehmen, wie

Da sie im Kampfe standen

Artusens Boten fanden

Gramoflanzen und sein Heer?

Auf einem Plan wars bei dem Meer:

Diesseits floß der Sabins,

Jenseits der Poinzaklins,[241]

Die hier sich beid ins Meer ergoßen.

Die vierte Seite ward geschloßen

Von des Landes Hauptstadt,

Die Roschsabins den Namen hat.

Sie stand mit Mauern und mit Graben

Und manchem Thurme hoch erhaben.

Sein Heer die Boten lagern sahn

Wohl Meilenlang auf diesem Plan

Und wohl in halber Meilen Breite.

Auch sahn sie sich entgegen reiten

Manchen Ritter unbekannt,

Bogenschützen, Knappen allerhand,

Deren jeder Lanz und Harnisch trug.

Hinter Diesen schloß den Zug

Unter mancherlei Panieren

Manche Rotte von Soldieren.


Bei der Posaunen lautem Krachen

Begann das Heer sich aufzumachen:

Man sah es sich bereiten

Gen Joflanz zu reiten.

Hört die Frauenzäume klingeln!

Den König Gramoflanz umzingeln

Edle Fraun in weitem Kreiß.

Wofern ich zu erzählen weiß,

So meld ich, wer auf grünem Gras[242]

Sich hier die Herberge maß.

Wer dem König war zu Hülf gekommen,

Habt ihr das noch nicht vernommen,

Wohlan, so mach ichs jetzt euch kund.

Aus der waßerfesten Stadt zu Punt

Bracht ihm der werthe Oheim sein,

Der König Brandelidelein,

Sechshundert klare Frauen.

Auch mochte Jede schauen

Ihren Ritter, der erschienen

War ihr um Minnesold zu dienen.

Die kühnen Punturteise

Waren gern bei dieser Reise.


Da war auch, glaubt ihr mirs,

Der klare Bernaut de Riviers;

Sein reicher Vater Narant

Hinterließ ihm Uckerland.

Er führt' in Schiffen über Meer

Ein so klares Frauenheer,

Daß man viel von ihrer Schönheit sprach;

Ihnen sagte Niemand Andres nach.

Davon wurden zweihundert

Noch als Mägdelein bewundert,

Zweihundert hatten schon den Mann.

Wenn ichs recht ermeßen kann,[243]

Bernaut Fils dü Comt Narant,

Fünfhundert Ritter auserkannt

Zählt' er in seinen Scharen,

Nicht gewohnt den Feind zu sparen.


So wollte König Gramoflanz

Im Kampfe rächen seinen Kranz,

Und hier den Preis erbeuten

Vor so viel werthen Leuten.

Seines Landes Fürsten waren

Dort mit kühner Ritter Scharen

Und mit Frauen wohlgethan;

Man sah da manchen stolzen Mann.

Da nun Artusens Boten nahn

Hört, wie sie den König sahn:

Ein hohes Polster von Palmat,

Zum Sitz er sich erkoren hat,

Gesteppt mit breitem Seidentuch.

Jungfrauen schön und klar genug

Schuhten Eisenkolzen

Dem König an, dem stolzen.

Ein köstlich Pfellel hoch zu loben

In Ecidemonis gewoben

Hoch über ihn sich breit und lang

Vor der Sonne schattend schwang,

An zwölf Schäfte genommen.[244]

Als die Boten vor ihn kommen,

Zu dem, der aller Hochfahrt Hort

Trägt, beginnen sie sofort:


»Herr, uns hat hieher gesandt

Artus, der wie euch wohl bekannt,

Oft den Preis von hinnen trug;

Er hat auch Würdigkeit genug.

Die wollt ihr jetzt ihm kränken.

Wie mögt ihrs nur erdenken,

Daß ihr seiner Schwester Kind

Ernsten Kampf zu bieten sinnt?

Hätt euch der werthe Gawan

Größer Herzeleid gethan,

So sollt ihm doch zu Statten kommen,

Daß ihn gesellig aufgenommen

Hat die werthe Tafelrunde

Und er ein Stolz ist diesem Bunde.«


»Den Kampf, den ich ihm zugesagt,«

Sprach der König, »kämpf ich unverzagt

Noch diesen Tag, mag nun Gawan

Schmach oder Preis davon empfahn.

Wohl hab ichs für gewiss vernommen,

Artus sei mit Gefolg gekommen

Und sein Weib, die Königin;[245]

Die sei willkommen immerhin.

Ob wider mich zum Zorne

Die arge Herzogin ihn sporne,

So hab ich Volk mir beizustehn.

Mein Entschluß bleibt doch bestehn,

Daß ich dem Kampf mich stellen will.

Ich habe Ritter wohl so viel,

Ich brauche nicht Gewalt zu scheun.

Die mir von Einem möge dräun,

Die Noth will ich erleiden,

Sollt ich das nun vermeiden,

Wes ich mich wider ihn vermaß,

Ich wär im Minnedienst zu laß.

In deren Gnad ich mein Leben,

All meine Freude hab ergeben,

Gott weiß, was er ihr schuldig ist:

Ich verschmähte bis auf diese Frist

Kampf wider Einen Mann;

Doch da der werthe Gawan

So viel gethan sie zu befrein,

So kämpf ich wider Ihn allein.

Hier beugt sich meine Mannheit,

Denn ich focht noch nie so leichten Streit.

Gefochten hab ich, darf ich sagen,

Ihr mögt euch wenn ihr wollt befragen,

Mit Helden, die es meiner Hand[246]

Bezeugten, daß sie kühn bestand.

Mit Einem kämpft ich noch mit Nichten;

Auch will ich gern darauf verzichten,

Daß mich Frauen loben, sieg ich heut.

Es hat im Herzen mich gefreut,

Daß sie erledigt ward der Banden,

Für die heut Gawan wird bestanden.

Artus, der König weit erkannt,

Des Gebot in fernem Land

Ehrerbietig wird vernommen,

Vielleicht ist sie mit ihm gekommen,

Der ich bis an meinen Tod

Dienen will in Freud und Noth,

Möcht ihr nur mein Dienst genügen.

Wie konnt es sich mir beßer fügen,

Wenn mir das Heil soll geschehn,

Daß sie meinen Kampf geruht zu sehn.«


Benen schuf der Kampf nicht Harm

(Die saß hier an des Königs Arm):

Da sie des Königs Mannheit

Oft bewährt gesehn im Streit,

So fochten Sorgen sie nicht an.

Doch wüste sie, daß Gawan

Ihrer Herrin Bruder wäre,

Und der es war, der mit dem Heere[247]

Wider den König kam gezogen,

Um die Freude wär auch sie betrogen.


Ein Ringlein brachte sie dahin,

Das Itonjê, die Königin,

Ihm als Minnezeichen zugesandt,

Und einst ihr Bruder auserkannt

Geholt hatt über den Sabins.

Bene war den Poinzaklins

In einem Kahn herabgeschwommen.

Diese Märe ließ sie nicht verkommen:

»Meine Frau mit Frauenscharen

Ist von Schatelmerveil gefahren.«

Sie mahnt' ihn mehr von Itonjê

An Lieb und Treue, als wohl je

Einem Mann ein Kind entbot,

Und daß er dächte ihrer Noth,

Da sie jeglichem Gewinne

Vorzöge seine Minne.

Das macht den König wohlgemuth,

Obwohl er Gawan Unrecht thut.

Entgält ich so der Schwester mein,

Lieber wollt ich ohne Schwester sein.


Man bracht ihm Waffenschmuck: der war

So herrlich und so kostbar,[248]

Wen je die Minne so bezwang,

Daß nach der Frauen Lohn er rang,

Gahmuret oder Galoes,

Oder der König Kilikrates,

Den sah man nimmer für ein Weib

So köstlich schmücken seinen Leib.

Von Ipopotitikon

Oder aus der weiten Akraton,

Oder von Kalidomente,

Oder Agatirsiente

Ward nimmer beßrer Stoff gebracht,

Als ihm verwandt war zu der Tracht.

Da küsst er jenes Ringelein,

Das Itonjê, die Köngin rein,

Als Minnezeichen ihm gesandt.

Ihrer Treue Kraft war ihm bekannt:

Hätt er ein Unglück zu befahren,

Ihrer Minne Schild würd ihn bewahren.


Gewappnet stand nun Gramoflanz:

Jungfrauen zwölf, ein schöner Kranz,

Sah man auf edeln Rossen ragen.

Ihnen war es aufgetragen,

Der blühenden Genoßenschaft:

Jegliche hatt an einen Schaft

Den theuern Baldachin genommen,[249]

Unter dem der König wollte kommen.

Schattend trugen sie hindann

Ihn über dem beherzten Mann.

Von hohem Wuchs zwei Mägdelein

(Sie trugen dort den schönsten Schein),

Ritten in des Königs Hut.

Den Boten schien Verzug nicht gut;

Zu Artus fuhren sie hindann

Und trafen auf der Heimfahrt an

Gawanen, der da focht den Streit.

Das war den Knappen wunderleid:

Sie schrieen laut um seine Noth,

Wie ihnen Treue das gebot.


Dahin gekommen wars beinah,

Daß den Sieg erfochten da

Hätte Gawans Kampfgenoß.

Seine Obmacht war so groß,

Daß Gawan vor seinen Streichen,

Der werthe Degen, wollte weichen,

Als klagend seinen Namen nannten

Die Knappen, da sie ihn erkannten.


Der zum Streit erst war mit ihm bereit,

Vermied da wider ihn den Streit.

Fern aus der Hand warf er das Schwert:[250]

»Unselig bin ich und entehrt,«

Sprach mit Weinen der Gast,

»Allem Glücke ganz verhaßt,

Daß meine schuldige Hand

Jemals solchen Streit bestand.

Zu große Schmach muß ich erleben,

Ich will mich selber schuldig geben;

Mein Unheil riß mich wieder fort

Und schied mich von des Heiles Hort.

Mein altes Wappen ist dieß Leid,

Das oft und aber sich erneut.

Daß mit dem werthen Gawan

Ich solchen Kampf allhier begann!

Mein eignes Glück hab ich bestritten,

Von mir selber Niederlag erlitten.

Mir waren Heil und Glück entronnen,

Da ich diesen Kampf begonnen.«


Gawan die Klage hört und sah,

Zu seinem Gegner sprach er da:

»O sagt mir, Herr, wie heißet ihr?

Ihr redet gnädiglich von mir.

Was sprachet ihr nicht so zuvor,

Eh ich noch meine Kraft verlor:

So wär nicht all mein Preis zerronnen;

Ihr habt den Preis allhier gewonnen.[251]

Gern möcht ich euern Namen wißen:

Wär ich zu suchen dann beflißen

Meinen Preis, so wüst ich wo.

Eh mich mein guter Stern noch floh,

Erlag ich niemals Einem Mann.«

»Mein Name sei dir kundgethan

Freundlich nun und allemal:

Ich bin dein Vetter Parzival.«

»Recht,« sprach Gawan, »so werden grade

Kurzsichtger Thorheit krumme Pfade.

Zwei treuer Herzen Einfalt

That sich haßend hier Gewalt.

Uns beide überwand dein Streit:

Das sei dir für uns beide leid.

Dich selber hast du überwunden,

Wird Treue noch bei dir gefunden.«


Da diese Rede war gethan,

Vor Ohnmacht konnte Herr Gawan

Auf seinen Füßen nicht mehr stehn:

Man sah ihn schwankend, schwindelnd gehn.

Ihm war das Haupt betäubt von Streichen,

Aufs Gras hin sank er mit Erbleichen.

Artusens Junker eilte hin

Sein Haupt in seinen Schooß zu ziehn.

Da band den Helm das süße Kind[252]

Ihm ab und wehte kühlen Wind

Mit dem Pfauenhut, dem weißen,

Ihm ins Gesicht. Des Kinds Befleißen

Ließ die Kraft ihm wiederkehren.

Da nahte sich von beiden Heeren

Des Volkes viel. Denn dort und hier

War abgesteckt das Kampfrevier

Und wurden Schranken eingestoßen

Mit Bäumen, spiegelglatten, großen.


Gramoflanz bestritt die Kosten

Für den Kampfplatz und die Pfosten.

Der Bäume waren hundert,

Um lichten Glanz bewundert:

Dazwischen durfte niemand kommen.

Sie standen, so hab ichs vernommen,

Von einander vierzig Rennen,

In Farben, die da glänzend brennen,

Funfzig auf jeder Seite:

Dazwischen Raum zum Streite.

Das Heer soll draußen Frieden haben,

Als schiedens Maur und tiefe Graben:

So gelobten sich es an

Gramoflanz und Gawan.


Zu dem unverheißnen Streit

Kam großes Volk zu gleicher Zeit[253]

Aus beiden Heeren, daß es sähe,

Wie der verheißene geschähe.

Wunder nahm sie, wer Da stritte

Mit so streitbarer Sitte,

Und wie der Streit wär angefacht.

Seine Kämpfer hatte doch gebracht

Zu diesem Kampfe keins der Heere;

Drum däuchte seltsam sie die Märe.


Als der Kampf war gethan

Auf dem blumigen Plan,

Da kam der König Gramoflanz

Und wollte rächen seinen Kranz.

Er vernahm, hier sei ein Kampf geschehn,

So heftig, daß man nie gesehn

Schärfern Streit mit Schwerten.

Die sich diesen Kampf gewährten,

Die waren ohne Schuld daran.

Gramoflanz von seinem Bann

Ritt zu den Streitmüden hin

Und beklagte herzlich ihre Mühn.


Aufgestanden ist Gawan,

Obgleich er kaum sich regen kann.

Nun stehn hier diese Zwene.

Da war auch Fräulein Bene[254]

Mit dem König in den Kreiß geritten,

Wo dieser Kampf ward gestritten.

Da sie sah, wie der die Kraft verloren,

Den sie vor aller Welt erkoren

Zu ihrer höchsten Freudenkrone,

Mit des Herzens Jammertone

Sie von dem Pferde schreiend sprang:

Mit den Armen sie ihn fest umschlang

Und sprach: »Verflucht sei dessen Hand,

Der dieses Leid euch hat gesandt

Und euerm schönen Leibe klar.

Verflucht der Welt! Das ist wahr,

Ihr schienet stäts der Mannheit Spiegel.«

Sie setzt' ihn auf den Rasenhügel,

Mit Weinen ward er lang beklagt.

Auch streichelt' ihm die süße Magd

Aus den Augen Blut und Schweiß.

Noch war ihm in dem Harnisch heiß.


Gramoflanz der König sprach:

»Mir ist leid, Gawan, dein Ungemach,

Da Ich es dir nicht angethan.

Willst du morgen wieder auf den Plan

Mir zum Kampf entgegen reiten,

So will ich gerne mit dir streiten.

Ich bestünde lieber jetzt ein Weib[255]

Als deinen kraftlosen Leib.

Wie erwürb ich an dir Preis

Bevor ich dich bei Kräften weiß?

Ruh diese Nacht: das ist dir Noth

Eh du vertrittst den König Lot.«


Der starke Parzival noch trug

Von Schwäch und Müde keinen Zug;

Auch war er ohne Wunden.

Er stand des Helms entbunden,

Da ihn der werthe König sah;

Zu dem begann er höfisch da:

»Herr, was mein Vetter Gawan

Euch zu Leide hat gethan,

Nehmet mich dafür zum Pfand.

Wehrlich noch ist meine Hand.

Euern Zorn auf Ihn zu kehren,

Das will ich euch mit Schwertern wehren.«


Da sprach der Wirth von Roschsabins:

»Herr, er zahlt mir Morgen Zins

Und vergilt mir also meinen Kranz,

Daß der ergrünt in frischem Glanz;

Wo nicht, so muß es ihm gelingen

Mich auf der Schande Bahn zu bringen.

Ihr mögt wohl anders sein ein Held;

Hier seid ihr nicht zum Kampf bestellt.«
[256]

Bene hub da zürnend an:

»Pfui, ihr ungetreuer Mann!

Euer Herz hat Der befreit,

Dem euer Herz trägt Haß und Neid!

Der ihr euch minnend habt ergeben,

Die dankt ihm Freiheit, dankt ihm Leben.

So habt ihr selbst den Sieg verschworen,

An Minne jedes Recht verloren;

Und trugt ihr jemals Minne,

So wars aus falschem Sinne.«


Als Gramoflanz sie zornig sah,

Beiseite zog er Benen da

Und bat sie: »Freundin, zürnet nicht:

Diesen Kampf gebeut mir Pflicht.

Verbleib hier bei dem Herren dein;

Itonjen sag, der Schwester sein,

Ich sei und bleib ihr Dienstmann

Und woll ihr dienen wo ich kann.«


Da Benen diese Kunde kam,

Und sie's aus Seinem Mund vernahm,

Ihrer Herrin Bruder wär Gawan,

Der da solle kämpfen auf dem Plan,

Da zog des Jammers Ruder

In ihr Herz wohl ein Fuder[257]

Der herzlichen Schmerzen,

Da Treu ihr wohnt' im Herzen.

Sie sprach: »Fahr hin, verfluchter Mann,

Der Lieb und Treue nie gewann.«


Hin ritt der König mit den Seinen.

Artusens Junker, die kleinen,

Fiengen beider Kämpfer Pferde

Noch müde von des Kampfs Beschwerde.

Parzival mit Gawanen

Und Benen, der wohlgethanen,

Ritten heim zu Artus Heer.

Parzival mit kühner Wehr,

Den Preis errungen hatt er so,

Seiner Ankunft war man froh.

Von allen die ihn sahen kommen,

Ward seines Lobes viel vernommen.


Ich sag euch mehr noch wenn ich kann.

Hier sprachen von dem Einen Mann

In beiden Heeren alle Weisen:

Jeglicher begann zu preisen

Seine ritterliche That.

»Der hier den Preis gewonnen hat,

Es war, gestehn wirs, Parzival.«

Er war doch auch so schön zumal,

Wie nie ein Ritter wohlgethan;[258]

Das gestand ihm Weib und Mann,

Da er mit Gawan trat ins Zelt.

Eins versäumte nicht der Held:

Er bat ihn, sich umzukleiden.

Da brachte man diesen beiden

Gleiches, köstliches Gewand.

Da ward es überall bekannt,

Parzival wär angekommen,

Von dem ein Jeder oft vernommen,

Daß er hohen Preis errungen:

Die Alten sagtens und die Jungen.


Gawan sprach: »Willst du schauen

Vier auch dir verwandte Frauen,

Und andre Frauen klar und schön,

So will ich gerne mit dir gehn.«

Da versetzte Gahmuretens Kind:

»Wenn hier werthe Frauen sind,

Mit Mir beschwere du sie nicht,

Da Jede ungern mit mir spricht,

Die an des Plimizöls Gestad

Meine Lästerung vernommen hat.

Gott mög ihrer Ehre pflegen:

Allen Fraun erfleh ich Heil und Segen;

Doch schäm ich mich in ihrer Nähe

So sehr, daß ich sie ungern sähe.«
[259]

»Es muß doch sein,« sprach Gawan.

Da ließ er Parzival empfahn

Der vier Königinnen Ehrenkuss.

Wohl schufs der Herzogin Verdruß,

Daß sie Den küssen sollte,

Der von ihrem Kuss nichts wißen wollte,

Da sie Hand und Land ihm bot

(Darüber schuf nun Scham ihr Noth),

Als er vor Logrois gestritten

Und sie ihm weit war nachgeritten.

Parzival der Degen klar,

Wie befangen erst er war,

Als ein Wort das andre gab

Ließ davon allmählich ab;

Die Scham aus seinem Herzen floh,

Er wurde wieder frei und froh.


Herr Gawan mit Wohlbedacht

Gebot bei seines Willens Macht

Frau Benen, daß ihr süßer Mund

Es nicht Itonjen machte kund,

»Daß der König Gramoflanz

So mich haßt um seinen Kranz,

Und daß wir morgen neuen Streit

Kämpfen zu des Kampfes Zeit:

Meiner Schwester sollst du das nicht sagen;[260]

Und laß mit Weinen ab und Klagen.«

Sie sprach: »Ich habe Grund zu weinen

Und zu klagen, sollt ich meinen,

Denn Wer auch morgen unterliegt,

Meiner Frau wird Unheil zugefügt:

Ihr Glück ist jeden Falls erschlagen;

Meine Frau und mich muß ich wohl klagen.

Was hilfts, daß Ihr ihr Bruder seid?

Mit ihrem Herzen kämpft ihr Streit.«


Das ganze Heer war heimgekehrt.

Gawan und seinen Freunden werth

War bereit das Mittagsmal.

Da sollte mein Herr Parzival

Mit der Herzogin eßen:

Gawan durft es nicht vergeßen,

Er befahl den Degen ihr.

»Befehlen,« sprach er, »wollt ihr mir

Ihn, der der Frauen spotten kann?

Wie sollt ich pflegen diesen Mann?

Doch dien ich ihm, weil ihrs gebietet,

Ob er den Dienst mit Spott vergütet.«

Gahmurets Sohn sprach zu ihr:

»Frau, wie Unrecht thut ihr mir!

Mir wohnt wohl so viel Weisheit bei,

Die Frauen laß ich Spottes frei.«
[261]

Eßens gab man da genug:

Mit großer Zucht mans vor sie trug.

Mit Freuden aß Magd, Weib und Mann.

Doch Itonje sah es Benen an,

Sie konnt in ihren Augen lesen,

Daß sie von Weinen feucht gewesen.

Da ward sie auch vor Jammer bleich,

Alle Speise mied sie gleich.

Sie dachte: »Wie kommt Bene her?

Sandt' ich sie nicht zu Jenem, der

Dort mein Herz gefangen trägt

Und mich so unsanft hier bewegt?

Was hab ich wider ihn verbrochen?

Hat sich der König losgesprochen

Meines Dienstes, meiner Minne?

Mit mannlich streitbarem Sinne

Mag er an mir nicht mehr erwerben,

Als daß ich Arme muß ersterben

In sehnsüchtiger Klage,

Die ich schon lang im Herzen trage.«


Da das Mal ward aufgehoben

War schon der mitte Tag verstoben.

Da ritt Artus der König hehr,

Und sein Gemahl Frau Ginover,

Mit den Rittern all und Frauen[262]

Hin, wo der Degen war zu schauen

Unter werther Frauen Zahl.

Da ward empfangen Parzival:

Von viel Frauen wohlgethan

Must er Gruß und Kuss empfahn.

Viel Ehre bot ihm Artus dort,

Und dankt' ihm auch mit holdem Wort,

Daß seine hohe Würdigkeit

Die Welt erkenne weit und breit,

Und er den Preis vor Jedermann

Zu Lohne billig sollt empfahn.


Zu Artus sprach der Waleis da:

»Herr, als ich zuletzt euch sah,

Ward mir die Ehre schwer verletzt:

So viel Preis hab ich zu Pfand gesetzt,

Schier wär ich ganz darum gekommen.

Nun hab ich, Herr, von euch vernommen,

Wenn ihr die volle Wahrheit sprecht,

Ich habe noch am Preis ein Recht.

Ob ich das zweifelnd lerne,

So glaubt' ich doch euch gerne,

Wollt es auch glauben jener Orden,

Aus dem ich dort verstoßen worden.«

Die Ritter all gestanden,

Weit hab er in den Landen[263]

Den Preis mit solchem Preis erworben,

Daß sein Preis wär unverdorben.


Die Ritter auch der Herzogin

Kamen allzumal dahin,

Wo Parzival bei Artus saß.

Der werthe König nicht vergaß,

Er empfieng sie in des Wirthes Kreise.

Artus, der höfische und weise,

Wie weit auch war Gawans Gezelt,

Er setzte sich davor aufs Feld.

Sie saßen all im Kreiß umher,

Versammelt ward ein buntes Heer.

Wer dieser oder jener wäre,

Wohl gäb es eine lange Märe,

Sollt ich sie namentlich erwähnen,

Die Christen und die Sarazenen.

Wie hießen die in Klinschors Heer?

Wie jene, die so wohl zur Wehr

So oft von Logrois sind geritten,

Wenn sie für Orgeluse stritten?

Wer waren, die mit Artus kamen?

Der euch Aller Land, Geschlecht und Namen

Nennen sollte, wie die hießen,

Den müste keiner Müh verdrießen.

Doch sie gestanden insgemein,[264]

Der Preis sei Parzivals allein:

Der sei so klar und schön zu schauen,

Daß ihn wohl minnen dürften Frauen,

Und daß ihm keine Tugend fehle,

Die man zu hohem Preise zähle.


Da erhob sich Gahmuretens Kind

Und sprach: »Ihr Alle, die hier sind,

Helft mir jetzt zu einer Ehre,

Die ich ungern entbehre.

Mich vertrieb ein seltsam Wunder

Aus der Schar der Tafelrunder.

Ihr verhießt mir einst Genoßenschaft:

Helft mir mit vereinter Kraft

Nun dazu.« Gern gewährte

Artus ihm was er begehrte.


Mit Wenigen beiseite trat er;

Eine zweite Gunst erbat er:

Daß Herr Gawan ihm den Streit

Ließe, den zur Kampfeszeit

Er am Morgen sollte kämpfen.

»Ich möchte gern den Stolz ihm dämpfen,

Der sich nennt Roi Gramoflanz.

Heute Morgen einen Kranz

Brach ich mir von seinem Baum,[265]

Daß er zum Streit mir gäbe Raum.

Zum Streit nur kam ich in sein Land,

Zu streiten wider seine Hand.

Freund, Dein hatt ich mich nicht versehn;

Auch ist mir nie so leid geschehn:

Ich meinte, daß es Jener wäre,

Der mir Kampf mit sich gewähre.

Nun laß mich, Freund, ihn noch bestehn.

Soll er den Sieger jemals sehn,

Ich hoff ihm Schaden zuzufügen,

Der ihm billig mag genügen.

Mir ist mein Recht zurückgegeben,

Ich darf nun gesellig leben,

Lieber Vetter, mit dir.

Gedenke, Blutsfreund bist du mir,

Und überlaß mir den Streit:

Ich will da zeigen Mannheit.«


Da sprach Gawan der Degen hehr:

»Vettern, Brüder hab ich mehr

Beim König von Bretagne hier;

Doch ihrer Keinem noch dir

Gestatt ich, daß er für mich fechte.

Ich vertraue meinem Rechte,

Das Glück werd also walten,

Daß der Sieg mir bleib erhalten.[266]

Gott lohne dir den guten Willen,

Doch muß ich selbst die Pflicht erfüllen.«


Als Artus hörte was man sprach,

Ihr Gespräch er unterbrach

Und nahm mit ihnen Platz im Kreise.

Gawans Schenke höfscher Weise

Schickte Junker viel umher,

Die Becher trugen goldenschwer,

Besetzt mit edelm Gestein.

Der Schenke diente nicht allein.

Da das Schenken war geschehn,

Das Volk brach auf, zur Ruh zu gehn.


Mählich sank herab die Nacht.

Parzival mit Vorbedacht

Sah sein Rüstgeräthe nach.

Wo ein Riemen ihm gebrach,

Das ließ er gleich besorgen,

Daß es fertig wär am Morgen;

Auch einen neuen Schild gewinnen,

Da seinen außen und innen

Zerschlagen hatten Feindeswaffen.

Man must ihm einen starken schaffen.

Den brachten aus fremdem Land

Söldner, die ihm unbekannt;[267]

Etliche darunter Franzen.

Das Ross, darauf zum Spiel der Lanzen

Er einst sich sah den Templer nahn,

Ein Knappe nahm sich dessen an,

Daß es schmuck wär und bereit.

Nun war es Nacht und Schlafenszeit.

Schlafen gieng auch Parzival;

Sein Rüstgeräth lag vor ihm all.


Es kränkt' auch König Gramoflanz,

Daß ein andrer Mann für seinen Kranz

Denselben Tag gefochten.

Die Seinigen vermochten

Nicht zu beschwichtigen sein Trauern.

Er konnt es nie genug bedauern,

Daß er zu spät kam auf den Plan.

Was der Held da begann?

Der oft schon Preis erjagte,

Hier war er, als es tagte,

Gewappnet samt dem Ross zu schaun.

Ob wohl überreiche Fraun

Zu seiner Rüstung gaben Steuer?

Sie war auch so schon reich und theuer.

Er schmückte sich für eine Magd:

Der zu dienen war er unverzagt.

So ritt er auf die Wart allein.[268]

Dem König schufs nicht wenig Pein,

Daß der werthe Gawan

Nicht alsbald kam auf den Plan.


Nun hatte sich auch verhohlen

Parzival hinaus gestohlen.

Der Held aus einem Banner nahm

Einen starken Sper von Agram,

Auch hatt er volle Rüstung an.

So ritt er ganz allein hindann

Zu den Bäumen spiegelhelle,

Der erwählten Kampfesstelle.

Der König, sah er, hielt schon dort.

Eh der Eine noch ein Wort

Zu dem Andern gesprochen,

Hatte Jeder schon gestochen

Den Andern durch den Schildesrand,

Daß die Stücke von der Hand

Wirbelten in der Luft Revieren.

Sie waren beid im Tiostieren

Stark, und in anderm Streite.

Auf des Angers Weite

Ward der Morgenthau zerführt,

Die Helme unsanft oft berührt

Mit scharfgewetzter Schneide.

Ohne Zagen stritten beide.
[269]

Zertreten ward die grüne Au,

An mancher Statt verwischt der Thau.

Auch reuen mich die Blumen roth,

Noch mehr die Helden, die da Noth

Litten ohne Zagheit.

Wem wär das lieb und nicht leid,

Dem sie niemals weh gethan?

Nun machte sich auch Herr Gawan

Bereit zu seines Kampfes Sorgen.

Es währte bis zum mitten Morgen,

Eh man erfuhr die Märe,

Daß verschwunden wäre

Parzival der kühne.

Betrieb er dort die Sühne?

So stellt' er wahrlich sich nicht an,

Denn er stritt wie ein Mann

Mit Dem, der auch wohl streiten mag.

Nun war es hoch schon am Tag.


Indes ein Bischof Messe sang

Gawanen, gab es großen Drang

Von Rittern und von Frauen,

Die man zu Rosse schauen

Mochte vor Artusens Zelt

Während man die Messe hält.

Artus selbst im Schmuck der Waffen[270]

Stand bei den singenden Pfaffen.

Da man den Segen hat empfahn,

Wappnete sich Herr Gawan;

Man sah zuvor den Stolzen

Schon tragen Eisenkolzen

An wohlgeschaffnen Beinen.

Da sah man Frauen weinen.

Das Heer zog aus überall

Hin, wo sie hörten Schwerterschall

Und Funken sahn aus Helmen springen

Und Schwerter kräftiglich erschwingen.


König Gramoflanz verschmähte Streit

Mit Einem Manne lange Zeit;

Doch däucht es ihn nicht anders nun,

Mit Sechsen hätt ers hier zu thun.

Es war doch Parzival allein,

Dessen Kampf ihm schuf die Pein.

Ihn lehrte Der Bescheidenheit,

Die noch empfiehlt in dieser Zeit.

Er fühlte künftig kein Gelüsten

Mit der Rede sich zu brüsten,

Als böt er zweien Mannen Kampf;

Der Eine bracht ihn schon in Dampf.


Die Heere standen links und rechts

Vor den Schranken des Gefechts[271]

Auf dem grünen Anger breit

Und sahn der beider Kämpfer Streit.

Die Rosse seitwärts standen

Den kühnen Weiganden,

Während in der Mitten

Zu Fuß die Helden stritten

Einen Kampf, der lange währte.

Hoch aus der Hand die Schwerte

Warfen oft die beiden:

Sie wechselten die Schneiden.


So empfieng der König Gramoflanz

Sauern Zins für seinen Kranz.

Doch hatt es auch bei ihm nicht gut

Seiner Freundin nahverwandtes Blut.

Parzival entgalt im Streit

Itonjês, der schönen Maid,

Die ihm zu Gute müste kommen,

Wär nicht dem Recht sein Recht benommen.

Mit Hieb auf Hieb befleißten

Um Preis sich die Gepreisten:

Der Eine für des Freundes Noth;

Der Andre folgte dem Gebot

Der Minne als ihr Unterthan.

Da kam auch mein Herr Gawan,

Als es schier dazu gekommen,[272]

Daß den Sieg dahin genommen

Der stolze kühne Waleis.

Brandelidelein von Punturteis

Und Bernaut de Riviers

Und Affinamus de Klitiers,

Näher zu dem Kampf herbei

Ritten barhaupt diese drei.

Artus und Gawan

Ritten jenseits heran

Zu den kampfmüden Zwein.

Diese fünfe kamen überein,

Sie wollten scheiden diesen Streit.

Scheidens däucht es hohe Zeit

Gramoflanzen, denn sein Mund

That den Sieg des Helden kund,

Den er zu schwach war zu bestehn;

Das musten Andre auch gestehn.


Spöttisch sprach Herr Gawan nun:

»Ich will euch heut, Herr König, thun

Wie ihr mir gestern habt gethan,

Da ihr mir Ruhe riethet an.

Nun ruhet heut: das ist euch Noth.

Der euch diesen Kampf gebot

Der hätt euch jetzt zu schwach erkannt,

Kampf zu bieten meiner Hand:[273]

Ich bestünd euch wohl allein;

Ihr fechtet freilich nur mit Zwein.

Allein wag ich es morgen;

Für den Ausgang mag Gott sorgen.«

Zu den Seinen ritt der König fort:

Doch erst verpfändet' er sein Wort,

Daß er am Morgen mit Gawan

Zu streiten käme auf den Plan.


Zu Parzival sprach Artus da:

»Neffe, wenn es gleich geschah,

Daß du dir den Kampf erbatest,

Mit dem du gern den Freund vertratest,

So hatt es Gawan doch versagt:

Du hast es laut genug beklagt.

Nun hast du doch den Kampf gestritten

Für ihn, der sich nicht ließ erbitten,

Ob es uns leid war oder lieb.

Du schlichst dich von uns wie ein Dieb:

Wir hätten sonst wohl deine Hand

Von diesem Zweikampf abgewandt.

Nun zürne dir Herr Gawan nicht,

Wieviel man dir zum Lob auch spricht.«

Da sprach Gawan: »Mir ist nicht leid

Meines Vetters hohe Würdigkeit.

Morgen kommt mir noch zu früh[274]

Dieses Kampfes Sorg und Müh.

Erließe Jener mir den Strauß,

Das legt' ich ihm für Tugend aus.«


Das Heer ritt schaarweis von dem Plan.

Man sah da Frauen wohlgethan,

Und so manchen Mann im Eisenkleid,

Kein Heer gewann wohl nach der Zeit

Von Waffenschmuck solch Wunder.

Alle die Tafelrunder

Und das Ingesind der Herzogin,

Von ihren Wappenröcken schien

Seidenstoff von Cinidonte

Und Pfellel von Pelpionte.

Licht sind die Ueberdecken.

Parzival den Kecken

Priesen beide Heere so,

Seine Freunde hörtens froh.

Man sprach in Gramoflanzens Heer,

Gestritten habe nimmermehr

Wohl ein Ritter noch so kühn,

Den je die Sonne überschien;

Was auf beiden Seiten auch geschehn,

Ihm sei der Preis zuzugestehn.

Doch noch erkennen sie ihn nicht,

Dem jeder Mund zum Lobe spricht.
[275]

Gramoflanzens Ritter riethen

Ihm, Artusen zu entbieten,

Der König möchte sorgen,

Daß kein Andrer morgen

Käme, wider ihn zu fechten;

Daß er ihm sendete den rechten:

König Lotens Sohn, Gawanen

Woll er zum Zweikampf mahnen.

Als Boten sandte man geschwinde

Zwei kluge, höfische Kinde.

Der König sprach: »Nun sollt ihr spähn,

Wem ihr den Preis wollt zugestehn

Von all den klaren Frauen.

Auch sollt ihr sie beschauen,

Die ihr seht bei Benen sitzen.

Gebt Acht darauf mit Witzen,

Wie sich gebehrden wird die Maid,

Mit Freuden oder Traurigkeit:

Erforscht mir heimlich all ihr Wesen.

Ihr mögts in ihren Augen lesen

Ob Kummer um den Freund sie presst.

Seht auch, daß ihrs nicht vergeßt,

Benen gebt, der Freundin mein,

Diesen Brief und dieses Ringelein.

Die weiß, an Wen das weiter soll.

Bestellt es klug, so thut ihr wohl.«
[276]

Nun war es drüben so gekommen,

Itonjê hatte jetzt vernommen,

Daß ihr Bruder und der liebste Mann,

Den je ein Mädchenherz gewann,

Miteinander kämpfen sollten,

Und das mit Nichten laßen wollten.

Da überwand ihr Leid die Scham.

Wen nun freut des Mägdleins Gram,

Das Niemand was zu Leide that,

Der thut es wider meinen Rath.


Mutter und Großmutter beide,

In ein kleines Zelt von Seide

Führten sie das Mägdelein.

Da verwies Arniv ihr diese Pein,

Sie schalt sie um die Missethat.

Da blieb ihr auch kein andrer Rath,

Sie gestand hier offenbar,

Was ihnen lang verborgen war.

Da sprach das Mägdlein auserkannt:

»Soll mir nun meines Bruders Hand

Des Liebsten Herz zerschneiden,

Das möcht er lieber meiden.«


Da sprach zu einem Junkerlein

Arnive: »Sag dem Sohne mein,[277]

Daß er eilends kommen solle,

Allein, weil ich ihn sprechen wolle.«

Der führte bald Artusen hin.

Arnive dacht in ihrem Sinn,

Wenn er Alles von ihr höre,

Vielleicht, daß er dem Kampfe wehre,

Um den so bittres Herzeweh

Trug die schöne Itonjê.


Nun kamen Gramoflanzens Kinde

An bei Artus Heergesinde:

Sie stiegen nieder auf dem Feld.

Vor dem kleinen Seidenzelt

Der Eine Benen sitzen sah.

Ihr Gespiel begann zu Artus da:

»Ist das der Herzogin zur Lust,

Wenn mein Bruder mir des Freundes Brust

Durchbohrt auf ihren losen Rath?

Das schien' ihm billig Missethat.

Was hat der König ihm gethan?

Das rechn er meinthalb ihm nicht an.

Ist mein Bruder recht bei Sinnen

(Er weiß, wie wir uns beide minnen,

Ohne Trübe klar und lauter),

So gereut ihn selbst mein Trauter.

Soll mir seine Hand erwerben[278]

Nach des Königs Tod ein bittres Sterben,«

Sprach zu Artus die süße Magd,

»Das sei euch, edler Herr, geklagt.

Bedenkt, daß Ihr mein Oheim seid,

Und scheidet treulich diesen Streit.«


Da sprach aus weisem Munde

Artus zur selben Stunde:

»O weh, geliebte Nichte mein,

Daß du so früh der Minne Pein

Empfandst! das must du bitter büßen.

Deiner Schwester Sürdamur der Süßen

Gab Tod der Griechen Kaiser.

Süße Magd sei weiser!

Diesen Kampf wohl möcht ich scheiden,

Wüst' ist das von euch beiden,

Daß eure Herzen einig sind.

Gramoflanz, Irotens Kind,

Ist so mannlich von Sitten,

Dieser Kampf wird gestritten,

Hemmt ihn deine Minne nicht.

Sah er dein holdes Angesicht

Bei Freunden nie zu einer Stund,

Und deinen süßen rothen Mund?«


Da sprach sie: »Das ist nie geschehn:

Wir minnen uns noch ohne Sehn:[279]

Doch hat er mir als Liebeszeichen,

Daß er nicht wanken will noch weichen,

Manches Kleinod zugesandt.

Er empfieng auch von Meiner Hand

Was zum Minnetrost gehört

Und Minnezweifel wohl zerstört:

Mir ist des Königs Herz beständig,

In Falschheit nie abwendig.«


Da erkannte Fräulein Bene,

Jene Knappen, die zwene,

König Gramoflanzens Kinde,

Gesandt zu Artus Heergesinde.

Sie sprach: »Hier sollte Niemand stehn;

Erlaubt, das Volk nur heiß ich gehn

Hinweg aus unsern Schnüren.

Hört man euch hier vollführen

Solchen Jammer um eur Traut,

Die Märe würde leicht zu laut.«

Bene ward hinausgesandt.

Da schob ein Kind in ihre Hand

Den Brief mit dem Ringelein.

Sie hatten auch die hohe Pein

Ihrer Herrin wohl vernommen,

Und sprachen, sie sei'n hergekommen,

Daß Artus sie sprechen sollte:[280]

Ob sie das fügen wollte?

Sie sprach: »Bleibt aus dem Kreiße

Bis ich euch kommen heiße.«


Von Benen ward, der süßen Magd,

Den dreien im Gezelt gesagt,

Gramoflanzens Boten wären dort

Und fragten, an welchem Ort

König Artus sich befände?

»Wohl dünkt mich, daß es übel stände,

Hörten sie was wir hier sprechen.

Wofür sollt ich mich wohl rächen

An meiner Frau, ließ' ich sie sehn

Wie ihr die Thränen niedergehn?«


Artus sprach: »Sind es die Knaben,

Die ich mir hinterdrein sah traben?

Es sind zwei Kinde hoher Art,

Vor aller Missethat bewahrt,

Und so höfisch, daß wir ohne Schaden

Sie wohl zu diesem Rathe laden.

Jedweder hat so kluge Sinne,

Daß er von seines Herren Minne

Bei Itonjê zu Niemand spricht.«

Bene sprach: »Das weiß ich nicht.

Herr, mags mit Euern Hulden sein,

Der König hat dieß Ringelein[281]

Dahergesandt und diesen Brief.

Da ich vor das Zelt nun lief,

Gab ihn eins der Kinde mir.

Herrin, seht, den nehmet ihr.«


Wohl ward der Brief geküßt mit Lust:

Itonjê drückt' ihn an die Brust.

Da sprach sie: »Herr, hieraus erseht,

Ob der König mich um Minne fleht.«

Den Brief nahm Artus in die Hand,

Darin er denn geschrieben fand

Von dem, der Minne hegte,

Was in den Mund sich legte

Gramoflanz der treue Mann.

Artus sah den Brief wohl an,

Daß sie der König minne

Mit so minniglichem Sinne

Wie er es selten noch vernommen.

Da stand was mag zur Minne frommen:


»Ich grüße der ich schulde Gruß,

Ihren Gruß mit Dienst erwerben muß.

Fräulein, ich meine dich,

Da du mit Trost willst trösten mich.

Unsre Lieb ist nicht zu scheiden:

Sieh da die Wurzel meiner Freuden!

Kein Trost ist, der dem Troste gleicht,[282]

Daß sich dein Herz zu meinem neigt.

Du bist der Schlüssel meiner Treue;

Nun flieht mich Kummer, flieht mich Reue.

Deine Minne giebt mir Hülf und Rath,

Daß keiner unlautern That

Gedanke wird an mir gesehn.

Zu deiner Güte will ich flehn

So stät und so unwandelbar

Wie der Polarstern immerdar

Nach dem Nordpol sich dreht

Und nimmer von der Stelle geht.

So stät soll unsre Minne stehn

Und nimmer auseinander gehn.

Nun bedenke, süße Magd,

Den Kummer, den ich dir geklagt,

Und sei zu helfen nimmer laß.

Hegt mir Jemand solchen Haß,

Daß er dich von mir will scheiden,

So bedenke, daß uns beiden

Einst noch Minne Lohn gewähre.

Thus allen Fraun zur Ehre,

Und laß mich sein dein Dienstmann:

Ich will dir dienen wo ich kann.«


Artus sprach: »Ich weiß genug:

Der König grüßt dich ohne Trug.[283]

So viel thut dieser Brief mir kund,

Daß ich so wunderbaren Fund

In Minnesachen selten fand.

Nun sorge, daß ihm wird gewandt

Sein Ungemach: Er wendets dir.

Ueberlaßt das Beide mir:

Diesen Kampf will ich verhindern;

Das mag derweil den Schmerz dir lindern

Doch warst du nicht gefangen?

Sprich, wie ist das ergangen,

Daß ihr euch beide wurdet hold?

Gieb ihm deiner Minne Sold

Bis ihn sein Dienst vergelten mag.«

Itonjê, Artus Nichte, sprach:

»Sie ist hier die das betrieben;

Unser Keiner dacht ans Lieben.

Wollt Ihr, sie fügts, daß ich ihn schaue,

Dem ich mein ganzes Herz vertraue.«


Artus sprach: »Die zeige mir.

Kann ich, so füg ichs Ihm und Dir,

Daß es nach euerm Willen geht

Und ihr am Ziel der Wünsche steht.«

Itonjê sprach: »Es ist Bene.

Auch sind hier seiner Knappen zwene:

Wollt ihr euch dafür verwenden,[284]

(Mein Leben steht in euern Händen),

Daß der König zu uns kommt,

Der mir allein zur Freude frommt?«


Artus der weise höfsche Mann

Traf vor dem Zelt die Knappen an.

Er grüßte sie, als er sie sah.

»Herr,« sprach Eins der Kinde da,

»Euch bittet Gramoflanz, zu walten,

Daß das Gelübde wird gehalten,

Das der König hat gethan

Euerm Neffen Gawan:

Das wird euch selber ehren.

Er ersucht euch, vorzukehren,

Daß kein andrer mit ihm fechte mehr.

Allzugroß ist euer Heer:

Sollt er mit allen fechten,

Zuwider wärs den Rechten.

Stellt ihm keinen als Gawanen:

Den sollt ihr zu dem Zweikampf mahnen.«


Der König zu den Kindern

Sprach: »Das will ich hindern.

Meinem Neffen war es schmerzlich leid,

Daß er nicht selber kam zum Streit.

Den man euern Herren sah bekriegen,[285]

Dem ist es angestammt, zu siegen:

Er ist Gahmuretens Kind.

Die hier in dreien Heeren sind

Von allen Seiten hergekommen,

Die haben Alle nie vernommen

Kühnern Kampf von einem Helden:

Von seiner That ist Preis zu melden.

Es ist mein Neffe Parzival:

Ihr seht den Kühnen wohl einmal.

Schon um Gawanens Willen

Werd ich des Königs Wunsch erfüllen.«


Artus und Bene

Und die Knappen, die zwene,

Ritten durch das Heergesinde.

Da nahmen wahr die Kinde

Viel der herrlichen Frauen.

Auch mochten sie da schauen

Viel Schmuck auf Helmen blinken.

Sollt es zu theuer dünken

Den reichen Mann, in Bildern

Seine Freundschaft abzuschildern?

Von den Pferden kamen sie nicht mehr;

Artus ließ im ganzen Heer

Die Knappen all die Besten sehn:

Da mochten sie nach Wunsch erspähn[286]

Ritter, Frauen und Maide,

Manch schönes Weib im schmucken Kleide.


Das Heer bestand aus dreien Stücken,

Dazwischen zwei Lücken.

Auf den Plan weit von dem Heer

Mit den Kinden ritt der König hehr.

Da sprach er: »Bene, süße Magd,

Du hörtest was mir hat geklagt

Itonje, meiner Schwester Kind:

Sie weint sich schier die Augen blind.

Wohl glauben dürfen sie es mir,

Meine kleinen Gesellen hier:

Itonjên hat Gramoflanz

Schier verlöscht den lichten Glanz.

Nun helfet mir, ihr zwene,

Und du auch, Freundin Bene,

Daß der König zu uns reite,

Bevor er morgen streite.

Meinen Neffen Gawan

Werd ich ihm bringen auf den Plan.

Kommt der König heute her,

Das frommt ihm morgen wohl zur Wehr.

Hier giebt ihm einen Schild die Minne

Seinem Kampfgenoß zum Ungewinne:

Ich meine, hohen Liebesmuth,[287]

Der oft dem Feinde Schaden thut.

Er soll die Fürsten mit sich bringen:

Zu sühnen mag mir hier gelingen

Ihn und die schöne Herzogin.

Das bestellt mit klugem Sinn,

Ihr Lieben, es ehrt euch sehr.

Klagen muß ich euch noch mehr:

Was hab Ich unselger Mann

Dem König Gramoflanz gethan,

Daß er wider mein Geschlecht

(Vielleicht bedenkt er es nicht recht)

Mit Minne und mit Haß gebahrt?

Ein jeder König meiner Art

Sollte mein billig schonen

Will er's ihrem Bruder lohnen

Mit Haß, daß er die Schwester minnt?

Sein Herz, wenn er sich recht besinnt,

Muß ihm von Minne wanken,

Nährt es solcherlei Gedanken.«


Der Kinde Eins zum König sprach:

»Herr, was Euch zum Ungemach

Gereicht, davon soll meiner laßen:

Es will sich wenig für ihn passen.

Doch kennt ihr wohl den alten Groll:[288]

Drum dünkt mich, daß er bleiben soll,

Und heute nicht herüber ziehn.

Noch zürnt die Herzogin auf ihn,

Sie hat ihm ihre Huld versagt,

Ihn bei manchem Mann verklagt.«

»Mit wenig Leuten komm er doch,«

Sprach Artus. »Ich stift ihm heute noch

Sühne für den alten Zorn

Bei der Fürstin wohlgeborn;

Und schaff ihm gut Geleit zuvor:

Meiner Schwester Sohn Beaukorps

Harre sein auf halbem Wege.

Fährt er so in meine Pflege,

Darin darf er keine Schmach erblicken:

Ich will ihm werthe Leute schicken.«


Mit Urlaub fuhren sie hindann;

Allein blieb Artus auf dem Plan.

Bene mit den Junkerlein

Ritt zu Roschsabins hinein

Und zu dem Heer, das draußen lag.

Noch erlebte niemals liebern Tag

Gramoflanz, da ihm bekannt

Die Botschaft ward. Sein Herz gestand,

Selig müß es diese Stunde

Preisen, da ihm kam die Kunde.
[289]

Er sprach, er wollte gerne kommen.

Gesellschaft hatt er bald genommen:

Seiner Landesfürsten drei

Gesellte sich der König bei.

Sein Oheim wollt auch mit ihm sein,

Der König Brandelidelein.

Ferner Bernaut de Riviers

Und Affinamus de Klitiers.

Der Sechse Jeder nahm sich weiter

Einen schicklichen Begleiter,

Daß auf zwölfe stieg die Zahl.

Viel Junker wurden auch zumal,

Und mancher Knecht, der Waffen trug,

Auserkoren zu dem Zug.


Wie die Herrn gekleidet sei'n?

In Pfellel, die viel lichten Schein

Von des Goldes Schwere gaben.

Des Königs Falkner sah man traben

Mit ihm zu der Vogeljagd.

Nun hatt es Artus wohl bedacht:

Beaukorps den schönen Degen

Sandt er halbwegs entgegen

Dem König zum Geleite.

Durch des Gefildes Breite

Sah er sich Bäume reihn und Sträuche,[290]

Obs am Bach war oder Teiche:

Da ritt der König beizend her,

Doch um der Minne willen mehr.

Nun empfieng ihn Beaukorps da,

Daß ihm Freude dran geschah.


Mit Beaukorps als Gesinde

Kamen mehr als funfzig Kinde;

Ihr Geschlecht gab lichten Schein,

Herzogen meist und Gräfelein,

Auch Königssöhne drunter.

Der Empfang ward munter

Von den Kinden beiderseits begangen:

Man sah sie freundlich sich umfangen.


Ein schöner Jüngling war Beaukorps.

Da befrug der König sich zuvor:

Bene sagt' ihm Märe,

Wer der klare Ritter wäre.

»Beaukorps ist es, Lotens Sohn.«

Da dacht er: »Herz, du findest schon

Auch Sie, die gleichen muß dem Degen,

Der so minniglich mir kommt entgegen.

Traun, sie ist seine Schwester,

Die den Hut von Sinzester

Mir mit dem Sperber hat geschickt.[291]

Wenn mir Ihr Auge freundlich blickt,

Alle irdsche Herrlichkeit,

Und wär die Erde zwier so breit,

Ich nähme Sie dafür wohl an.

Sie sei mir treulich zugethan.

Auf Ihre Gnade komm ich her;

Getröstet hat sie mich so sehr,

Ich getraue, daß sie an mir thut

Was mir noch höher hebt den Muth.«

Ihres klaren Bruders Hand nahm seine;

Die fand man auch in lichtem Scheine.


Unterdessen hatt im Heer

Artus mit dem König hehr

Ausgesöhnt die Herzogin.

Ihr war ersetzender Gewinn

Gekommen jetzt für Cidegast,

Um den sie Jenen lang gehaßt.

Ihr Zürnen war verdorben:

Die bei Gawan erworben

Manch zärtliches Umfangen,

Ihr war der Zorn vergangen.


Nun nahm Artus, der Britte,

Die klaren Frauen edler Sitte,

So Mägdelein als Frauen,[292]

Die da wonniglich zu schauen.

Zu einem Zelte bracht er hundert

Der schönsten, die man meist bewundert.

Liebres konnte nichts geschehn,

Da sie den König sollte sehn,

Itonjên, die auch da saß.

Ihre Freude kannte kaum ein Maß:

Doch zeigte ihrer Augen Schein,

Daß sie die Minne lehrte Pein.


Schöner Ritter sah man auch genug;

Der werthe Parzival doch trug

Den Preis davon vor allem Glanz.

Vor die Schnüre ritt da Gramoflanz:

In Gampfassasch gewoben

War sein Rock und wohl zu loben:

Er war auch reich durchwirkt mit Gold

Und weit den Schimmer warf er hold.


Ab saß er mit dem Heergesinde.

König Gramoflanzens Kinde

Sprangen zahlreich ihm voraus

Und eilten in das luftge Haus.

Die Kämmrer ohne Säumen

Ließen weite Straße räumen

Vor der Britten Königin.[293]

Sein Oheim Brandelidelin

Schritt vor dem Könige daher:

Mit Kuss empfieng ihn Ginover;

Auch den König selbst empfieng ihr Kuss.

Bernaut und Affinamus

Sollten auch den Kuss empfahn.

Zu Gramoflanz hub Artus an:

»Eh ihr einen Stuhl gewinnt,

Schauet, ob ihr Eine minnt

Dieser Fraun: die mögt ihr küssen:

Wir gönnen euch, die Lust zu büßen.«


Ihm verrieth wo seine Freundin saß

Der Brief, den er im Felde las:

Ihren Bruder hatt er dort gesehn,

Die ihm, nun darf sie's frei gestehn,

Geheim verliehn der Minne Glück.

Da erkannte Gramoflanzens Blick

Die Schöne, die ihm Minne trug,

Da freute sich sein Herz genug.

Artus hatt es eingeräumt,

Daß sie einander ungesäumt

Durften ohne Haß empfangen:

Itonjen küsst' er Mund und Wangen.


Der König Brandelidelin

Setzte sich zur Königin.[294]

Auch saß der König Gramoflanz

Bei Der, die oft den lichten Glanz

Getrübt sich hat mit Thränen,

Da sie zwang der Liebe Sehnen.

Will er dieß nicht an ihr rächen,

So muß er freundlich zu ihr sprechen

Und ihr Dienst für Minne bieten.

Wie ihr des Herzens Sinne riethen,

Dankte sie ihm für sein Kommen.

Sonst ward ihr Sprechen nicht vernommen;

Sie sahn einander gerne.

Wenn ich einst reden lerne,

So meld ich, was sie sprachen da,

Jedes Nein und jedes Ja.


Artus zu Brandelidelein

Begann: »Ihr habt der Frauen mein

Schönes nun genug gesagt.«

Darauf dem Degen unverzagt

Winkt' er in ein kleines Zelt,

Kurzen Weg übers Feld.

Gramoflanz blieb stille

Sitzen (das war Artus Wille)

Mit allen den Gesellen sein.

Da gaben Frauen klaren Schein,

Was wohl die Ritter nicht verdroß.[295]

Ihre Kurzweil war so groß,

Wohl litte sie ein Mann noch heute,

Der sich nach Sorgen gerne freute.


Der Schenke vor die Köngin trug

Das Trinken. Tranken sie genug,

So wars den Rittern und den Frauen

Wohl am Roth der Wangen anzuschauen.

Zu trinken trug man auch hinein

Zu Artus und Brandelidelein.

Da der Schenke wieder gieng

Herr Artus an zu reden fieng:


»Herr König, setzt, es hätte schon

Der König, eurer Schwester Sohn,

Meiner Schwester Sohn erschlagen:

Wollt er alsdann noch Minne tragen

Meiner Nichte, jener Magd,

Die ihm dort ihr Leid noch klagt,

Wo wir sie ließen minnen –

Wär Sie bei klugen Sinnen,

Sie würd ihm nimmer wieder hold,

Und gäb mit Haß ihm solchen Sold,

Daß es den König wohl verdröße,

Wenn er gern noch ihrer Huld genöße.

Wo Haß die Liebe unterbricht,

Wird treuer Herzen Wunsch zunicht.«
[296]

Der König sprach von Punturtois

Zu Artus dem Bretanois:

»Herr, sie sind unsre Neffen,

Die im Kampf sich wollen treffen:

Drum laßen Wir ihn nicht geschehn.

Nichts Andres mag daraus entstehn,

Als daß sie zwei sich minnen

Mit Herzen und mit Sinnen.

Itonje, eure Nichte, soll

Meinem Neffen dräun mit ihrem Groll,

Daß er dem Kampf entsage,

Wenn er Minne zu ihr trage.

So wird fürwahr der Kampf vermieden,

Der Streit geschlichtet sein im Frieden;

Nur sorgt, daß von der Herzogin

Meinem Neffen sei verziehn.«


Artus sprach: »Das thu ich schon.

Gawan, meiner Schwester Sohn,

Hat wohl so viel Gewalt bei ihr,

Daß sie Ihm zu Lieb und Mir

Dem König seine Schuld verzeiht.

Versühnt ihr andrerseits den Streit.«

»Ich thus,« sprach Brandelidelein.

Sie traten beide wieder ein.
[297]

Sich setzte Der von Punturtois

Zu Ginover; die war kurtois.

Dort saß Parzival bei ihr:

Der trug noch solcher Schönheit Zier,

Daß kein Auge schönern Mann noch sah.

Von hinnen hob sich Artus da

Zu seinem Neffen Gawan.

Dem war zu wißen schon gethan,

Roi Gramoflanz wär angekommen.

Artus, wurde jetzt vernommen,

Halte draußen vor dem Zelt:

Ihm entgegen sprang er auf das Feld


Die beiden brachtens nun dahin,

Daß Sühne gab die Herzogin;

Doch anders nicht, als wenn Gawan,

Ihr Freund und vielgeliebter Mann,

Dem Kampf entsage Ihr zu Ehren:

So wolle Sühne sie gewähren;

Und wenn der König seiner Klage,

Der angemaßten, ganz entsage,

Wider ihren Schwäher Lot:

Das war es was sie ihm entbot.


Diese Märe bracht ihm dann

Artus, der weise höfsche Mann.[298]

Da muste König Gramoflanz

Wohl verschmerzen seinen Kranz.

Sein alter Haß auch gegen

König Lot von Norwegen,

Der zergieng wie in der Sonne Schnee

Um die klare Itonjê

Lauterlich ohn allen Haß.

Das geschah, indem er bei ihr saß:

Er bewilligte was Sie ihn bat.

Nun seht, wie dort Herr Gawan naht

Mit herrlichen Leuten.

Ich könnt euch nicht bedeuten

Wie sie all genannt sind und wo dannen.

Da muste Liebe Leid verbannen.


Orgeluse die fiere

Und ihre kühnen Soldiere,

Dazu auch Klinschors Degen

(Nicht alle sind zugegen),

Sah man mit Gawanen kommen.

Artusens Zelte ward genommen

Der Lufthelm von dem Hute.

Arniv auch kam, die gute,

Sangiv und Kondriê zum Schluß:

Gebeten hatte sie Artus

Bei dieser Sühne zu sein.[299]

Wen Solches unwerth dünkt und klein,

Der größe, was er meint von Werthe.

Jofreit, Gawans Gefährte,

Führte die schöne Herzogin

An seiner Hand zum Zelte hin.

Doch sah man sie die Zucht beginnen:

Die drei Königinnen

Ließ sie vor sich gehn hinein.

Die küsste Brandelidelein;

Seinen Kuss auch Orgelus empfieng.

Des Sühnekusses willen gieng

Ihr auch Gramoflanz entgegen,

Wo ihr süßer rother Mund den Degen

Zum Pfande der Versöhnung küsste,

Wie sehr auch Weinens sie gelüste.

Sie dacht an Cidegastens Tod.

Da zwang zu weiblicher Noth

Sie die Trauer um den Degen gut;

Daran erkennt getreuen Muth.


Zwischen Gawan und Gramoflanz

Macht' auch ein Kuss die Sühne ganz.

Artus gab Itonjê

Gramoflanzen dann zur Eh;

Er hatte lang gedient der Schönen.

Da das geschah, das freute Benen.[300]

Den auch die Minne lehrte Pein,

Dem Herzogen von Gowerzein,

Lischois, ward Kondriê gegeben:

Alle Freude fehlte seinem Leben

Eh er ihre Minn empfand.

Dem Türkowiten Florand

Zur Eh Sangiven Artus bot,

Die vermählt einst war dem König Lot.

Wie der Fürst sie gerne nahm!

Solcher Gab ist Minne niemals gram.


Milde war Artus mit Frauen,

Gern ließ er solche Gabe schauen.

Das geschah mit Rath und Wohlbedacht.

Da dieß Alles war vollbracht,

Da gestand die Herzogin,

Daß Gawan mit kühnem Sinn

Ihre Minne hätt errungen,

Ihr Herz, ihr Land bezwungen

Und beider Herr nun wäre.

Nicht wohl gefiel die Märe

Ihren Söldnern, die der Spere viel

Verthan nach ihrer Minne Ziel.


Gawan, und die da mit ihm ziehn,

Arnive und die Herzogin[301]

Und viel der Frauen wohlgethan,

Auch Parzival der kühne Mann,

Sangive dann und Kondriê

Nahmen Urlaub: Itonjê

Verblieb allein bei Artus dort.

Nun sagt nicht, daß an anderm Ort

Schönre Hochzeit je geschah.

In die Pflege nahm Ginover da

Itonjen und ihr werth Gemahl,

Den König, der so manchesmal

Den Preis erlangt im Ritterspiel,

Als Itonjes Minne war sein Ziel.

Der Herberg ritt da Mancher zu,

Dem hohe Minne nahm die Ruh.

Wie sie zu Nacht gegeßen,

Das darf ich wohl vergeßen:

Wer da auf Minne war bedacht,

Der zog dem Tage vor die Nacht.


Da erbot der König Gramoflanz

(Sein Stolz erwünschte höchsten Glanz)

Zu Roschsabins den Seinigen.

Sie sollten es beschleunigen,

Das Gezelt abbrechen bei dem Meer

Und vor Tag noch kommen mit dem Heer;

»Und daß mein Marschall auf dem Plan[302]

Raum nehme, der es faßen kann.

Mir sorgt für hohen Staat mit Fleiß,

Jeglichem Fürsten eignen Kreiß.«

Der König sann auf hohe Pracht.

Da die Boten fuhren war es Nacht.


Da war auch mancher traurge Mann,

Dem hattens Frauen angethan:

Wem sein Dienst ins Leere schwindet,

Daß er nie Erhörung findet,

Der muß in Sorgen leben

Bis ein Weib will Hülfe geben.


Da gedachte wieder Parzival

An sein wonniglich Gemahl,

Ihre süße Keusche schuf ihm Noth.

Ob er niemals Andern Dienste bot,

Und mit unstätem Sinne

Warb um fremde Minne?

Solch Minnen wird von ihm gespart.

Die Treue hielt ihm so bewahrt

Sein mannlich Herz und auch den Leib,

Daß wahrlich nie ein ander Weib

Seine Minne nahm dahin

Als allein die Königin

Kondwiramur,

Der schönste Flor der Minneflur.
[303]

Er gedachte: »Seit ich minnen kann,

Wie hat die Minne mir gethan?

Aus Minne ward ich doch geboren:

Wie hab ich Minne so verloren?

Soll ich nach dem Grale ringen,

So muß mich immer Sehnsucht zwingen,

Daß mich Ihr keuscher Arm umfange,

Von der ich schied, es ist zu lange!

Soll mein Auge Freude sehn

Und Jammer doch mein Herz durchwehn,

Die Dinge sehn sich wenig gleich.

Leider hohen Muthes reich

Wird Niemand durch Verzichten.

Mag mich das Glück berichten

Was für mich das Beste sei.«

Sein Harnisch lag ihm nahe bei.


Er dachte: »Da sich Mir entzieht

Was allen Glücklichen blüht,

Ich meine die Minne,

Die manches Traurgen Sinne

Fröhlich macht und freudenreich,

Da dieß mein Looß, so gilt mir gleich

Alles andern Leids Beschwerde.

Gott will nicht, daß mir Freude werde.

Die mir zur Minne zwingt die Sinne,[304]

Stünd es so um unsre Minne,

Daß sich ein Scheiden ließe denken,

Uns je ein Zweifel könnte kränken,

Wohl möcht ich andre Minne finden;

Doch Unsrer Minne muß verschwinden

Andre Minne, fremde Lust:

Drum flieht der Harm nie meine Brust.

Das Glück mög Allen Freude geben,

Die nach voller Freude streben.

Gott schenke Freud all diesen Scharen:

Ich will aus diesen Freuden fahren.«


Hin griff er, wo die Rüstung lag,

Der sich allein wohl rüsten mag,

Und wappnete sich bald darein.

Nun will er suchen neue Pein.

Da der freudenflüchtge Mann

Seinen Harnisch angethan,

Das Ross allein auch sattelt' er;

Bereit schon stand ihm Schild und Sper.

Am Morgen hörte mans beklagen.

Er schied, als es begann zu tagen.


Quelle:
Wolfram von Eschenbach: Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862, Band 2, S. 238-305.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
Parzival. Text und Übersetzung. Mittelhochdeutscher Text: Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text Nach Der Sechsten Ausgabe Von Karl Lachmann. Mit ... Und in Probleme Der Parzival-interpretation
Parzival - Band 1: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival - Band 2: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival: Band 1 und 2
Parzival I und II (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch)

Buchempfehlung

Platen, August von

Gedichte. Ausgabe 1834

Gedichte. Ausgabe 1834

Die letzte zu Lebzeiten des Autors, der 1835 starb, erschienene Lyriksammlung.

242 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon