Feirefiss.

[310] Es hat der Leute viel verdroßen,

Denen diese Märe war verschloßen;

Die konnte Mancher nie erfahren.

Nun will ich das nicht länger sparen,

Ich thu euch kund die rechte Sage

Da ich ihn im Munde trage,

Den Schlußstein dieser Abenteuer,

Wie der süße Held geheuer

Anfortas wieder ward gesund.

Uns thut die Aventüre kund,

Wie von Pelrapär die Königin

Den keuschen weiblichen Sinn

Behielt bis ihr zum Lohne

Ward die höchste Erdenkrone.

Die soll ihr Parzival erwerben,

Mir müste denn die Kunst verderben.


Noch scharfen Kampfs erst muß er pflegen:

Was er bisher gekämpft, hiergegen

Hieß Alles nur mit Kindern streiten.[311]

Dürft ich diesen Kampf beseiten,

Meinen Helden wollt ich ungern wagen;

Ich würd ihn willig ledig sagen.

Seinem Herzen will ich denn befehlen

Sein Glück, so kann es ihm nicht fehlen!

Da ist Milde bei Verwogenheit.

Niemals zagt' es ihm im Streit:

Das mög ihm Stärke geben,

Daß er behält das Leben.

Denn nun kommt es an die Zeit,

Ihn besteht ein Fürst ob allem Streit

Auf seiner unverzagten Reise.

Dieser Höfische und Weise

War ein heidnischer Mann,

Der die Taufe nie gewann.


Parzival ritt balde

Vor einem großen Walde

Auf wüst gelichteten Wegen

Einem reichen Gast entgegen.

Ein Wunder, wenn ich armer Mann

Den Reichthum euch vermelden kann,

Den der Heid an seiner Rüstung trug.

Sag ich davon mehr als genug,

Doch muß ich mehr davon erzählen,

Will ich das Meiste nicht verhehlen.[312]

Wie großen Zins Artusens Hand

Bretagne zollt und Engelland,

Damit bezahlt' er nicht die Steine,

Die der Held mit lichtem Scheine

Auf seinem Wappenkleide trug.

Köstlich war er, sonder Trug.

Rubinen, Chalcedonen

Mochte der Blick gewohnen:

Der Wappenrock gab lichten Schein.

Im Berge zu Agremontein

Hatten ihn Salamander

Gewirkt miteinander

In des heißen Feuers Brand.

Edelsteine bis zum Rand

Lagen dunkel drauf und licht:

Ihre Art benennen kann ich nicht.


Auf Minne stand des Helden Sinn

Und auf hohen Ruhms Gewinn.

Das Meiste hat ihm auch ein Weib

Geschenkt, womit des Heiden Leib

Sich so köstlich hat geschmückt.

Daß ihn der Minne Gunst beglückt

Das lieh ihm Kraft und hohen Muth,

Wie stäts sie Liebenden thut.

Auch trug er als des Preises Lohn[313]

Auf dem Helmschmuck ein Ecidemon.

Alle giftigen Schlangen

Sieht man vor dem Thierlein bangen:

Ihr Leben muß versiechen

Wenn sie's von Weitem riechen.

Thopedissimonte

Und Assigarzionte,

Thasme und Arabia

Entbehren Pfellel, wie man sah

An seines Pferdes Decke.

Der ungetaufte Recke

Warb um den Lohn der Frauen,

Drum war er schmuck zu schauen.

Sein hoher Sinn wars, der ihn zwang,

Daß er nach edler Minne rang.


Der kühne Knabe, den wir trafen,

Hatt in einem wilden Hafen

Bei dem Wald geankert auf dem Meere.

Er hatte fünfundzwanzig Heere,

Keins kann das andere verstehn:

Wie weit muß seine Herschaft gehn!

So groß auch ist der Länder Zahl,

Die ihm dienen allzumal;

Mohren, Sarazenen meist,

Deren Haut in manchen Farben gleisst.[314]

In seinem weitgesammelten Heer

Sah man viel wunderliche Wehr.


Allein auf Abenteur hindann

Von seinem Heer ritt dieser Mann,

Im grünen Wald sich umzuschaun.

Da sie sich selber so vertraun,

Laß ich die Könge reiten,

Sich Preis allein erstreiten.

Zwar Parzival ritt nicht allein,

Denn ihm waren im Verein

Er selbst und auch sein hoher Muth,

Der seine Wehr so mannlich thut,

Daß es die Frauen müssen loben,

Sie wollten freveln denn und toben.


Hier rennen auf einander blind,

Die an Demuth Lämmer sind

Und Löwen an Verwogenheit.

O weh, die Erd ist doch so breit,

Daß sie sich wohl vermeiden mochten,

Die hier ohne Feindschaft fochten.

Für meinen Helden muß ich bangen;

Doch ist ein Trost mir aufgegangen:

Ihm wird des Grales Kraft wohl nützen;

So sollt ihn auch die Minne schützen:[315]

Den beiden war er dienstergeben

Ohne Wank mit dienstlichem Bestreben.


Meine Kunst verleiht mir nicht den Sinn,

Daß ich diesen Kampf von Anbeginn

Recht zu beschreiben tauge.

Ein Schimmer fiel in Beider Auge,

Daß es den Andern kommen sah.

Wie lieb Jedwedem dran geschah,

Nicht fern ist doch das Leid fürwahr

Den Lautern, aller Trübe bar:

Sie hatten Herz und Blut gemein;

Sie sind sich kund, wie fremd sie sei'n!


Nun kann ich diesen Heiden

Von dem Getauften nicht mehr scheiden;

Die Zwei erweisen sich nun Haß.

Ihnen Freude neigen sollte das,

Die zu guter Frauen Zahl gehören,

Denn ihren Fraun geschahs zu Ehren,

Daß die Brust dem Feind Jedweder bot.

Schied' es das Glück nur ohne Tod!


Todt wird der Leu zur Welt gebracht,

Der von des Vaters Ruf erwacht.

So leben Die vom Schäftekrachen,

Die in der Tjost zum Preis erwachen.

Sie können wohl sich Tjost gewähren,[316]

Einen Wald verthun von Speren.

Den Zügel kürzend mit Bedacht

Rennen sie und haben Acht,

Indem sie tiostieren,

Das Ziel nicht zu verlieren.

Da ward genau gemeßen,

Da wurde fest geseßen,

Alles wohl zur Tjost geschickt,

Die Rosse mit dem Sporn gezwickt.


Diese Tjost ward so geritten,

Daß sie die Koller sich verschnitten

Mit starkem Sper, der sich nicht bog,

Und mancher Splitter aufwärts flog.

Der Heide war verdrießlich daß

Ihm Jener noch im Sattel saß:

Ihm war noch Keiner fest geseßen,

Mit dem er sich im Kampf gemeßen.

Ob sie nicht Schwerter schwenkten,

Als sie zusammen sprengten?

Ja doch, mit Klingen scharf und breit.

Ihre Kunst und Mannheit

Mögen sie erweisen hier.

Ecidemon dem Thier

Wurden Wunden viel geschlagen;

Der Helm darunter must es klagen.[317]

Den Rossen ward vor Müde heiß:

Sie versuchten manchen neuen Kreiß,

Bis sie vom Ross nun springen;

Da sausten erst die Klingen.


Dem Getauften thät der Heide weh.

Sein Feldgeschrei war Thasme:

Und wenn er ausrief Thabronit,

So that er vorwärts einen Schritt.

Hier zeigt auch wie er wehrhaft ist

Bei manchem Ausfall der Christ,

Den sie aufeinander thaten.

Man sah den Kampf so gerathen,

Ich kann mirs nicht versagen,

Schmerzlich muß ich's beklagen,

Daß Ein Fleisch und Ein Blut

Sich so viel zu Leide thut,

Die man als Geschwister kennt,

Lautrer Treue Fundament.


Dem Heiden gab die Minne

Im Kampfe Kraft und Sinne.

Er rang nach Preis um Ihretwillen,

Der Königin Sekundillen,

Die das Land Tribalibot

Ihm gab: sie war sein Schild in Noth.

Der Heide nahm an Kräften zu:[318]

Was wollt ihr, daß der Christ nun thu?

Auf Minne richt er die Gedanken:

Die läßt im Kampf ihn nimmer wanken.

Sonst muß ein bittres Sterben

Ihm des Heiden Kampf erwerben.

Du hehrer Gral, das wende Du,

Kondwiramur, das gieb nicht zu:

Hier seht ihr euern Dienstmann

In der größten Noth, die er je gewann.


