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[378] Anfortas mit den Seinen trug
Leid und Jammer noch genug.
Ihre Treue ließ ihn in der Noth:
Er bat sie oftmals um den Tod.
Dem Tod auch könnt er nicht entgehn,
Doch ließen sie den Gral ihn sehn:
Da fristet' ihn des Grales Kraft.
Er sprach zu seiner Ritterschaft:
»Ich weiß wohl, wär euch Treue kund,
Mein Leid erbarmt' euch gleich zur Stund.
Wie lange soll die Qual mir währen?
Sicher, Rechenschaft gewähren
Müßt ihr dafür dereinst vor Gott.
Stäts war ich gern euch zu Gebot
Seit ich zuerst die Waffen trug.
Entgolten hätt ichs nun genug
Was übles je von mir geschah,
Wenn euer Einer das ersah.
Wollt ihr der Untreu euch erwehren,
So erlöst mich, bei des Helmes Ehren[379]
Und bei des Schildes Orden:
Inne seid ihr oft geworden,
Schiens euch werth darauf zu achten,
Daß die mit mir vollbrachten
Manches ritterliche Werk.
Ich habe manchmal Thal und Berg
In Tjosten überritten
Und mit dem Schwerte so gestritten,
Es mochte wohl den Feind verdrießen:
Des laßt ihr wenig mich genießen.
Ich aller Freude waiser
Traun vor dem Himmelskaiser
Verklag ich einst euch Alle.
Ihr kommt zu ewgem Falle,
Wenn ihr mich nicht bald befreit.
Mein Jammer wär euch billig leid.
Ihr habt gesehn und auch vernommen
Wie mir dieß Unglück ist gekommen:
Wie taugt' ich euch zum Herren noch?
Viel zu früh erfahrt ihrs doch,
Wenn ihr das Heil verwirkt an mir.
O weh, wie übel handelt ihr!«
Sie würden endlich ihn erlösen,
Wär eine Hoffnung nicht gewesen.
Euch machte Trevrezent bekannt[380]
Was dort am Gral geschrieben stand.
Sie erharrten abermals den Mann,
Dem dort die Freude gar zerrann,
Und der hülfreichen Stunde,
Da die Frage käm aus seinem Munde.
Auf Eine List sann Anfortas:
Daß er geschloßnen Auges saß:
Vier Tage senkt' er oft die Lieder.
Trug man ihn zum Grale wieder,
Es mocht ihm lieb sein oder leid,
Da zwang ihn seine Schwachheit,
Daß er offen that die Augen:
Da must er Leben saugen
Und konnt im Tode nicht erkalten.
So pflegten sie's mit ihm zu halten
Bis an den Tag, da Parzival,
Der bunte Feirefiss zumal,
Froh gen Monsalväsche ritten.
Auch kam die Zeit mit schnellen Schritten,
Daß Mars oder Jupiter
Wie zornglühend zog daher
Und sich der Stelle wieder nahten
(Dann war der König schlimm berathen),
Wo sie zu Anfang stunden.
Das that an seinen Wunden[381]
Anfortas weh mit solcher Qual,
Die Fraun und Ritter allzumal
Hörten sein Geschrei ertönen.
Mit Jammerblicken und mit Stöhnen
Gab er seinen Jammer kund.
Er war ohn alle Hülfe wund,
Helfen konnten sie ihm nicht;
Jedoch die Aventüre spricht,
Nun sei die wahre Hülf ihm nah.
Beim Mitleid ließen sie es da.
Wenn die scharfe bittre Noth
Ihr strenges Ungemach ihm bot,
Den Geruch zu mindern ward die Luft
Erfüllt mit süßer Kräuter Duft.
Man legt' ihm auf den Teppich hin
Dann Pigment und Terpentin,
Moschus und Aromata.
Die Luft zu reingen lag auch da
Ambra und Theriak genug:
Das war ein süßer Wohlgeruch.
Sobald man auf den Teppich trat,
Jeroffel, Kardemon, Muskat
Lag, die Lüfte zu durchsüßen,
Gebrochen unter ihren Füßen.
Wie das mit Tritten ward zerdrückt,[382]
So war die Nase gleich erquickt.
Von Lignum Aloe war sein Feuer;
Das sagt' euch schon ein Abenteuer.
Als Stollen an dem Spannbett prangen
Sah man aus Horn gedrehte Schlangen.
Daß das Gift beruhigt sei
Waren Wurzeln mancherlei
Auf die Kissen ausgesät.
Nur gesteppt und nicht genäht
War das Pfellel, drauf er lehnte,
Ein Seidenstoff von Nauriente;
Das Polster drunter war palmaten.
Das Spannbett war auch sonst berathen
Mit theuern Edelsteinen
Und mit anders keinen.
Stränge haltens aneinder
Vom Geweb der Salamander:
Das sind die Borten drunter.
Ihn machte Freude nicht zu munter.
Reich wars nach allen Seiten:
Es möge Niemand streiten
Als hab er Beßres je gesehn.
Es war kostbar und schön
Von edeln Steinen aller Art;
Ihre Namen sind uns aufbewahrt:
[383]
Karfunkel und Selenit,
Belagius und Jerachit,
Onix und Chalcedon,
Korallis und Bestion,
Unio und Ophthallius,
Epistites Keraunius,
Gagatrom, Heliotropia,
Pantherus, Antrodragma,
Prasem und Sarda,
Hematites, Dionysia,
Achates und Chelidon,
Sardonix un Chalkophon.
Karneol und Jaspis,
Echites und Iris,
Gagates und Ligurius,
Abeston und Cegolithus,
Galaktida, Hyacinthus,
Orites und Anydrus,
Absinth und Alabanda,
Chrysoelekter, Hiennia,
Smaragd und Magnes,
Sapphir und Pyrrites.
Daneben standen hier und da
Türkissen und Lipparea,
Chrysolten und Rubinen,
Paleisen und Sardinen,[384]
Adamas und Chrysopras,
Diadoch und Topas,
Medus und Malachit,
Berillus und Peanit.
Einige lehrten hohen Muth;
Zum Heil und zur Gesundheit gut
War der andern Eigenschaft.
Sie verliehen hohe Kraft,
Wer es zu erproben wuste.
So künstlich fristen muste
Man Anfortas: der schuf dem Herzen
Seines Volkes große Schmerzen.
Doch bald wird Freude hier vernommen
Schon ist gen Monsalväsch gekommen,
Von Joflanz geritten heut,
Dem alle Sorge war zerstreut,
Parzival, sein Bruder und die Magd.
Man hat mir nicht genau gesagt
Wie viel es Meilen waren.
Sie hätten Kampf erfahren;
Doch weil Kondrie ihr Geleit,
Blieben sie davon befreit.
Sie waren einer Vorhut nah:
Auf schnellen Rossen kamen da
Viel Templeisen angefahren,[385]
Gewappnet, die so klug doch waren,
Daß sie am Geleite sahn,
Ihnen solle Freude nahn.
Wohl rief ihr Rottenmeister da,
Als er die Turteltauben sah
Glänzen von Kondriens Kleid:
»Ein Ende hat all unser Leid:
Mit des Grales Wappen eingetroffen
Ist, auf den wir täglich hoffen
Seit uns Angst und Noth umstricken.
Gebt acht: nun will uns Freud erquicken.«
Feirefiss Anschewein
Mahnte Parzival, den Bruder sein,
Wider Jene zu reiten
Und wollte selber streiten.
Kondrie erfaßte seinen Zaum:
Da war zu seiner Tjost nicht Raum.
Die rauche Magd begann zumal
Zu ihrem Herren Parzival:
»Solche Schilde, dieß Panier
Sollt ihr kennen lernen hier.
Sie zählen zu des Grals Geleit
Und sind euch immer dienstbereit.«
Da sprach der werthe Heide:
»Den Streit ich gern nun meide.«
[386]
Da schickte Parzival Kondrien
Voraus, zu den Templeisen hin.
Sie ritt und brachte ihnen Märe
Welch Heil für sie gekommen wäre.
Da sprangen die Templeisen
Vom Pferd vor dem Waleisen,
Vor dem sie grüßend stunden
Den Helm vom Haupt gebunden.
Sie empfiengen Parzival zu Fuß:
Ein Segen däuchte sie sein Gruß.
Sie begrüßten auch mit Fleiß
Diesen Heiden schwarz und weiß,
Und ritten weinend, ob in Freuden,
Gen Monsalväsch dann mit den Beiden.
Da fanden sie zahllose Schar,
Manch schönen Ritter grau von Haar,
Knappen und edle Kinde.
Das traurge Ingesinde
Schien ihre Ankunft doch zu freun.
Feirefiss Anschewein
Und sein Bruder Parzival,
An der Stiege vor dem Saal
Wurden sie wohl empfangen.
In den Saal ward gegangen.
[387]
Da lagen nach des Hauses Sitten
Hundert Teppiche, rund geschnitten;
Ein Bett auf Jedem, weich genug,
Mit gestepptem Sammetüberzug.
Da musten Beide zum Empfang
Niedersitzen, nur so lang
Bis sie die Rüstung abgethan.
Dann kam ein Kämmerer heran,
Der Kleider brachte reiche,
Ihnen beiden gleiche.
Auch all die Schar der Ritter saß.
Man trug von Gold (es war nicht Glas)
Manch theuern Becher in den Saal.
Feirefiss und Parzival
Tranken und giengen dann
Zu Anfortas dem traurgen Mann.
Ihr habt wohl schon vernommen, daß
Er lehnte und gar selten saß;
Auch wie das Bett geschmückt ihm war.
Die Zwei empfieng Anfortas, zwar
Fröhlich, doch mit Kummers Klage:
»Mit Schmerz erharrt' ichs lange Tage,
Werd ich künftig von euch froh.
Wohl war euer Abschied so,
Daß ihr es billig jetzt bereut,[388]
Wenn euch mir zu helfen freut.
Ward jemals Preis von euch gesagt,
Hier ist mancher Ritter, manche Magd:
Bittet, daß man mir den Tod
Vergönnt, so endet meine Noth
Ist euer Name Parzival,
So entziehet meinem Blick den Gral
Sieben Nacht nur und acht Tage,
So hat ein Ende meine Plage.
Euch anders warnen darf ich nicht:
Heil euch, wenn Hülf euch nicht gebricht.
Eur Gesell ist hier ein fremder Mann,
Dessen Stehen ich nicht dulden kann.
Was sorgt ihr nicht für sein Gemach?«
Parzival mit Weinen sprach:
»Sagt mir wo der Gral hier liege.
Ob Gottes Gnade an mir siege,
Des werdet ihr wohl inne werden.«
Da warf er betend sich zur Erden
Dreimal zur Dreifaltigkeit,
Daß des traurgen Mannes Leid
Jetzt ein Ende möcht empfahn.
Der Held stand auf und sprach alsdann:
»Oheim, was fehlet dir?«
Der für St. Silvestern einen Stier[389]
Vom Tode lebend wandeln hieß,
Der Lazarum erstehen ließ,
Derselbe half, daß Anfortas
Alsbald zu vollem Heil genas:
Was der Franzose nennt Florie,
Den Glanz er seiner Haut verlieh.
Parzivals Schönheit war nun Wind,
Und Absalons, Davidens Kind,
So Aller, die wie Vergulacht
Die Schönheit erblich hergebracht,
Auch Gahmuretens Schönheitspreis,
Als er dort zu Kanvoleis
Einzug hielt so wonniglich –
All ihre Schönheit Dieser wich,
Die Anfortas aus Siechheit trug.
Gott kann der Künste noch genug.
Da braucht' es weiter keine Wahl:
Durch die Schrift an dem Gral
War ihnen schon ein Herr benannt.
Parzival ward anerkannt
Als König und Gebieter dort.
Man fände wohl an andrem Ort
So leicht nicht Zwei so reiche Männer
(Von Reichthum bin ich zwar kein Kenner)
Als Parzival und Feirefiss.[390]
Zu Dienst sich Männiglich befliß
Dem Wirth und seinem Gast zumal.
Ich weiß nicht der Rasten Zahl,
Die Kondwiramur geritten kam
Gen Monsalväsch wohl ohne Gram.
Sie hatte Alles schon vernommen:
Ihr war die Botschaft gekommen,
Ein Ende hätt all ihre Noth.
Von dem Herzogen Kiot
Und noch manchem werthen Degen
War sie auf waldgen Wegen
Gen Monsalväsch geführt, bis dort
Wo Segramors, ihr kennt den Ort,
Aus dem Sattel war gewichen,
Und Ihr der blutge Schnee geglichen.
Da sollte Parzival sie finden:
Des mocht er gern sich unterwinden.
Ein Templer bracht ihm jetzo Märe:
Mit der Königin gekommen wäre
Höfscher Ritter große Zahl.
Nicht lang besinnt sich Parzival:
Mit Eingen von des Grales Heer
Zu Trevrezenten reitet er.
Den Klausner freute herzlich, daß
Es also stund um Anfortas,[391]
Daß er von jener Tjost nicht starb
Und ihm die Frage Heil erwarb.
»Gottes Kraft ist unermeßen!
Wer hat in seinem Rath geseßen?
Wer weiß ein Ende seiner Macht?
Zu Ende wird es nie gedacht
Von allen Himmelschören dort.
Gott ist Mensch und seines Vaters Wort.
Gott ist Vater und Sohn zugleich,
Sein Geist ist aller Hülfe reich.«
Zu Parzival begann er da:
»Ein Wunder ists wie nie geschah,
Da Gott erzürnt hat eure That,
Daß sein dreieinig ewger Rath
Euer Trachten ließ gelingen.
Ich log, euch abzubringen
Vom Gral, wie's um ihn stünde
(Gebt mir Buße für die Sünde;
Gehorsam will ich jetzt euch sein,
Schwestersohn und Herre mein):
Daß die vom Weltenmeister
Ausgetriebnen Geister
Harrend schwebten um den Gral,
Ob ihnen Gnade würd einmal.
Also sprach ich dort zu euch.[392]
Doch Gott ist stäts sich selber gleich,
Er streitet ewig wider sie
Und Gottes Huld wird ihnen nie.
Wer seinen Lohn davon will tragen,
Der muß dem Bösen widersagen:
Ewiglich sind sie verloren,
Sie haben selbst den Fall erkoren.
Ihr mühtet euch, das war mir leid,
Umsonst in ganz vergebnem Streit.
Daß Wer den Gral sich möcht erstreiten
War unerhört zu allen Zeiten;
Ich hätt euch gern der Müh entnommen.
Doch anders ist es nun gekommen,
Euch kam von Oben der Gewinn;
Zu Demuth wendet nun den Sinn.«
Zum Oheim sprach der Waleis da:
»Ich soll sie sehn, die ich nicht sah
Innerhalb fünf Jahren.
Da wir beisammen waren
War sie mir lieb; das ist sie noch.
Ich wünsche deinen Rath jedoch
So lang uns noch nicht schied der Tod:
Du riethst mir einst in großer Noth.
Ich ziehe meinem Weib entgegen:
Die zog daher auf waldgen Wegen[393]
Bis an des Plimizöls Gestad.«
Der Held um seinen Urlaub bat.
Da befahl ihn Gott der gute Mann;
Nacht war es, als er fuhr hindann.
Den Gesellen war der Wald wohl kund.
Am Morgen fand er lieben Fund,
Manch Gezelt aufgeschlagen:
Aus dem Lande Brobarz, hört ich sagen,
War manches Banner eingesenkt
Und mancher Schild davor gehängt:
Seines Landes Fürsten lagen dort.
Der Waleis frug, an welchem Ort
Die Köngin selber läge
Und ob eigner Kreiß sie hege?
Da zeigte man ihm wo ihr Zelt
Mit eignem Umkreiß stand im Feld,
Von andern Zelten rings umfangen.
Herzog Kiot von Katelangen
War heut erwacht bei Zeiten:
Da sah er diese reiten.
Noch war des Tages Schimmer grau;
Kiot erkannte doch genau
Des Grales Wappen an der Schar:
Sie führten Turteltauben klar.[394]
Der alte Mann erseufzt von Herzen,
Da er Schoisianens denkt mit Schmerzen:
Die er zu Monsalväsch erworben
War bei Siguns Geburt gestorben.
Entgegen gieng er Parzival
Und empfieng ihn mit den Seinen all.
Den Marschall der Königin,
Durch einen Junker bat er ihn,
Den Rittern gut Gemach zu schaffen,
Die er da halten sah in Waffen.
Ihn selber führt' er an der Hand
Wo er der Köngin Kammer fand,
Ein klein Gezelt von Buckeram,
Wo man die Rüstung von ihm nahm.
Noch ahnte nichts die Königin.
Kardeiß und Loherangrin
Fand bei ihr liegen Parzival
(Wer zählt da seiner Freuden Zahl?)
In einem hohen weiten Zelt,
Und rings umher ihr zugesellt
Lagen klarer Fraun genug.
Kiot die Decke von ihr schlug,
Er hieß die Königin erwachen,
Sie sollte fröhlich sein und lachen.
Sie blickt' empor und sah den Mann,[395]
Sie hatte nur das Hemde an.
Die Decke hurtig um sich schwang,
Auf den Teppich vor dem Bette sprang
Kondwiramur, das schöne Weib;
Ihr Gemahl umfieng ihr auch den Leib.
Man sagte mir, sie küssten sich.
Sie sprach: »So hat das Glück mir dich
Gesendet, Herzensfreude mein!«
Sie hieß ihn willkommen sein.
»Nun sollt ich zürnen, kann nicht, ach!
Heil sei der Stunde, Heil dem Tag,
Die mir brachten diesen Kuss,
Davon mein Trauern schwinden muß.
Nun hab ich was mein Herz begehrt,
Allen Sorgen ist der Sieg verwehrt.«
Nun erwachten auch die Kindelein,
Kardeiß und Loherangrein:
Die lagen auf dem Bette bloß.
Wohl war des Vaters Freude groß,
Da er sie küsste minniglich.
Nicht lang bedachte Kiot sich,
Er befahl die Knaben fortzutragen;
Man hört' ihn auch den Frauen sagen,
Daß sie aus dem Zelte giengen.
Das thaten sie, doch erst empfiengen[396]
Sie ihren Herrn nach langer Reise.
Kiot der höfische und weise
Befahl der Köngin ihren Mann;
Die Jungfraun führt' er all hindann.
Noch begann es kaum zu tagen;
Die Winden wurden zugeschlagen.
Nahm ihm einst bewusten Sinn
Schnee und Blut gemischt dahin
(Die fand er liegen hier im Hain),
Für solchen Kummer steht nun ein
Kondwiramur, die Beides hat.
Nie hatt er Hülf an andrer Statt
Empfangen für der Minne Noth
Ob manch edles Weib ihm Minne bot.
In süßer Kurzweile lag
Er bis zu vollen Morgens Tag.
Neugierig nahte Kiots Schar:
Sie nahmen der Templeisen wahr.
Von Hieb und Stoß zerschlagen
Sah man sie Helme tragen;
Ihr Schild hat Lanzenstöß erlitten,
Von Schwertern war er auch zerschnitten.
Von Sammet oder Seidentuch
War das Kleid, das Jeder trug.[397]
Keinen Harnisch trugen mehr die Stolzen,
Nur an den Füßen Eisenkolzen.
Nicht mehr zum Schlafen stand ihr Sinn.
Der König und die Königin
Standen auf. Ein Priester Messe sang.
Da ward im Lager groß der Drang
Von dem tapfern Kriegesheer,
Das Klamiden einst stand zur Wehr.
Als die Messe war begangen
Wurde Parzival empfangen
Würdiglich von seinem Bann,
Manchem Ritter kühn und wohlgethan.
Des Zeltes Winden nahm man ab.
Der König sprach: »Wo ist der Knab,
Der König sein soll euerm Land?«
Allen Fürsten macht' er da bekannt:
»Waleis und Norgals,
Kanvoleiß und Kingrivals
Gehört zu vollem Recht ihm an
Mit Anschau und Bealzenan.
Erwächst er einst zu Mannes Kraft,
So helft, daß ihr ihm Die verschafft.
Gahmuret mein Vater hieß,
Der mirs als rechtes Erbe ließ.[398]
Da mir das Glück verhalf zum Gral,
So empfanget ihr an diesem Mahl
Eure Lehn von meinem Kinde,
Wenn ich euch treu befinde.«
Das geschah von Herzen gern.
Viel Fahnen brachte man dem Herrn:
Da liehn zwei kleine Hände
Weiter Lande manches Ende.
Gekrönet wurde da Kardeiß;
Er bezwang auch später Kanvoleiß
Und mehr von Gahmuretens Land.
An des Plimizöls grünem Rand
Ward ein weiter Kreiß gemeßen,
Wo sie zu Mittag sollten eßen.
Sie nahmen eilends Trank und Speise
Und schickten sich zur Heimreise.
Die Zelte brach das Heer darnieder;
Mit dem jungen König fuhr es wieder.
Das Ingesind und viel Jungfrauen
Ließen großen Kummer schauen,
Da sie schieden von der Königin.
Die Templer nahmen Loherangrin
Und seine Mutter wohlgethan:
Also ritten sie hindann
Gen Monsalväsche balde.[399]
»Eines Tags in diesem Walde
Sah ich eine Klause stehn,«
Sprach Parzival, »und drinne gehn
Einen klaren Brunnen schnelle:
Wenn ihr sie wißt, weist mich zur Stelle.«
Sie wüsten eine, ward gesagt
Von den Gefährten: »eine Magd
Wohnte klagend auf des Freundes Sarg;
Ihr Herz die lautre Güte barg.
Unser Weg geht nah vorbei;
Ihr Herz ist selten Jammers frei.«
Der König sprach: »Ich will sie sehn.«
Die Andern ließens gern geschehn.
Sie ritten vorwärts trabend
Und fanden spät am Abend
Sigunen auf den Knieen todt:
Da sah die Köngin Jammers Noth.
Durch den Felsen brach man zu ihr ein.
Seiner Base halber ließ den Stein
Parzival vom Sarge heben.
Schön gebalsamt wie im Leben
Lag Schionatulander da.
Man legte sie dem Helden nah,
Die ihm magdthumliche Minne gab
Im Leben, und verschloß das Grab.[400]
Kondwiramur begann zu klagen
Ihres Oheims Tochter, hört' ich sagen,
Mit großen Schmerzen unerlogen:
Schoisiane hatte sie erzogen,
Die Mutter der gestorbnen Maid,
Als Kind, drum trug sie um sie Leid,
Die Muhme nannte Parzival,
Wenn Wahrheit spricht der Provenzal.
Noch wust um seiner Tochter Tod
Nicht der Herzog Kiot,
Der Kardeißen hatt erzogen.
Es ist nicht krumm wie der Bogen,
Die Wahrheit sag ich recht und schlecht.
Da thaten sie der Reis ihr Recht
Gen Monsalväsch in tiefer Nacht.
Die Stunden harrend zugebracht
Hatte Feirefiss mit freudgem Herzen.
Man entzündete viel Kerzen
Als wär entbronnen rings der Wald.
Einen Templer von Patrigalt
Sah man bei der Köngin reiten.
Der Hof war räumig: an den Seiten
Stand harrend manch gesondert Heer:
Sie empfiengen all die Köngin hehr,
Den Wirth und auch sein Söhnelein.[401]
Da trug man Loherangrein
Zu seinem Oheim Feirefiss:
Da Der sich schwarz und weiß erwies,
Wollt ihm das Kind den Mund nicht leihn;
Den Kleinen muß man Furcht verzeihn.
Das belustigte den Heiden.
Da begann man sich zu scheiden
Auf dem Hofe, wo die Königin
War abgestiegen; Hochgewinn
War Allen ihre Kunft fürwahr.
Man führte sie, wo Frauen klar
Sie zu empfangen sich beflißen.
Anfortas und Feirefissen
Mochte man bei den Frauen
An der Stiege höfisch schauen.
Repanse de Schoie,
Von Grünland Garschiloie
Und Florie von Nonel
Trugen klare Haut und Augen hell,
Dazu magdthumlichen Preis.
Da stand auch, schwanker als ein Reis,
Der Güt' und Schönheit unverloren
War, zur Tochter Ihm geboren,
Ril, dem Herrn von Jernise,
Die reine Magd Anflise.[402]
Von Ihr stand Klarischanz nicht weit,
Von Tenabrock die süße Maid,
An lichter Farbe unverkürzt,
Trotz Ameisen schlank geschürzt.
Die Königin von Feirefiss
Zum Willkomm gern sich küssen ließ,
Von Anfortasen ebenso:
Auch war sie seiner Heilung froh.
Der Heide führte sie an der Hand,
Wo sie des Wirthes Muhme fand,
Repansen de Schoie, stehn.
Noch musten Küsse viel geschehn.
Ihr Mund, schon zuvor so roth,
Litt nun von Küssen solche Noth:
Daß Ich für sie so manche Maid
Nicht küssen kann, das ist mir leid,
Statt der reisemüden Königin.
Da führten sie die Jungfraun hin.
Die Ritter blieben in dem Saal:
Da sah man Kerzen ohne Zahl
Wonniglich entbronnen.
Da ward mit Zucht begonnen
Ein Festmal mit dem Grale.
Nicht bei jedem Male
Pflag man ihn vorzutragen,[403]
Nur an festlichen Tagen.
Sie hatten damals Trost zu finden
Gehofft, da ihre Freude schwinden
Der blutge Sper ließ jenen Abend:
Weil er lindernd ist und labend,
Trug man da hervor den Gral;
Doch ließ in Noth sie Parzival.
Heut trug man ihn zur Freude vor,
Da all ihr Kummer sich verlor.
Da des Reisekleids entledigt war
Die Köngin, und gekränzt ihr Haar,
Da trat sie wiederum herfür;
Der Heid empfieng sie an der Thür.
Nun, da war es ohne Streit,
Es hört' und sprach zu keiner Zeit
Niemand von schönerm Weibe.
Auch trug sie an dem Leibe
Seidenzeug von Meisterhand
Gewirkt, ein Stoff, den einst Sarant
Mit großer Kunst erfunden hat
Dort zu Thasme in der Stadt.
Feirefiss Anschewein
Führte sie, der lichter Schein
Entstralte, mitten durch den Saal.
An großer Feuer drei'n zumal[404]
Gab Aloeholz Geruch und Hitze.
Vierzig Teppiche und Sitze
Sah man heute mehr, als da
Zuerst den Gral der Waleis sah.
Vor allen war Ein Sitz geziert,
Wo mit Anfortas der Wirth
Sitzen sollt und Feirefissen.
Wohl war der Zucht beflißen
Wer da dienen wollte,
Wenn der Gral erscheinen sollte.
Wie man vor Anfortas ihn trug,
Davon vernahmt ihr einst genug:
Sie halten es nach gleichem Brauch
Vor des werthen Gahmuret Sohn auch
Und König Tampentärens Kind.
Die Thür geht auf; im Zuge sind
Da schon die Jungfraun allzumal,
Fünf und zwanzig an der Zahl.
Die erste schien dem Heiden klar
Und schön, mit langem Lockenhaar,
Die andern schöner, die er da
Auf die erste folgen sah,
Ihre Kleider kostbar all und reich;
Minniglich und schön zugleich
War all der Jungfraun Angesicht.[405]
Die letzte war vor Allen licht,
Repans de Schoie, eine Magd.
Tragen ließ, so wird gesagt,
Sich der Gral von Ihr allein;
Keine andre durft es sein.
Demuth wohnt' ihr im Gemüthe;
Den Schnee schien ihre Haut zu schwärzen.
Wollt ihr nochmals Kunde haben
Wie viel Kämmerer das Waßer gaben,
Wieviel man Tafeln vor sie trug
(Heut wären hundert nicht genug),
Wie Unordnung floh den Saal,
Dann der Karossen große Zahl
Mit den theuern Goldgefäßen,
Beschrieb' ich wie die Ritter äßen,
So käm ich allzuspät ans Ziel,
Drum nehm ich Kürze mir zum Ziel.
Mit Zucht man von dem Grale nahm
Alle Speise, Wild und Zahm,
Hier den Meth und dort den Wein,
Wie es Jeden mocht erfreun,
Sinopel, Morass und Klaret.
Le fils dü Roi Gahmuret
Fand Pelrapär nicht so bestellt
Als es zuerst ersah der Held.
[406]
Der Heide frug verwundert,
Wie die Becher alle hundert
Vor der Tafel würden voll?
Ihm gefiel das Wunder wohl.
Da sprach der klare Anfortas,
Der ihm an der Seite saß:
»Herr, seht ihr vor euch nicht den Gral?«
Der bunte Heide sprach zumal:
»Ich sehe nur ein Achmardi;
Eine Jungfrau bracht es, Sie
Die gekrönt dort vor uns steht;
Ihre Schönheit mir zu Herzen geht.
Ich wähnte doch so stark zu sein,
Daß mir kein Weib noch Mägdelein
Frohen Muth mehr rauben könnte.
Wenn je mir werthe Minne gönnte
Ein Weib, mir widert all ihr Minnen.
Wohl ists unziemliches Beginnen,
Daß ich euch künde meine Noth,
Der ich noch nie euch Dienste bot.
Was hilft nun all die reiche Habe
Und was ich um Fraun gestritten habe?
Was frommt mir, daß ich mild gegeben,
Wenn ich in solcher Qual soll leben?
Mein starker Gott Jupiter,
Schicktest du mich zur Marter her?«
[407]
Man sah vor Schmerz die weißen Stellen
Seiner Haut sich bleichend hellen:
Kondwiramur die Schöne sah
Ihren Schein so licht beinah
Als der Jungfrau Weiße prangen.
In ihrer Minne Strick gefangen
War Feirefiss der werthe Gast.
Andre Minne ward ihm so verhaßt,
Er vergaß sie ganz mit Willen.
Was half da Sekundillen
Ihre Minne, was Tribalibot?
Eine Magd schuf Ihm so strenge Noth:
Olympia und Klauditte,
Sekundille dann die dritte,
Und wo ihm Lohn in andern Landen
Ein Weib für Dienste zugestanden,
Aller dieser Frauen Minne
Schlug sich Gahmurets Sohn aus dem Sinne.
Da sah der klare Anfortas,
Daß sein Gesell gefoltert saß,
Wie seine blanke Farbe blich,
Ihm aller hohe Muth entwich.
Da sprach er: »Herr, die Schwester mein,
Leid wär mir, schüfe Die euch Pein,
Die Niemand noch von ihr erlitten.[408]
Kein Ritter hat für sie gestritten,
Auch empfieng noch Niemand Lohn von ihr;
Sie theilte großes Leid mit mir.
Ihre Schönheit must es auch entgelten,
Daß man sie fröhlich sah so selten.
Euer Bruder ist ihr Schwestersohn;
Der schafft vielleicht euch Hülf und Lohn.«
»Die Magd soll eure Schwester sein,«
Sprach Feirefiss Anschewein,
»Die die Kron auf bloßem Haupte hat?
Gebt mir zu ihrer Minne Rath;
Nach Ihr nur hat mein Herz Begehr.
Erwarb mir jemals Preis der Sper,
Wär das allein für Sie geschehn,
Und ließ Sie mich den Sohn ersehn!
Fünf Stiche zählt man zum Turnier:
Wie oft gelangen alle mir!
Der erste beim Entgegenreiten;
A Travers nennt man den zweiten;
Der dritte soll den Guten
In rechter Tjost entmuthen;
Oft hab ich hurtiglich geritten,
Und auch zur Folge wohl gestritten:
Seit der Schild mir Deckung bot,
Empfand ich heut die gröste Noth.[409]
Einen feurgen Ritter glühn
Sah ich vor Agremontin:
War nicht mein Salamanderkleid,
Von Asbest mein Schild zu jener Zeit,
Ich wäre von der Tjost verbronnen.
Hab ich Preis je mit Gefahr gewonnen
In solchem Kampf, was sandte mich
Nicht eure Schwester minniglich?
Ihr Bot im Kampf noch wär ich gern.
Meinem Gotte, Jupitern,
Will ich ewig Haß im Herzen tragen,
Schafft er kein Ende bittern Klagen.«
Hieß Frimutel ihr Vater nicht,
Daß so gleiche Farb und Angesicht
Anfortas wie die Schwester trug?
Der Heide sah sie an genug,
Und sah dann wiederum auf Ihn.
Wieviel man Speisen her und hin
Da trug, sein Mund davon nicht aß,
Obgleich er scheinbar eßend saß.
Anfortas sprach zu Parzival:
»Herr, euer Bruder hat den Gral,
Wie mich dünkt, noch nicht gesehn.«
Da must ihm Feirefiss gestehn,[410]
Vom Grale würd er nichts gewahr;
Das schien den Rittern wunderbar.
Da vernahms auch Titurel der Greis,
Der gelähmt zu Bette lag schneeweiß.
Der sprach: »Ists ein ungläubger Mann,
So gedenk er nicht daran,
Daß des Ungetauften Augen
Zu solcher Gnade taugen,
Daß er je den Gral erschaut:
Da sind Schranken vorgebaut.«
In den Saal entbot er das.
Da sprach der Wirth und Anfortas:
Was die Ritter hier im Kreise
Labe mit Trank und Speise,
Bevor ein Heide sich bekehrt,
Wär ihm das anzuschaun verwehrt.
Sie riethen, daß er durch die Taufe
Sich ewigen Gewinn erkaufe.
»Wenn ich die Taufe denn gewinne,
Die Taufe, hilft sie mir zur Minne?«
Sprach Gahmuretens Sohn, der Heide:
»Es that mir sonst nicht viel zu Leide
Ob Streit mich oder Minne zwang.
Es sei kurz oder lang,[411]
Seit mich der erste Schild umfangen,
Nie ließ mich solche Noth erbangen.
Es ziemte, Minne zu verhehlen;
Doch kann mein Herz sie nicht verstehlen.«
»Wen meinst du?« sprach Parzival.
»Die Maid mit lichter Schönheit Stral,
Meines Nachbarn Schwester hier.
Verhilfst du, Bruder, mir zu ihr,
Viel Reichthum bringt ihr meine Hand,
Ihr dienstbar wird manch weites Land.«
Der Wirth sprach: »Läßest du dich taufen,
So magst du ihre Minne kaufen.
Wohl duzen jetzo darf ich dich,
Denn unser Reichthum gleichet sich,
Da der Gral mir ward zu Theil.«
»Hilf mir zu meinem Heil,«
Sprach Feirefiss Anschewein,
»Bruder, bei der Muhme dein.
Wenn man die Tauf im Streit gewinnt,
In Streit nur schaffe mich geschwind:
Gern leist ich Dienst um Ihren Lohn.
Ich hörte gerne stäts den Ton,
Wenn von der Tjost die Splitter sprangen,
Schwerter laut auf Helmen klangen.«
[412]
Der Wirth der Rede lachte sehr
Und Anfortas noch viel mehr.
»Hier richtest du nichts aus mit Streit,«
Sprach der Wirth; »doch kommt die Maid
Kraft rechter Tauf in dein Gebot.
Jupitern, deinem Gott,
Must du um sie entsagen,
Sekundillens dich entschlagen.
Morgen früh geb ich dir Rath,
Der führt dich auf den rechten Pfad.«
Anfortas, eh ihn Siechthum band,
Mit Ruhm erfüllt' er manches Land
Durch kühne That um Minne.
In seines Herzens Sinne
Wohnte Güt und Mildigkeit;
Auch erwarb er oft den Preis im Streit.
Da saßen hier dem Grale bei
Der allerbesten Ritter drei,
Die je Schildesamts gepflogen;
Sie waren kühn und verwogen.
Geliebts, so end ich hier das Mal.
Die Tafeln trug man aus dem Saal
Und das Geräthe wonniglich.
Mit höfschem Gruße neigten sich[413]
Vor ihnen all die Jungfräulein.
Feirefiss Anschewein
Sah sie aus dem Saale gehn:
Um seine Freude wars geschehn.
Seines Herzens Schloß trug hin den Gral;
Urlaub gab ihnen Parzival.
Wie die Wirthin selber gieng hindann
Und was man weiter noch begann,
Daß man sein wohl mit Betten pflag,
Der unsanft doch durch Minne lag,
Wie die Templeisen allzumal
Ausruhten von der Unruh Qual,
Auf Den Bescheid muß ich verzichten:
Ich will euch von dem Tag berichten.
Bei des Morgens lichtem Schein
Kam Parzival überein
Mit Anfortas dem Helden,
Worin? das werd ich melden.
Sie ließen Den von Zaßamank
Kommen, den die Minne zwang,
In den Tempel vor den Gral.
Die weisen Templer allzumal
Lud man auch dazu. Schon war
Von Rittern, Knappen große Schar[414]
Versammelt, als der Heid erschien.
Der Taufnapf war ein Rubin,
Eine runde Stufe sein Gestell
Von Jaspisstein: Titurel
Hatt ihn so köstlich hergestellt.
Da sprach zum Bruder unser Held:
»Minnest du die Muhme mein,
All den falschen Göttern dein
Must du um Sie entsagen,
Und Haß dem Bösen tragen,
Der widersagt dem höchsten Gott,
Getreulich leisten Des Gebot.«
»Wodurch ich sie erwerben kann,«
Sprach der Heide, »das wird all gethan
Und getreulich bald vollendet.«
Ein wenig ward gewendet
Der Taufnapf hin zu dem Gral:
Da ward er Waßers voll zumal,
Nicht zu warm noch zu kalt.
Da stand ein grauer Priester alt,
Der manch heidnisch Kindelein
Schon getaucht hatte drein.
Der sprach: »Ihr sollt glauben,
Wollt ihr dem Feind die Seele rauben,[415]
An den höchsten Gott alleine.
Dreifaltig ist der Eine,
Doch Eins und einig immerfort.
Gott ist Mensch und seines Vaters Wort.
Da er Vater ist und Kind,
Die beide gleich gewaltig sind
Und an Macht dem Geiste gleich,
In der dreien Namen wehret euch
Dieses Waßer Heidenschaft
Durch der Dreieinigkeit Kraft.
Die Tauf im Waßer mied er nicht,
Der Adam lieh sein Angesicht.
Vom Waßer kommt der Bäume Saft,
Befruchtend giebt das Waßer Kraft
Aller Kreatur der Welt,
Vom Waßer wird das Aug erhellt,
Waßer giebt mancher Seele Schein,
Daß kein Engel lichter möchte sein.«
Feirefiss zum Priester sprach:
»Lindert es mein Ungemach,
So glaub ich was ihr mir befehlt.
Wenn Ihre Minne mir nicht fehlt,
So leist ich gerne sein Gebot.
Bruder, an der Muhme Gott
Will ich glauben und an Sie[416]
(So große Noth empfand ich nie):
Meinen Göttern all sei abgeschworen,
Sekundille hat verloren
Jede Forderung an mich;
Dem Gott der Muhme taufet mich.«
Da sprach man mit Handauflegen
Ueber ihn der Taufe Segen.
Als der Heide die bekam
Und dann die Pathengabe nahm,
Was ihm nur zu lange währte,
Die Maid wars, die man ihm verehrte:
Man gab ihm Frimutellens Kind.
Den Gral zu schauen war er blind
Gewesen vor der Taufe Feier:
Gehoben jetzo war der Schleier,
Daß er den Gral mochte sehn.
Als die Taufe war geschehn,
Am Grale man geschrieben fand:
Welchem Templer Gottes Hand
Fremdem Volk zu helfen aufgetragen,
Verbieten soll' er dem, zu fragen
Nach seinem Namen und Geschlechte
So lang er ihnen Hülfe brächte.
Wenn sie die Frage nicht vermeiden,
Muß er sich von ihnen scheiden.[417]
Seit der gute Anfortas
So lang in bittern Schmerzen saß,
Weil die Frage nicht geschah so lange,
Ist ihnen jetzt vor Fragen bange.
All des Grales Dienstgesellen
Darf man keine Frage stellen.
Der getaufte Feirefiss
Sich der Bitte sehr befliß,
Daß sein Schwager mit ihm fahre,
Und sein reiches Gut nicht spare
Daheim bei ihm in Zaßamank.
Doch abgelehnt mit großem Dank
Ward sein Gesuch von Anfortasen:
»Ich möchte nicht verderben laßen
Zu Gott den dienstbereiten Muth.
Des Grales Krone war so gut,
Durch Hochfahrt gieng sie mir verloren;
Nun hab ich Demuth auserkoren:
Reichthum und Frauenminne
Bleiben fern von meinem Sinne.
Ihr führet heim ein edles Weib:
Den Dienst wird euch ihr keuscher Leib
Mit holder Weiblichkeit belohnen;
Derweil will ich mich hier nicht schonen,
In meinem Orden Tjoste reiten[418]
Und im Dienst des Grales streiten.
Um Frauen streit ich nimmermehr:
Meinem Herzen gab ein Weib Beschwer.
Doch ich will sie nicht verklagen,
Nicht Haß den Frauen tragen:
Sie leihen Freud und hohen Sinn,
Erwarb ich selbst auch Ungewinn.«
Daß er die Mitfahrt ihm gewähre
Bat bei seiner Schwester Ehre
Feirefiss ihn flehentlich;
Doch mit Versagen wehrt' er sich.
Feirefiss Anschewein
Bat, daß Loherangrein
Mit ihm von dannen möchte fahren.
Die Mutter wollt ihm nicht willfahren;
Auch sprach da König Parzival:
»Gewidmet ist mein Sohn dem Gral:
Dem muß er Herz und Dienste weihn,
Will Gott ihm rechten Sinn verleihn.«
Noch großer Freud und Kurzweil pflag
Feirefiss bis zum eilften Tag;
Am zwölften schied er hindann.
Da wollte dieser reiche Mann
Sein Weib zum Hafen führen[419]
Das muste schmerzlich rühren
Den getreuen Parzival.
Ihm schuf der Lieben Abschied Qual.
Er berieth sich mit den Seinen bald
Und sandte mit ihm durch den Wald
Seiner Ritter große Schar.
Anfortas der Degen klar
Gab seinem Schwager das Geleit.
Da sah man weinen manche Maid.
Sie sollten sich auf öden Wegen
Gegen Karkobra bewegen.
Dem, der dort als Burggraf saß,
Entbot der werthe Anfortas,
Er würde jetzt gemahnt daran,
Hab er reichlich zu empfahn
Aus seiner Hand Geschenke,
Daß er der Treue denke
Und seinen Schwager mit Geleit
Führe manche Meile weit,
Dazu sein Weib die Königin,
Durch den Wald Läprisin
Bis zum Hafen an den Strand.
Des Urlaubs Stunde war zur Hand.
Nicht weiter fuhr mit ihm das Heer.
Erwählt ward Kondrie la Sorzier[420]
Als Botin ihm voranzureisen.
Urlaub nahmen die Templeisen
Alle von dem reichen Mann.
So schied der Höfische hindann.
Den Burggraf, der nicht unterließ
Zu thun wie ihn Kondrie hieß,
Feirefiss, den reichen Mann
Sah man ihn ritterlich empfahn
Und ihm gut Gemach ertheilen.
Doch nicht lange durft er weilen,
Er fuhr am Morgen weiter,
Und viel Ritter als Geleiter.
Noch manches Land durchzog er da
Bis er das Feld vor Joflanz sah.
Sie fanden Leute noch genug
Wo einst das Lager stand: da frug
Sie Feirefiss um Märe
Wo das Heer geblieben wäre?
Da hatten sie sich längst gewandt
Ein Jeder heim zu seinem Land;
Artus gegen Schamilot.
Der von Tribalibot
Eilte sich nur desto mehr
Nach dem Hafen an dem Meer.[421]
Da hielten trauernd seine Scharen,
Weil sie von ihm geschieden waren.
Doch brachte neuen hohen Muth
Seine Heimkehr manchem Ritter gut.
Der Burggraf von Karkobra
Und all die Seinen wurden da
Mit reichen Gaben heimgesandt.
Neue Märe ward Kondrien bekannt:
Boten meldeten dem Heere
Daß Sekundill gestorben wäre.
Repans de Schoie wurde so
Erst ihrer Reise wahrhaft froh.
In Indien gebar sie dann
Einen Sohn, den man Johann,
Später Priester Johannes hieß,
Und der den Namen hinterließ
Den Köngen bis auf unsre Zeiten.
Da ließ das Christenthum verbreiten
Feirefiss in all den Landen,
Die dort ihm zu Gebote standen:
Durch seine Pfleg erwuchs es da.
Hier nennen wir es India,
Doch heißt es dort Tribalibot.
Durch Kondrie la Sorzier entbot
Feirefiss dem Bruder Märe,[422]
Wie es ihm ergangen wäre
Seit Sekundillens Todesstunde.
Gern hörte Anfortas die Kunde,
Daß seine Schwester ohne Zwist
So weiter Lande Herrin ist.
Wahrheit habt ihr von fünf Kindern
Frimutels gehört, nicht mindern.
Davon sind zweie längst gestorben;
Drei haben hohes Heil erworben.
Schoisiane hieß die Eine,
Die vor Gott der Falschheit reine;
Herzeleid die andre hieß,
Die Falschheit aus dem Herzen wies.
Schwert und ritterliches Leben
Hat Trevrezent dahin gegeben
An die süße Gottesminne
Und strebt nach ewigem Gewinne.
Der klare Anfortas verband
Das keusche Herz der kühnen Hand,
Indem er noch viel Tjoste ritt,
Für den Gral und nicht um Frauen stritt.
Zur Kraft erwuchs Loherangrin,
Verzagtheit sah man von ihm fliehn;
Als er sich kühner That befliß
War ihm Preis im Dienst des Grals gewiss.
[423]
Hört weiter von dem jungen Helden.
Von einer Fürstin laßt euch melden:
Der Falschheit ledig war ihr Muth;
Erlaucht Geschlecht und reiches Gut
Ihr angeartet waren,
Man sah sie stäts gebahren
In reinem Wandel vor dem Herrn;
Irdisch Verlangen blieb ihr fern.
Es warben Herrn um sie genug;
Mancher der die Krone trug,
Und Mancher der ihr Standsgenoß:
Doch ihre Demuth blieb so groß,
Daß sie jeder Werbung widerstand.
Der Grafen viel aus ihrem Land
Schalten sie im Grolle:
Worauf sie warten wolle,
Daß sie den Mann nicht wähle,
Dem sie Leut und Land befehle?
Auf Gott allein war ihr Verlaß,
Geduldig trug sie Zorn und Haß.
Sie hört' unschuldig sich verdammen:
Ihre Fürsten rief sie da zusammen;
Die zogen weit und breit heran:
Da verschwur sie jeden Mann,[424]
Den ihr Gott nicht zugesendet;
Dessen Minne sei ihr Herz verpfändet.
Fürstin war sie in Brabant;
Von Monsalväsche ward gesandt,
Vom Schwan im Nachen hergebracht,
Welchen Gott ihr zugedacht,
Und in Antwerpen ans Land gezogen;
Sie war auch nicht an ihm betrogen:
So wohl konnt er gebahren,
Daß man ihn für den klaren,
An aller Mannheit reichen
Lobpries in allen Reichen,
Wo man sein Kunde je gewann.
Züchtig und weis, ein höfscher Mann,
Freigebig ohne Aderschlag,
Dem es an jedem Fehl gebrach.
Da ihn die Fürstin wohl empfieng
Vernehmt wie seine Red ergieng:
Im Kreiß versammelt hörte dort
Arm und Reich des Fremdlings Wort.
»Frau Herzogin,« so hub er an,
»Soll ich des Landes Kron empfahn,
So verlier ich anderwärts ein Reich.
Diese Bitte stell ich euch:[425]
Fraget nimmer wer ich bin,
So bleib ich bei euch fürderhin:
Werd ich zu eurer Frag erkoren,
Meine Minne habt ihr bald verloren.
Wollt ihr der Warnung nicht willfahren,
So warnt mich Gott hinwegzufahren.«
Ihre Treue setzte sie zum Pfand
(Der sie sich doch aus Lieb entband),
Sie woll ihm zu Gebote stehn
Und es nimmer übersehn
Was er sie leisten hieße,
Wenn sie Gott bei Sinnen ließe.
Der nächten ihre Minn empfand
Hieß am Morgen Herzog von Brabant.
Bei der Hochzeit, die man reich begieng,
Ein jeder Fürst von ihm empfieng
Die Lehen, die er sollt empfahn.
Ein gerechter Richter war ihr Mann,
Auch übt' er oftmals Ritterschaft
Und behielt den Preis durch Muth und Kraft.
Sie gebar ihm manches schöne Kind.
Viel Leute noch in Brabant sind,
Die wohl wißen von den Beiden,
Seinem Kommen, seinem Scheiden,[426]
Und wie lang er dort verblieb
Bis ihr Fragen ihn vertrieb.
Er schied auch ungern hindann.
Doch schwamm herbei sein Freund der Schwan
Und nahm ihn in den Kahn an Bord.
Zum Angedenken ließ er dort
Ein Schwert, ein Horn, ein Ringelein.
Von hinnen fuhr Loherangrein.
Diese Märe sagt' euch schon,
Er war Parzivalens Sohn;
Der fuhr auf unbekannten Wegen
Wieder heim, des Grals zu pflegen.
Wie geschahs der edeln Herzogin?
Was trieb den Herzensfreund ihr hin?
Daß sie nicht früge, war sein Rath,
Als er vom See zu Lande trat.
Hier sollte nun Herr Ereck sprechen,
Der Bruch des Schweigens weiß zu rächen.
Daß von Troyes Meister Christian
Dieser Märe Unrecht hat gethan,
Wohl zürnen mag darum Kiot,
Der uns die wahre Mär entbot.
Erschöpfend sagt der Provenzal,
Wie Herzeleidens Sohn den Gral,[427]
Der ihm geordnet war, erwarb
Als des Anfortas Heil verdarb.
Von Provenz ins deutsche Land
Ward uns die rechte Mär gesandt
Und der Aventüre letztes Ziel.
Nicht mehr davon hier sprechen will
Ich Wolfram von Eschenbach
Als dort davon der Meister sprach.
Des Helden Kinder, sein Geschlecht
Lehrt' ich euch erkennen recht;
Ihn selber bracht ich an den Ort,
Wo Heil ihm blühet immerfort.
Wes Leben so sich endet,
Daß Gott nicht wird gepfändet
Der Seele durch des Leibes Schuld,
Und er dennoch sich die Huld
Der Welt erhielt mit Würdigkeit,
Der blieb vom rechten Ziel nicht weit.
Mich sollten billig gute Frauen,
Verständge, desto lieber schauen,
Wenn noch ein Weib mir freundlich lacht,
Weil ich dieß Werk zum Schluß gebracht.
Geschah das einer Frau zu Ehren,
Die soll mir süßen Dank gewähren.[428]
Ausgewählte Ausgaben von
Parzival
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