Hoch wirft der Heid empor das Schwert,

Seiner Schläge Mancher niederfährt:

Schon sinkt ihm Parzival aufs Knie.

Man sagt mit Recht, so stritten sie,

Wenn man als Zwei sie will betrachten,

Die doch für Eins nur sind zu achten.

Ich und mein Bruder sind Ein Leib

Wie guter Mann und gutes Weib.


Dem Getauften thät der Heide weh.

Sein Schild bestand aus Aspinde,

Asbest, das weder fault noch brennt.

Daß sich seine Freundin nennt,

Die den ihm gab, das glaubt gewiss.

Chrysoprass und Türkiss,

Smaragd und Rubin,

Und noch von andern Farben schien[319]

Manch edler köstlicher Stein

Um die Buckel rings in lichten Reihn.

Auf dem Buckelhause stund

Ein Stein, sein Nam ist mir wohl kund:

Antrax ward er dort genannt,

Als Karfunkel hier bekannt.

Ihm hatt als Minneschutz und Zier

Ecidemon das reine Thier

Zum Wappenbild ein Weib gegeben,

In deren Gnad er wollte leben,

Die Köngin Sekundille:

Dieß Wappen war ihr Wille.


Hier stritt der Treue Lauterkeit:

Große Treue focht mit Treue Streit.

Um Minne haben sie ihr Leben

An des Kampfs Entscheidung hingegeben,

Der ihnen Gottes Urtheil ist.

Wohl vertraute Gott der Christ,

Seit er bei Trevrezent verweilt,

Der ihm so herzlich Rath ertheilt,

Er soll' auf dessen Hülfe denken,

Der in Sorgen Freude möge schenken.


Stark war der Heide, der hier stritt:

Wenn er ausrief Thabronit,

Wo die Köngin Sekundille saß[320]

Vor dem Berge Kaukasas,

So ward sein hoher Muth erneut

Wider den, der nie bis heut

Erlegen war vor Feindeshieben;

Unsieg war ihm fremd geblieben.

Er hatt ihn nie empfangen,

Und ließ ihn Manchen doch erlangen.


Die Arme schwangen sich mit Kunst,

Aus den Helmen lohte Brunst,

Von ihren Schwertern fuhr der Wind.

Gott schütze Gahmuretens Kind!

Der Wunsch gilt ihnen beiden,

Dem Getauften und dem Heiden:

Denn ich rechne sie für Einen.

Sie würdens selber meinen,

Wären sie sich recht bekannt:

Sie setzten nicht so viel zu Pfand,

Denn nicht minder gilt ihr Streit

Als Ehre, Freude, Seligkeit.

Wer auch hier den Preis gewinnt,

Doch hat er, wenn er Treue minnt,

Die Freude dieser Welt verloren

Und dauernd Herzeleid erkoren.


Warum säumst du, Parzival,

Daß du an dein schön Gemahl[321]

Nicht denkst, die dir so treu ergeben,

So du behalten willst dein Leben?

Dem Heiden sind zwei Dinge nütze,

Die waren seine stärkste Stütze:

Erstlich, daß er Minne pflegt,

Die sein Herz mit Stäte hegt;

Zum andern führt' er Steine

Edler Art mit lichtem Scheine,

Die seine Stärke mehrten,

Ihn Hochgemüthe lehrten.

Mir ist leid, daß der Getaufte

Sich Müde schon im Streit erkaufte:

Seinen Schlägen ist die Kraft benommen.

Wenn ihm nun nicht zu Hülfe kommen

Kondwiramur noch der Gral,

Wehrlicher Parzival,

So laß den Wunsch dich laben,

Daß die klaren süßen Knaben

Nicht so früh verwaiset sei'n,

Kardeiß und Loherangrein,

Die sein Gemahl empfangen hatte

In der Nacht, da von ihr schied der Gatte.

Kinder, keuscher Eh entblüht,

Wohl laben die des Manns Gemüth.


Neue Kraft gewann der Christ.

Er dachte (noch zu rechter Frist)[322]

An die Köngin sein Gemahl,

Wie er ihre Minne dazumal

Sich im Schwerterspiel errang,

Als von Schlägen Feuer aus Helmen sprang

Vor Pelrapär mit Klamide.

Thabronit und Thasme,

Denen war ein Gegenruf ersonnen:

Nun hat es Parzival begonnen

Mit dem Feldruf Pelrapär.

Ueber vier Königreiche her

Kommt Kondwiramur, dem Degen

Der Minne Kräfte beizulegen.

Wohl sprangen da, ich wähne,

Von des Heiden Schilde Späne

Mehr als hundert Marken werth.

Von Gahevieß das starke Schwert

Brach auf des Heiden Helm ein Schlag,

Daß vor ihm auf den Knieen lag

Der reiche kühne Gast ermattet.

Gott hatt es länger nicht gestattet,

Daß Parzival das Schwert noch führte,

Das ihm zu rauben nicht gebührte:

Itheren, der es vor ihm trug,

Nahm ers aus Einfalt, wider Fug.

Den nie zuvor ein Schwert gefällt,

Schnell auf die Füße sprang der Held.[323]

Noch ist ihr Zweikampf unzergangen:

Ihr Urtheil sollen sie empfangen

Noch von des Allerhöchsten Händen:

Möge Der ihr Sterben wenden!


Der kühne Fürst der Heiden

Sprach da bescheiden

Auf französisch, das er wohl verstund,

Aus seinem heidnischen Mund:

»Wohl seh ich, wehrlicher Mann,

Dein Streit würd ohne Schwert gethan:

Wie erwürb ich dann wohl Preis an dir?

Stehe still und sage mir

Wer du seist, wehrlicher Held.

Fürwahr, du hättest mich gefällt

Und mir den alten Preis entrungen,

Wär dir nicht dein Schwert zersprungen.

Ein Friede gelt uns beiden nun,

Daß wir uns die Glieder ruhn.«

Sie setzten nieder sich aufs Gras.

Jedweder Kraft und Zucht besaß,

Die auch zum Kampf nicht waren

Zu jung, zu alt an Jahren.


Zum Getauften sprach der Heide da:

»Glaube, werther Held, ich sah[324]

Nie im Leben, daß ein Mann

Würdger war, dem Preis zu nahn,

Den man im Streite soll erjagen.

Held, nun geruhe mir zu sagen

Deinen Namen, dein Geschlecht:

So freut mich meine Fahrt erst recht.«

Herzeleidens Sohn versetzt:

»Nennt' ich die aus Furcht dir jetzt?

Das darfst du nicht von mir begehren:

Gezwungen werd ich nichts gewähren.«

Doch von Thasme sprach der Heide:

»Ich will zuerst dir nennen beide;

Sei immerhin die Schande mein.

Ich bin Feirefiss Anschewein

Und wohl so reich, daß meiner Hand

Zinsbar dienet manches Land.«


Als diese Rede geschah,

Zu dem Heiden sprach der Waleis da:

»Woher seid ihr ein Anschewein?

Anschau heißt das Erbe mein,

Mit Burgen, Land und Städten.

Darum seid, Herr, gebeten,

Andern Namen zu erküren.

Sollt ich mein Land verlieren

Und die werthe Stadt Bealzenan,[325]

Das hieße mir Gewalt gethan.

Ist Einer hier ein Anschewein,

Von Geburt soll Ich es sein.

Doch ward mir für gewiss gesagt,

Es wohn ein Degen unverzagt

Fern dort in der Heidenschaft,

Der stäts mit ritterlicher Kraft

Gewonnen habe Preis und Minne

Und allewege noch gewinne.

Der ist zum Bruder mir geboren

Und dort zum höchsten Preis erkoren.«


Parzival fährt fort und spricht:

»Herr, euer Angesicht

Ließt ihr mich das erschauen,

So wollt ich euch vertrauen

Wie mir seins beschrieben ist.

Wenn es, Herr, euch nicht verdrießt,

So entblößet euer Haupt.

Euch verschont derweil, das glaubt,

Meine Hand mit allem Streit,

Bis ihr aufs Neu gehelmet seid.«


Da sprach der heidnische Mann:

»Wenig ficht dein Streit mich an.

Und wär ich nackt, ich hab ein Schwert:[326]

Der Unsieg wär dir doch gewährt,

Da Dein Schwert zerbrochen ist.

Weder Kühnheit, Kunst noch List

Kann dich vor dem Tod bewahren,

Will ich nicht selbst dein Leben sparen.

Wolltest du mit mir ringen,

Mein Schwert ließ' ich klingen

Dir durch Eisen, Bein und Mark.«

Dieser Heide schnell und stark,

Edle Sitte zeigt' er hier:

»Dieß Schwert sei weder Dir noch Mir.«

Der kühne Degen warfs alsbald

Ferne von sich in den Wald.

Er sprach: »Nun ist auf beiden Seiten

Gleich die Gefahr, wenn wir noch streiten.«


Der reiche Feirefiss begann:

»Held, bei deiner Zucht, sag an,

Da dir ein Bruder leben soll,

Wie sieht der aus? du weist es wohl.

Beschreibe mir sein Angesicht;

Seine Farbe hehlte man dir nicht.«

Da sprach Den Herzeleid gebar:

»Wie beschrieben Pergament fürwahr,

Schwarz und weiß dort und hier;

Ekuba beschrieb ihn mir.«
[327]

»Der bin Ich,« versetzt der Heide.

Nicht lange säumten sie da beide,

Feirefiss und Parzival,

Von Helm und Härsenier zumal

Entblößten sie sich gleich zur Stund.

Parzival fand lieben Fund,

Den liebsten, den er jemals fand.

Den Heiden hatt er bald erkannt:

Sein Antlitz zeigte Elsternfarben.

Haß und Groll im Kuss erstarben

Dem Getauften und dem Heiden.

Freundschaft ziemt' auch beßer Beiden

Denn ihnen stünde Haß und Neid.

Treu und Liebe schied den Streit.


Mit Freuden sprach der Heide da:

»O wohl mir, daß ich dich ersah,

Sohn Gahmurets, des werthen Degen!

Dank meinen Göttern allerwegen!

Meiner Göttin Juno

Preis und Dank, Sie fügt' es so!

Mein starker Gott Jupiter,

Von Ihm kommt dieses Heil mir her.

Götter all und Göttinnen,

Eure Stärke will ich immer minnen!

Hochgepriesen sei der Stern,[328]

Bei dessen Schein hieher so fern

Meine Reise ward gethan

Zu dir, du schrecklich süßer Mann,

Die mich durch deine Kraft gereute.

Heil der Luft, dem Thau, der heute

Niederfiel und kühlte mich!

Minneschlüßel wonniglich!

Dem Weibe Wohl, die dich soll sehn:

Wie ist Der schon ein Heil geschehn!«


»Ihr sprechet wohl: ohn allen Haß

Spräch ich gern beßer, könnt ich das.

Doch bin ich leider nicht so weis,

Daß ich eurer Würde Preis

Mit Worten noch erhöhen könnte:

Gott weiß, wie gern ichs euch vergönnte!

Was Herz und Auge nur vermag,

Sie sprechen euerm Preise nach:

Eur Preis spricht vor, nach sprechen sie.

Von Rittershand geschah mir nie

So große Noth, gar wohl ichs weiß,

Als von euch,« sprach Der von Kanvoleiß.


Der reiche Feirefiss sprach mehr:

»Fleiß und Kunst hat Jupiter

Werther Held, verwandt auf dich.[329]

Nicht länger ihrzen sollt ihr mich:

Hatten wir doch Einen Vater.«

Mit brüderlicher Treue bat er,

Daß er Ihrzens ihn erließe,

Von nun an Du ihn hieße.

Die Rede war dem Waleis leid:

Bruder, eure Herrlichkeit

Vergliche Der des Baruchs sich;

Aelter seid ihr auch als ich.

Meine Jugend, meine Armut sei

Solcher Untugend frei,

Daß ich Du zu euch spräche,

Und mich so der Zucht entbräche.


Der von Tribalibot,

Jupiter seinem Gott

Gab er mit Worten manchen Preis

Hoch pries er auch in mancher Wei

Seine Göttin Juno,

Daß sie das Wetter fügten so,

Daß Er und sein gewaltig Heer

Sich zu Lande fanden von dem Meer

Und Grund am Ufer nahmen,

Wo sie zusammen kamen.


Sie setzten nieder sich aufs Gras,

Wo Jedweder nicht vergaß,[330]

Er bot dem Andern Ehre.

Der Heide sprach, der hehre:

»In meine Heimat komm mit mir:

Zwei reiche Länder geb ich dir,

Die unser Vater sich erwarb,

Als Eisenhart, der König, starb:

Zaßamank und Aßagog.

Seine Mannheit Niemand trog,

Als da er mich verwaisen ließ.

Unverziehn von Mir ist dieß

Meinem Vater noch fürwahr.

Sein Gemahl, die mich gebar,

Ist vor Minneleid gestorben,

Da der Minne Glück ihr war verdorben.

Ich säh doch gerne diesen Mann:

Mir ist zu wißen gethan,

Nie beßern Ritter sah der Osten;

Ihn zu finden spar ich keine Kosten.«


Parzival versetzte da:

»Ach, daß auch Ich ihn niemals sah!

Doch viel Gutes immerfort

Hör ich von ihm an manchem Ort.

Er verstand es wohl, im Streit

Zu mehren seine Würdigkeit:

Seinen Preis erhöhte jeder Strauß;[331]

Alle Schande wich ihm aus.

Er war den Frauen unterthan,

Und alle guten, die ihn sahn,

Lohntens ohne falsche List.

Daß es der Stolz der Christen ist,

So getreulich lebt' er vor den Heiden.

Er wust' auch Andern zu verleiden

Alle unedle That:

Ihm gab sein stätes Herz den Rath.

So hört' ich es aus Aller Mund,

Denen dieser Mann war kund,

Den ihr so gerne möchtet sehn.

Selbst müstet ihr ihm zugestehn

Den Preis, wenn er noch lebte,

Der stäts den Preis erstrebte.

So warb er um der Frauen Lohn,

Bis der König Ipomidon

Kam und Lanzen mit ihm brach:

Die Tjost geschah zu Baldag.

Da ward sein würdigliches Leben

Um Minne in den Tod gegeben.

In rechter Tjost gieng uns verloren

Durch den wir beide sind geboren.«


»O weh der ungestillten Noth,«

Sprach der Heide: »ist mein Vater todt?[332]

So ist die Freude mir zerronnen,

Und hatte Freude kaum gewonnen!

Ich hab in wenig Stunden

Glück verloren, Glück gefunden.

Es ist die Wahrheit sicherlich,

Er, mein Vater, Du und Ich,

Wir sind nicht Dreie, wir sind Eins,

Und Dreie nur kraft leeren Scheins.

Wohl sieht der weise Mann es ein,

Sippe findet er allein

Zwischen Vater nur und Kindern,

Will er der Wahrheit Recht nicht mindern.

Mit dir selber hast du hier gestritten,

In den Kampf mit Mir kam ich geritten,

Mich selber hätt ich gern erschlagen.

Du aber schütztest ohne Zagen

Vor mir selber mich in Dir.

Sieh Jupiter, dieß Wunder hier!

Zu Hülfe kam uns deine Kraft

Und löst' uns aus des Todes Haft.«


Er lacht' und weinte still für sich.

Thränen überflüßiglich

Entträufelten dem Heiden;

Ein Getaufter möcht es neiden.

Denn die Taufe lehrt uns Treue,[333]

Da unser Bund, der neue,

Nach Christi Namen wird genannt

Und man an Christo Treue fand.


Der Heide sprach, ich sag euch wie:

»Laßt uns nicht länger sitzen hie.

Reite mit mir an den Strand,

So befehl ich, daß zu Land,

Dich zu schauen, von dem Meer

Sich begiebt das reichste Heer,

Dem Juno Fahrwind mochte leihn.

Mit Wahrheit ohne falschen Schein

Zeig ich dir manchen werthen Mann,

Der mir zu Dienst ist unterthan.

Lieber Bruder folge mir.«

Der Waleis sprach: »Und wäret ihr

Wohl so gewaltig eurer Leute,

Daß sie eurer harrten heute,

Und so lang ihr ferne seid?«

Da sprach der Heide: »Sonder Streit:

Und blieb ich aus ein halbes Jahr,

Mein harrte Reich und Arm fürwahr;

Keiner dürfte von dem Ort.

Speise haben sie an Bord

Genug, kein Mangel ficht sie an.

Von den Schiffen darf nicht Ross noch Mann,[334]

Als sich mit Waßer zu versehn

Und sich am Strande zu ergehn.«


Parzival zum Bruder sprach:

»Wohlan, so folget Mir denn nach

Zu großer Pracht, Fraun wonnesam

Und von euerm edeln Stamm

Manchem Ritter kurtois.

Artus der Bretanois

Liegt hier mit reichem Hofgelag

(Ich verließ es erst vor Tag),

Mit großer minniglicher Schar:

Da sehn wir Frauen schön und klar.«


Der Heid, als er von Fraun vernahm

(Den Frauen war sein Herz nicht gram),

Da sprach er: »Führ mich hin mit dir.

Lieber Bruder, sage mir

Wen wir finden an dem Ort?

Sehn wir unsrer Freunde dort,

Wenn wir zu Artus kommen?

Von seinem Hof hab ich vernommen,

Daß er prächtig sei und reich;

Nichts komme seinem Glanze gleich.«


Parzival hub wieder an:

»Wir sehn da Frauen wohlgethan.[335]

Nicht umsonst ist unsre Fahrt,

Wir finden unsres Stammes Art,

Leute, die uns angeboren,

Und manches Haupt zur Kron erkoren.«


Sie sprangen beid empor zumal.

Nicht versäumt' auch Parzival,

Er holte seines Bruders Schwert:

Das stieß er dem Degen werth

Wieder in die Scheide.

Da entsagten sie wohl beide

Allem Haß und allem Streit

Und ritten hin in Einigkeit.


Eh sie bei Artus angekommen,

Hatt Er von ihnen schon vernommen.

Dort wars an diesem Tage

Des Heers gemeine Klage,

Daß Parzival der Held verwogen

So von dannen war gezogen.

Artus beschloß da mit den Seinen,

Daß man auf Parzivals Erscheinen

Acht Tage harren solle

Und die Statt nicht räumen wolle.

Als Gramoflanzens Heer gekommen,

Ward ihm manch weiter Kreiß genommen,[336]

Und mit Zelten wohl geziert:

Der König ward darin logiert

Und seine stolzen Leute.

Man mochte die vier Bräute

Nicht schöner ehren, als geschah.

Von Schatelmerveile reiten sah

Man einen Mann zur selben Zeit:

Der sprach, man hab einen Streit

Auf dem Warthaus in der Säul ersehn:

Was je mit Schwerten wär geschehn,

Vergleiche diesem Streit sich nicht.

Gawanen bracht' er den Bericht

(Bei Artus saß der Degen hehr):

Die Ritter riethen hin und her,

Wer die Kämpfer wohl gewesen sei'n.

Artus der König sprach darein:

»Zur Hälfte wett ich, daß ichs treffe:

Hier hat von Kanvoleiß mein Neffe,

Der heute von uns schied, gestritten.«

Da kamen auch die Zwei geritten.


Ihrem Kampf wohl bracht es Ehre,

Wie vom Schwert und von dem Spere

Helm und Schild die Spuren trug.

Geschickt war dessen Hand genug

Da auch der Kämpfer Kunst bedarf),[337]

Der diese Schilderei entwarf.

Sie wandten sich zu Artus Zelt.

Hin blickte staunend alle Welt,

Als er geritten kam, der Heide;

Viel Reichthum trug der Held am Kleide.


Voll von Hütten stand das Feld.

Sie ritten vor das Hochgezelt

In Gawans Zeltberinge.

Ob man sie inne bringe,

Sie wurden gern gesehn?

Gewiß ist das geschehn.

Gawanen sah man eilends kommen,

Da er bei Artus wahrgenommen,

Daß sie zu seinem Zelte ritten:

Er empfieng sie mit der Freude Sitten.


Sie hatten noch die Rüstung an:

Gawan der höfische Mann

Ließ sie alsbald entkleiden.

Wohl hatt im Kampf zu leiden

Ecidemon das Thier genug.

Dem Korsette, das der Heide trug,

Ward wohl auch von Schlägen weh.

Es war ein Saranthasme;

Darauf stand mancher theure Stein.

Darunter von schneeweißem Schein[338]

Rauh gebildet war das Kleid;

Theure Steine drauf verstreut

Beleuchteten einander.

Dieß hatten Salamander

Gewoben in dem Feuer.

Sie wagt' auf Abenteuer

Minne, Land und Leben,

Die ihm solch Kleid gegeben

(Gern vollbracht er ihr Gebot

So in Freude wie in Noth),

Die Königin Sekundille.

Wohl war es ihres Herzens Wille,

Daß sie ihm ihre Schätze lieh;

Durch hohen Preis verdient' er sie.


Gawan bat der Knappen Schar:

»Habt Acht, daß an der Rüstung klar

Nichts verschoben und verrückt

Werde, oder gar zerstückt,

An Schild, Helm oder Ueberleib.«

Zuviel wärs einem armen Weib

Zur Gabe, schon das Kleid alleine:

So köstlich waren die Steine

An den Stücken allen Vieren.

Hohe Minne kann wohl zieren,

Gesellt sich Reichthum nur zur Gunst[339]

Oder eine edle Kunst.

Da der stolze reiche Feirefiss

Sich stäts mit treuem Dienst befliß

Um Frauenhuld, so gab ihm willig

Eine Lohn dafür wie billig.


Als sie die Rüstung abgethan,

Da schauten diesen bunten Mann

Alle mit Verwunderung,

Denn Wunders sahn sie da genung:

Der Heide trug manch seltsam Mal.

Gawan sprach zu Parzival:

»Freund, Wer ist der Geselle dein?

Er trägt so wunderlichen Schein,

Daß ich nie dem Gleiches sah.«

Zu dem Wirthe sprach der Waleis da:

»Bin ich dein Freund, so ists auch Er,

Des sei dir Gahmuret Gewähr:

Der König ists von Zaßamank.

Mein Vater dort mit Preis errang

Seine Mutter, Belakanen.«

Da ward er sattsam von Gawanen

Geküsst. Viel schwarz und weiße Flecken

Sah man Feirefissen decken

All die Haut, nur daß der Mund

Halber Röthe machte kund.
[340]

Beiden brachte man Gewand,

Das für kostbar ward erkannt;

Man trugs aus Gawans Kammer dar.

Da kamen Frauen schön und klar.

Orgeluse läßt ihn Kondriê

Und Sangiven küssen, eh

Mit Arniven sie den Mund ihm beut.

Feirefiss war hoch erfreut,

Als er so klare Frauen sah;

Viel Liebes ihm daran geschah.


Gawan zu Parzivalen sprach:

»Freund, dein neues Ungemach

Verräth dein Helm und auch dein Schild.

Euch zwein ist übel mitgespielt,

Dir und auch dem Bruder dein:

Bei Wem erwarbt ihr diese Pein?« –

»Nie ward mir härtrer Streit bekannt,«

Sprach der Waleis: »meines Bruders Hand

Zwang mich zur Wehr in großer Noth:

Wehr ist ein Mittel für den Tod.

Auf diesem Fremdling nahverwandt

Zerbrach das Schwert mir in der Hand.

Zeigt' er da Furcht, so war es kleine:

Fern aus der Hand warf er das seine.

Nicht wollt er sich an mir versünden[341]

Und wuste nicht wie nah wir stünden.

Jetzt hab ich seiner Huld Geschenk,

Sie zu verdienen eingedenk.«


Da sprach Gawan: »Mir ward gesagt

Von einem Streit gar unverzagt:

Zu Schatelmerveil ersieht

Man was sechs Meilen weit geschieht:

Die Spiegelsäule zeigt es dort.

Gleich sprach mein Ohm Artus das Wort:

Der dort gekämpft des selben Mals,

Du wärst es, Held von Kingrivals.

Du hast Gewissheit erst gebracht;

Doch hatten wirs uns hier gedacht.

Nun glaube mir was ich dir sage:

Wir hätten dein geharrt acht Tage

Mit großer reicher Lustbarkeit.

Mir ist euer Zweikampf leid:

Ruht davon bei Mir euch aus.

Da doch geschehen ist der Strauß,

So habt euch künftig um so gerner;

Den Haß vergüte Freundschaft ferner.«


Früh aß man heut in Gawans Zelt,

Da von Thasme der werthe Held,

Feirefiss Anschewein,

Ungespeist war, gleich dem Bruder sein.[342]

Da lagen Polster hoch und lang

Im Kreiß umher auf mancher Bank.

Weiche Decken aller Art,

Von Palmat, wurden nicht gespart,

Die Polster reich damit gedeckt;

Darauf war theures Tuch gesteppt,

Zu vollem Maße lang und breit.

Klinschors ganze Herrlichkeit

Ward da zur Schau hervorgetragen.

Als Tapeten, hört ich sagen,

Wurden Decken aufgehangen;

Da sah man köstlich prangen

An vier Seiten des Raumes.

Darunter Polster sanften Flaumes

Mit weichern Kissen überdeckt,

Die Vorhänge drauf gesteckt.


Der Kreiß begriff ein weites Feld,

Sechs Zelte hätte man gestellt

Ohne Gedränge der Schnüre.

Doch weil ich unklug verführe,

Laß ichs hiebei bewenden.

Da ließ Herr Gawan senden

Zu Artus, der noch nicht vernommen

Was für ein Gast ihm war gekommen:

Der reiche Heide wäre da,[343]

Den die Heidin Ekuba

So gepriesen an dem Plimizöl.

Jofreit, Fils Idöl,

War es, ders Artusen sagte,

Dem solche Märe wohlbehagte.


Jofreit bat ihn, gleich zu eßen

Und nach Tisch nicht zu vergeßen,

Daß er mit Rittern und mit Fraun

Höfisch käm den Gast zu schaun,

Denn also würde Zucht begangen

Und würdiglich bei Hof empfangen

Gahmuretens stolzes Kind.

»So viel hier werthe Leute sind,

Die bring ich,« sprach der Bretanois.

Jofreit sprach: »Er ist so kurtois,

Ihr mögt ihn alle gerne sehn,

Und Wunder viel an ihm erspähn.

Er kommt aus großer Herrlichkeit:

Seine Rüstung und sein Kleid

Niemand möcht es ersetzen;

Noch wög ers auf mit Schätzen.

Bretagne, Löver, Engelland,

Von Paris bis nach Witsand,

Dazwischen all die reiche Welt,

Gäb ihm keineswegs Entgelt.«
[344]

Jofreit war zurückgekommen

Als Artus von ihm vernommen

Wie er gebahren sollte,

Wenn er begrüßen wollte

Den reichen Heiden unverweilt.

Die Sitze wurden nun vertheilt

An Gawans Tafelkreise

Gar in höfscher Weise:

Daß der Bann der Herzogin

Und Die ihr Dienst um Minne liehn,

Gawan zur Rechten saßen,

Ihm zur Linken fröhlich aßen

Die Ritter all aus Klinschors Bann.

Gawan genüber gab man dann

An des Tisches andrer Spitze

Klinschors gefangnen Frauen Sitze:

Die waren schön und klar zumal.

Feirefiss und Parzival

Saßen mitten zwischen Frauen:

Da mochte man wohl Klarheit schauen.


Der Türkowite Florand

Saß Sangiven zugewandt,

Wie der Herzog auch von Gowerzein

Und Kondriê, die Gattin sein,

Einander gegenüber saßen.[345]

Auch dießmal, wett ich, nicht vergaßen

Gawan und Jofreit

Ihrer alten Geselligkeit;

Sie aßen stäts beisammen.

Mit den Augen voller Flammen

Aß die edle Herzogin

Bei Arniven der Königin.

Zu freundlicher Geselligkeit

Waren sich die Zwei bereit.

Seine Ahne saß bei Gawan dort,

Orgeluse weiter von ihm fort.


Wohl herschte da die wahre Zucht

Und alle Unart nahm die Flucht.

Den Rittern und den Frauen ward

Speis und Trank mit guter Art

Gebracht und freundlich hingestellt.

Feirefiss der reiche Held

Hub zu seinem Bruder an:

»Jupiter hat wohl an mir gethan,

Daß er mich in dieses Land

Hat geführt und hergesandt

In meiner werthen Freunde Kreiß.

Billig geb ich wohl den Preis

Meinem Vater, den ich längst verlor:

Der sproß recht aus dem Preis hervor!«
[346]

Der Waleis sprach: »Preiswerthe Leute

Sollt ihr viel noch schauen heute

Bei Artus dem König hehr,

Mannlicher Ritter schier ein Heer:

Wenn das Mal ist aufgehoben,

Unlange bleibt es dann verschoben,

Bis her die Werthen kommen,

Deren Preis weit wird vernommen.

Hier sind drei Ritter nur vom Bunde

Der weitberühmten Tafelrunde:

Der Wirth und Jofreit;

Auch ich verdient' es einst im Streit,

Daß man mich dazu begehrte,

Was ich den Helden gern gewährte.«


Nun war es Zeit, daß man hindann

Das Tischtuch hob vor Weib und Mann.

Als die Malzeit war geschehn,

Da eilte Gawan aufzustehn:

Die Herzogin samt seiner Ahnen

Sah man ihn bitten und ermahnen,

Daß sie Frau Sangiven doch,

Und Kondriê die süße noch,

Zu sich nähmen und mit beiden

Giengen zu dem bunten Heiden:

Dem sollten sie recht freundlich sein.[347]

Feirefiss Anschewein

Sah diese Frauen zu sich gehn:

Vor ihnen eilt' er aufzustehn;

So auch sein Bruder Parzival.

Die schöne Herzogin zumal

Nahm Feirefissen bei der Hand;

Fraun und Ritter, die sie stehen fand,

Bat sie, sich zu setzen all.

Sieh, da zog mit lautem Schall

Artus mit seinem Heer heran.

Posaun und Trommel hörte man,

Der Hörner und der Flöten Ton.

Der Königin Arnive Sohn

Zog mit großem Schall einher.

Des freute sich der Heide sehr,

Der solche Kunde gern empfieng.

So ritt zu Gawans Zeltbering

Artus mit seinem Ehgemahl,

Und werther Leute großer Zahl,

Mit Rittern und mit Frauen.

Der Heide mochte schauen,

Daß da auch junge Leute waren,

Von deren blühenden Jahren

Sprach des Angesichtes Glanz.

Auch war der König Gramoflanz

Noch in Artusens Pflege;[348]

Mit Ihm auf gleichem Wege

Ritt Itonjê sein süßes Lieb,

Die aller Falschheit rein verblieb.


Ab stieg der Tafelrunder Schar,

Dazu viel Frauen schön und klar.

Ginover ließ Itonjê

Den reichen Heiden küssen, eh

Sie selber näher zu ihm gieng

Und küssend Feirefiss empfieng.

Gramoflanz und Artus,

Mit getreulicher Liebe Kuss

Empfiengen sie den Heiden.

Da ward ihm von den beiden

Viel erboten Dienst und Ehr;

Auch fand er noch Verwandte mehr,

Die ihm gewogen wollten sein.

Feirefiss Anschewein

War zu guten Freunden nun gekommen,

Das hatt er hier gar bald vernommen.


Nieder saßen Weib und Mann

Und viel Mägdlein wohlgethan.

Da mochte mancher Ritter finden,

Wollt er sich des unterwinden,

Süßes Wort von süßem Munde,[349]

Taugt' er sonst zum Minnebunde.

Um solch Gesuch trug keinen Haß

Manch klares Fräulein, das da saß.

Ein gutes Weib ficht Zorn nicht an,

Fleht sie um Hülf ein werther Mann,

Sie mag gewähren, mag versagen.

Kann ein Ding als Zins uns Freude tragen,

Solchen Zins muß wahre Minne geben:

So sah ich stäts die Werthen leben.

Nun saß der Dienst hier bei dem Lohn.

Es ist ein hülfreicher Ton,

Wird der Freundin Wort vernommen,

Das dem Freunde soll zu Statten kommen.


Artus saß zu Feirefiss,

Wo Jedweder sich befliß,

Auf des Andern Fragen

Freundlich Antwort zu sagen.

Artus sprach: »Gelobt sei Gott,

Daß er diese Ehr uns bot,

Daß wir Dich hier bei uns sahn.

Aus der Heidenschaft fuhr nie ein Mann

Her in der Getauften Land,

Dem ich mit dienstbereiter Hand

So gerne Dienst gewährte

Wenn dein Wille das begehrte.«
[350]

Feirefiss zu Artus sprach:

»Vorbei ist all mein Ungemach,

Seit Juno meine Göttin

Mir den Segelwind verliehn

Her in dieses Westenreich.

Du siehst fürwahr dem Manne gleich,

Dessen Macht und Würdigkeit

Der Ruhm posaunte weit und breit.

Bist du Artus genannt,

So ist dein Name fern bekannt.«


Artus sprach: »Selber ehrt' er sich,

Der Dir und Andern über mich

Rühmliches berichtet hat.

Ihm gab die eigne Zucht den Rath

Mehr, als daß ichs würdig bin;

Er thats aus höfischem Sinn.

Ich bin es, den sie Artus nennen

Und möcht es gründlich wohl erkennen,

Wie du kamst in dieses Land.

Hat ein Weib dich ausgesandt,

Die ist gewiss geheuer,

Da du auf Abenteuer

Dich hast so weit verstiegen.

Bleibt ihr Lohn dir unverschwiegen,

Den Dienst der Fraun empfiehlt uns das,[351]

Denn jeder Frau wohl müst in Haß

Ihr Diener wandeln seine Liebe,

Wenn Dir ungelohnet bliebe.«


»Auch wird es anders wohl vernommen,«

Sprach der Heide: »hört wie ich gekommen.

Ich führe solch ein mächtig Heer,

Der Trojaner Landwehr

Und die sie einst umsaßen,

Die müsten mir die Straßen

Räumen, wenn sie noch lebten

Und mit Mir zu kämpfen strebten:

Sie könnten nimmer uns besiegen

Und müsten schimpflich unterliegen,

Meiner Obmacht allzuschwach.

Ich hab in manchem Ungemach

Verdient mit ritterlicher That,

Daß nun Erbarmen mit mir hat

Die Köngin Sekundille;

Ihr Wunsch ist mein Wille.

Die Richtschnur gab sie meinem Leben,

Sie hieß mich mildiglich zu geben

Und guter Ritter viel zu halten;

So sollt ich ihr zu Liebe schalten.

Da that ich wie sie mir befahl:

Unterm Schild von hartem Stahl[352]

Nennt sich dienstbar meiner Hand

Manch werther Ritter auserkannt.

Ihre Minne giebt sie mir zum Lohn;

Auch führ ich ein Ecidemon

Im Schilde, wie sie mir gebot.

Seitdem erfuhr ich in der Noth,

Sobald ich nur an sie gedachte,

Daß ihre Minne Hülfe brachte:

So dank ich ihr des Trostes mehr

Als meinem Gotte Jupiter.«


Artus sprach: »Von dem Vater dein,

Gahmuret, dem Neffen mein,

Ists die dir angestammte Art:

Im Dienst der Frauen weite Fahrt.

Du magst von Dienst auch Kund empfahn

Bei Uns, denn größrer ward gethan

Auf Erden selten einem Weib

Um ihren wonniglichen Leib.

Ich meine hier die Herzogin:

Um ihrer Minne Gewinn

Ward des Waldes viel verschwendet.

Ihre Minne hat gepfändet

An Freuden manchen Ritter gut

Und ihm geraubt den hohen Muth.«
[353]

Da sagt' er ihm was Gawan

Und was die Ritter all gethan,

Die er sah zu allen Seiten;

Und von den beiden Streiten,

Die sein Bruder um den Kranz

Auf dem Feld gestritten bei Joflanz.

»Und wie er sonst die Welt durchfahren,

Wie er sich nirgend wollte sparen,

Das macht er dir wohl selber kund.

Er suchet einen hohen Fund,

Nach dem Grale ringet er.

Von euch Zwein ist mein Begehr,

Daß ihr mir nennet Land und Leute,

Die ihr im Kampf erprobt bis heute.«

Der Heide sprach: Ich nenne dir,

Die ich gefangen führe hier:


»König Papiris von Trogodjente

Und Graf Behantins von Kalomidente,

Herzog Farjelastis von Africke

Und König Liddamus von Agrippe,

König Tridanz von Tinodonte

Und König Amaspartins von Schipelpjonte,

Der Herzog Lippidins von Agremontin

Und König Milon von Nomadjentesin,

Von Aßagarzionte Graf Gabarins[354]

Und von Rivigitas der König Translapins,

Von Hiberbortikon Graf Filones

Und von Centrion König Killikrates,

Der Graf Lysander von Ipopotitikon

Und der Herzog Tiridê von Elixodjon,

Von Orastegentesin der König Thoaris

Und von Satarchjonte der Herzog Alamis,

Der König Aminkas von Sotofeititon

Und der Herzog von Duskontemedon,

Von Arabien König Zoroaster

Und Graf Possizonjus von Thiler,

Der Herzog Sennes von Narjoklin

Und der Graf Edisson von Lanzesardin,

Von Janfuse der Graf Fristines

Und von Atropfagente der Herzog Meiones,

Von Neurjente der Herzog Archeinor

Und von Panfatis der Graf Astor,

Die von Aßagog und Zaßamank

Und von Gampfassasche der König Jetakrank,

Der Graf Jurans von Blemunzin

Und der Herzog Affinamus von Amantesin.«


»Eins zählt' ich mir zur Schande:

Man sprach in meinem Lande,

Kein beßrer Ritter möchte sein

Als Gahmuret Anschewein,[355]

So Viele je beritten waren.

Da beschloß ich auszufahren

Und zu suchen, bis daß ich ihn fände:

Da lernt' ich Kampf an manchem Ende.

Von zweien Landen auf das Meer

Führt' ich ein kraftvolles Heer.

Mir stand nach Ritterschaft der Muth:

Wie stark ein Land, wie schön und gut,

Ich unterwarf sie meiner Hand

Bis fern zu unbetretnem Strand.

Da gelobten mich zu minnen

Zwei reiche Königinnen,

Olympia und Klauditte;

Sekundill ist nun die dritte.

Um Frauen hab ich viel gethan;

Nun hab ich heut erst Kund empfahn,

Mein Vater Gahmuret sei todt.

Mein Bruder meld auch seine Noth.«


Da sprach der werthe Parzival:

»Seit ich geschieden bin vom Gral

Hat meine Hand mit Streite

In der Näh und in der Weite

Sich oftmals ritterlich erzeigt

Und Manchem auch den Preis geneigt,

Der nicht gewohnt war an den Fall.

Die will ich euch benennen all:
[356]

Von Lirivoin König Schirniel

Und von Avendroin sein Bruder Mirabel,

Der König Serabil von Roßokarz

Und König Pibleson von Lorneparz,

Von Sirnegonz den König Senilgorz

Und von Villegaronz Strangedorz,

Von Mirnetalle den Grafen Rogedal

Und von Pleyedonze Laudunal,

Den König Onipriß von Itolak

Und den König Zyrolan von Semblidak,

Von Jeroplis den Herzogen Jerneganz

Und von Zambron den Grafen Plineschanz,

Von Tutelêonz den Grafen Longefieß

Und von Privegarz den Herzogen Marangließ,

Von Piktakon den Herzogen Strennolas

Und von Lampregon den Grafen Parfoyas,

Von Askalon den König Vergulacht,

Und von Pranzile den Grafen Bogudacht,

Postefar von Laudondrechte

Und den Herzogen Leidebron von Redonzechte,

Von Literbe Koleval

Und Jovedast von Arl den Provenzal,

Von Tripparon den Grafen Kardofyas.

In rechter Tjost begab sich das

Als ich nach dem Grale ritt.

Nennt' ich sie All, die ich bestritt,[357]

So käm ich nimmer an das Ziel,

Drum muß ich euch verschweigen viel.

Die mir mit Namen sind bekannt,

Die hab ich euch wohl meist genannt.«


Von Herzen freute sonder Neiden

Seines Bruders Preis den Heiden:

Daß ihm seine Hand im Streit

Erwarb so hohe Würdigkeit,

Wohl dankt' er ihm dafür gar sehr;

Ihn selber ehrt' es noch viel mehr.


Da ließ Gawan des Heiden Wehr,

Als geschähs von Ohngefähr,

In des Kreißes Mitte bringen.

Man legt' ihm Werth bei, nicht geringen.

Die Ritter und die Frauen,

Die kamen all zu schauen

Schild, Korsett und Wappenkleid;

Nicht zu eng der Helm und nicht zu weit.

Alle staunten ob dem Scheine

Der theuern edeln Steine,

Die darin verlöthet lagen.

Man darf mich nach der Art nicht fragen,

Der sie angehören,

So die leichten als die schweren.

Beßer wohl beschied' euch des[358]

Eraklius oder Herkules

Und der Grieche Alexander;

Oder noch ein Andrer,

Der weise Pythagoras,

Der die Schrift der Sterne las:

Der war so weise sonder Streit,

Daß Niemand seit Adams Zeit

Noch so weisen Sinn getragen;

Der konnte wohl von Steinen sagen.


Die Frauen raunten: »Hab ein Weib

Ihm damit geziert den Leib,

Wenn er sich Der nicht treu erweise,

Das schade seinem Preise.

So hold war Manche hier dem Heiden,

Sie würde seinen Dienst wohl leiden,

Just weil ihn ziert manch fremdes Mal.

Gramoflanz, Artus, Parzival

Und der Wirth Herr Gawan,

Die gehen nun allein hindann;

Den reichen Heiden vertrauen

Sie unterdessen den Frauen.«


Artus berieth ein Festgelag,

Das man schon am andern Tag

Auf dem Feld begehen sollte,

Weil er damit empfangen wollte[359]

Seinen Neffen, Feirefißen:

»Das zu bestellen seid beflißen

Mit euerm besten Witze,

Daß Er mit uns sitze

An der edeln Tafelrunde.«

Sie versprachens all aus Einem Munde

Zu thun, wofern es ihm nicht leid.

Da verhieß Geselligkeit

Ihnen Feirefiss der Degen reich.

Nach dem Nachttrunk fuhr sogleich

Zu seiner Ruhe Jedermann.

Die Freude brach für Manchen an

Am Morgen, darf ich also sagen,

Da der süße Tag begann zu tagen.


Da hielt es so Artus, der Sohn

Des Königs Utepandragon:

Bereiten ließ er, reich genug,

Der Tafelrund ein Tafeltuch

Aus einem Triantthasme fein.

Euch wird noch in Erinnrung sein

Wie an des Plimizöls Gestad

Man Tafelrund gehalten hat:

Nach jenem Tuche maß man dieß,

Rund geschnitten, Jeder pries

Wie es reich und köstlich wär.[360]

Abgesteckt ward rings umher

Ein Kreiß auf thauig grünem Gras,

Der wohl sieben Morgen maß

Vom Schausitz bis zur Tafelrunde.

War es die rechte nicht im Grunde,

Den Namen ließ sie sich nicht nehmen.

Wohl möcht ein feiger Mann sich schämen,

Wenn er hier bei den Werthen saß

Und sein Mund die Kost mit Sünden aß.


Der Kreiß ward bei der schönen Nacht

Abgesteckt, und wohl mit Pracht

Geziert von dem zu jenem Ziel.

Einem armen König wärs zu viel,

Wie man die Runde fand geschmückt

Als der Morgen war herangerückt.

Gawan und Gramoflanz allein

Standen für die Kosten ein.

Artus war hier zu Lande Gast;

Doch trug er mancher Kosten Last.


Und wurde noch so schwarz die Nacht,

Doch ists von Alters hergebracht,

Die Sonne bringt den Tag zurück.

Auch heute widerfuhr dieß Glück:

Schon schien er lauter, süß und klar.

Mancher Ritter strich da wohl sein Haar,[361]

Und schmückt' es schön mit Blumenkränzen.

Da sah man Frauen lieblich glänzen

Ungeschminkt mit rothem Mund,

Thut Kiot anders Wahrheit kund.

Man sah an Herrn und Fraun Gewand,

Nicht nach dem Schnitt in Einem Land;

Hohen, niedern Kopfputz auch,

Wie es in jedem Land Gebrauch.

Sie kamen her aus manchen Reichen,

Die sich in Sitt und Schnitt nicht gleichen.

Den Fraun, die keinen Ritter hatten,

Wollte man es nicht verstatten

In der Tafelrunde Kreiß zu kommen.

Hat sie Wen in Dienst genommen,

Dem sie Lohn verhieß mit Hand und Munde,

So kam sie an die Tafelrunde.

Meiden musten sie die Andern

Und nach den Herbergen wandern.


Nun Artus Messe hat vernommen,

Sieht man mit Gramoflanzen kommen

Den Herzogen von Gowerzein

Und Florand den Gesellen sein.

Die wären gern erhoben worden

In der Tafelrunde Orden:

Da ward nach ihrem Wunsch gethan.[362]

Fragt euch Weib nun oder Mann,

Wer der reichste wär der Recken,

Die je aus allen Länderstrecken

Saßen an der Tafelrunde,

Dem gebet nur getrost die Kunde,

Es war Feirefiss Anschewein:

Laßt es dabei bewendet sein.


Mit festlichem Gepränge

Ritt man zu des Kreißes Enge.

Manche Frau kam in Gefahr,

Wenn ihr Ross nicht wohl gegürtet war,

Sie wär gewiss gefallen.

Mit reicher Banner Wallen

Kamen sie von allen Seiten.

Da sah man sie den Buhurd reiten

Rings um den abgesteckten Kreiß.

Es war höfisch und weis,

Daß Keiner in den Schranken ritt:

Der weite Raum da draußen litt,

Daß sie die Rosse wohl ersprengten,

Die Haufen sich im Anlauf mengten;

Auch mochten sie so künstlich reiten,

Daß sichs die Fraun zu schauen freuten.


Als die Zeit des Mals gekommen,

Ward an der Tafel Platz genommen.[363]

Truchseß, Kämmerer und Schenken

Hatten Manches zu bedenken,

Daß mans mit Zucht zur Stelle trug.

Wohl gab man Jeglichem genug.

Die Frauen ehrt' es, die man da

An des Freundes Seite sah;

Für Manche hatt auch kühne That

Vollbracht verliebten Herzens Rath.

Feirefiss und Parzival

Musterten mit süßer Qual

Bald eine bald die andre Frau.

Auf Acker oder Wiesenau

Sah man noch zu keiner Stunde

So lichte Haut bei rötherm Munde

Als an dieser Tafel Ringe:

Da ward der Heide guter Dinge.


Heil der nahenden Stunde!

Willkommen sei die süße Kunde,

Die von der Jungfrau wird vernommen!

Denn eine Jungfrau sah man kommen

In theuern Kleidern, wohl geschnitten,

Kostbar nach Franzosensitten;

Ein reicher Sammt ihr Oberkleid,

Schwärzer noch als ein Geneit.

Manch Turteltäubchen schien da hold,[364]

Gewoben aus Arabiens Gold,

Das Wappenbild des Grales.

Sie ward desselben Males

Bestaunt von allen Leuten.

Laßt sie zur Stelle reiten.

Die Kopfzier trug sie hoch und blank;

Mit manchem dichten Ueberhang

War ihr Angesicht bedeckt,

Und vor jedem Blick versteckt.


Sacht und doch in Zelterschritten

Kam sie über Feld geritten.

Ihr Zaum, ihr Sattel und ihr Pferd

Unstreitig hatten hohen Werth.

In den Kreiß ließ man sie gern

Zu den Frauen und den Herrn.

Nicht die Thörichte, die Weise

Ritt da rings umher im Kreise.

Man zeigt ihr an wo Artus saß,

Den sie zu grüßen nicht vergaß.

Französisch hub sie an zu sprechen

Und flehte, nicht an ihr zu rächen,

Wie sie gescholten einst den Helden,

Dem sie nun Frohes wolle melden.

Den König und die Königin

Bat sie, daß die ihr Beistand liehn.
[365]

Von diesen wandte sie sich da

Zu Parzivalen, den sie nah

Bei Artusen sitzen fand.

Sie schwang sich eilends, unverwandt,

Von dem Pferd auf das Gras.

Mit aller Zucht, die sie besaß,

Fiel sie Parzival zu Füßen

Und bat ihn weinend um sein Grüßen,

Daß er ihr die Schuld verzeihe

Und seine Huld ihr wieder leihe.

Für sie zu bitten befliß

Da Artus sich und Feirefiss.

Noch hegte Parzival ihr Haß,

Den er getreulich doch vergaß

Und ihr der Freunde halb verzieh.

Die Werthe, schön wohl war sie nie,

Schnell wieder auf die Füße sprang,

Und sagte Beiden großen Dank,

Die ihr wiederum zu Huld

Verholfen nach so großer Schuld.


Herab nun riß sie so geschwinde

Ihres Hauptes Schmuck und Binde,

Daß die Haube wie die Schnur

Vor ihr auf die Erde fuhr.

Kondrie la Sorziere[366]

Ward da erkannt im Heere,

Und des Grales Wappen, das sie trug,

Besah, bestaunte man genug.

Sie war auch noch so wohlgethan

Wie ehmals, da sie Weib und Mann

An den Plimizöl sah kommen;

Wie schön sie war, ihr habts vernommen.

Ihre Augen hatten noch dieselbe

Topasengleiche Gelbe;

Die Zähne lang, der Mundes Schein

Glich einem blauen Veigelein.

Sie trug ihn wohl aus eitelm Muth:

Was sollt ihr sonst der theure Hut

An des Plimizöls Gestaden?

Die Sonne würd ihr doch nicht schaden:

Ihre Stralen konnten nimmerdar

Die Haut ihr schwärzen durch das Haar.


Nun stand sie höfisch da und sprach:

Für hohe Märe galts hernach,

Was sie zur selben Stunde

Kund that aus fahlem Munde:

»O wohl dir, Sohn von Gahmuret,

An dem Gott Gnade nun begeht,

Du der von Herzeleiden erbte;

Feirefiss der buntgefärbte[367]

Soll mir auch willkommen sein.

Sekundille war die Herrin mein;

Auch erwarb sich hohe Würdigkeit

Von Jugend auf dein Preis im Streit.«


Zu Parzivalen sprach sie so:

»Nun sei demüthgen Sinnes froh

Des dir beschiednen Theiles,

Der Krone menschlichen Heiles!

Die Inschrift wurde gelesen:

Du bist zum Herrn des Grals erlesen.

Kondwiramur, die Gattin dein,

Und dein Sohn Loherangrein

Sind mit dir dazu benannt.

Seit du Brobarz geräumt, das Land,

Gebar zwei Söhne dir ihr Schooß;

Das Reich, das Kardeiß bleibt, ist groß.

Und wär kein ander Heil dir kund,

Als daß dein wahrhafter Mund

Den unseligen, den süßen

Mit froher Botschaft soll begrüßen!

Den König Anfortas erlöst

Die Frage deines Munds und flößt

Ihm Freud ins Herz, dem Jammerreichen:

Wer mag an Seligkeit dir gleichen!«
[368]

Sieben Sterne jetzt benannte

Sie arabisch. Ihre Namen kannte

Feirefiss der werthe Heide reich;

Der saß da schwarz und weiß zugleich.

Sie sprach: »Ermiß nun, Parzival,

Der höchste Planete Zwal

Und der schnelle Almustri,

Almaret und der lichte Samsi,

Erweisen Seligung an dir.

Der fünfte heißt Alligafir

Und der sechste Alkiter

Und uns der nächste Alkamer.

Ich sag es nicht aus einem Traum:

Sie sind des Firmamentes Zaum,

Die seine Schnelligkeit zu hemmen

Kämpfend sich entgegenstemmen.

An dir hat Sorge nicht mehr Theil.

Was des Planetenlaufes Eil

Umkreißt, ihr Schimmer überdeckt,

So weit ist dir das Ziel gesteckt,

Da sollst du Macht erwerben.

Dein Kummer muß verderben.

Unenthaltsamkeit allein

Soll dir nicht gestattet sein;

So wehrt dir auch des Grales Kraft

Der Sündigen Genoßenschaft.[369]

Du hattest junge Sorg erzogen:

Nun dir Freude naht, ist sie betrogen.

Du hast der Seele Ruh erworben,

Dir Freud erharrt im Drang der Sorgen.«


Die Mär verdrießt den Degen nicht;

Vor Freud aus seinen Augen bricht

Waßer aus des Herzens Bronnen.

Da sprach er: »Herrin, hohe Wonnen

Hat mir euer Mund genannt.

Bin ich so vor Gott erkannt,

Daß ich sündiger Mann

Und wenn ich Weib und Kind gewann,

Sie Alle mit mir Gnad empfahn,

So hat Gott wohl an mir gethan.

Daß ihr mich gern entschädgen mögt,

Das zeigt mir, daß ihr Treue hegt.

Doch hatt ich sicherlich gefehlt,

Sonst blieb mir euer Zorn verhehlt;

Ich wandelte noch nicht im Heil.

Des gebt ihr jetzt mir solchen Theil,

Daß sich endet all mein Leid.

Für die Wahrheit bürgt mir euer Kleid:

Da ich zu Monsalväsche saß

Bei dem traurgen Anfortas,

Alle Schilde, die ich hangen fand,[370]

Waren gemalt wie eur Gewand:

Viel Turteltauben tragt ihr dran.

Nun sagt mir, Herrin, wie und wann

Ich soll zu meinen Freuden fahren,

Und laßt mich das nicht lange sparen.«

Da sprach sie: »Lieber Herre mein,

Ein Mann soll dein Geselle sein,

Den wähle. Ich geleite dich;

Daß du ihm helfest, spute dich.«


Da wards im ganzen Kreiß vernommen:

»Kondrie la Sorzier ist kommen«

Und was ihre Botschaft meinte.

Vor Freuden Orgeluse weinte,

Daß des Anfortas lange Qual,

Wenn ihn früge Parzival,

Bald ein Ende sollt empfahn.

Artus, der weitgepriesne Mann,

Zu Kondrien höfisch sprach;

»Frau, geedenkt auf eur Gemach:

Laßt euch pflegen, lehrt uns wie.«

Da sprach sie: »Ist Arnive hie?

Welch Gemach mir Die verleiht,

Damit genügt mir diese Zeit

Bis mein Herr von hinnen fährt.

Ist sie ihrer Haft erwehrt,[371]

So erlaubt mir sie zu schauen,

Und all die andern Frauen,

Die manches Jahr in strenger Haft

Klinschor hielt durch Zauberkraft.«

Zwei Ritter hoben sie zu Pferd:

Zu Arniven ritt die Jungfrau werth.


Schier zu Ende gieng das Mal.

Bei dem Bruder saß noch Parzival:

Da bat er Den um sein Geleit.

Feirefiss war gern bereit

Mit gen Monsalväsch zu fahren.

Da sie gesättigt waren,

Sie standen auf vom Tafelringe.

Der Heide dachte hoher Dinge:

Er bat den König Gramoflanz,

Ob noch die Liebe voll und ganz

Zwischen ihm und seiner Nichten,

»Laßt mir's die That berichten.

Ihr und Freund Gawan helfet mir,

Daß alle Könige und Fürsten hier,

Barone, Ritter und sofort,

Ihrer Keiner laße diesen Ort

Eh sie mein Geschenk ersehn.

Mir wäre hier ein Schimpf geschehn,

Blieb' Einer meiner Gabe frei.[372]

So viel auch fahrenden Volks hier sei,

Die müßen meine Gab empfangen.

Herr Artus, such es zu erlangen,

Daß die Hohen sich nicht schämen,

Gab aus meiner Hand zu nehmen.

Nimm für sie den Schimpf auf Dich:

Der Reichste bin ich sicherlich;

Und gieb mir Boten an das Meer:

Die holen die Geschenke her.«


Da gelobten sie dem Heiden,

Sie wollten sich nicht scheiden

Von dem Felde vor vier Tagen:

Da ward er froh, so hört' ich sagen.

Artus gab kluge Boten her,

Die er sollte senden an das Meer.

Feirefiss, Gahmuretens Kind,

Nahm Dint und Pergament geschwind.

Sie ließen seine Schrift wohl gelten:

So viel erwarb ein Brief noch selten.


Die Boten fuhren bald hindann.

Parzival derweil begann:

Französisch sagt' er Allen laut

Was einst ihm Trevrezent vertraut,

Daß den Gral zu keinen Zeiten

Jemand möcht im erstreiten,[373]

Den nicht Gott dazu ernannt.

Da ward es kund in allem Land,

Kampf mög ihn nicht erzwingen.

Die ihn gedacht zu erringen,

Ließen es von dieser Frist,

Daher er noch verborgen ist.


Von Feirefiss und Parzival

Kam da den Frauen neue Qual.

Den Urlaub wollten sie nicht laßen:

Sie ritten durch des Lagers Gaßen

Und grüßten scheidend Jedermann.

Mit Freuden schieden sie hindann

In Stahl gewappnet wohl zur Wehr.

Am dritten Tag kam von dem Heer

Des Heiden solche Habe,

Nie vernahm man größre Gabe.

Auf ewig halfs des Königs Land,

Der Gab empfieng aus seiner Hand.

Nach Standsgebühr ward Jedem da,

Daß er nie reichre Gabe sah,

Den Frauen All ein reich Präsent

Von Triant und Naurient.

Weiß nicht wie sich das Heer geschieden;

Kondrie, die Zwei, ziehn hin in Frieden.


Quelle:
Wolfram von Eschenbach: Parzival und Titurel. 2 Bände, Stuttgart 1862, Band 2, S. 310-374.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
Parzival. Text und Übersetzung. Mittelhochdeutscher Text: Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text Nach Der Sechsten Ausgabe Von Karl Lachmann. Mit ... Und in Probleme Der Parzival-interpretation
Parzival - Band 1: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival - Band 2: Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch
Parzival: Band 1 und 2
Parzival I und II (Deutscher Klassiker Verlag im Taschenbuch)

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon